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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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armseligen
    Lebens überdrüssig, noch einstellen ließ, setzte
    ihm sein Kumpel auf dem Bauplatz scharf zu,
    machte sich tödlich über ihn lustig, indem er
    fand, Coupeau hänge am Ende seines
    Knotenseils wie ein geräucherter Schinken,
    und er rief ihm zu, er solle herunterkommen
    und ein Gläschen trinken. Es war abgemacht,
    der Bauklempner ließ die Arbeit fahren und
    begann eine Sauftour, die Tage und Wochen
    dauerte. Oh, du meine Güte, es waren gehörige
    Sauftouren, eine Generalinspektion aller
    Kneipwirte des Viertels, der Suff vom
    Vormittag wurde mittags ausgeschlafen und
    abends wieder aufgefrischt, eine Lage
    Rachenputzer folgte auf die andere, und sie
    verloren sich in der Nacht gleich Lampions auf
    einem Fest, bis die letzte Kerze mit dem
    letzten Glase erlosch! Der Hutmacher, dieser
    Schafskopf, hielt nie bis zum Schluß durch. Er
    hielt den anderen nicht davon ab, sich zu
    benebeln, ließ ihn sitzen, kehrte lächelnd heim
    mit seiner liebenswürdigen Miene. Er begoß
    sich die Nase auf anständige Weise, ohne daß
    man es merkte. Wenn man ihn gut kannte, so
    sah man es nur an seinen schmaleren Augen
    und an seinem unternehmungslustigeren
    Benehmen zu den Frauen. Der Bauklempner
    dagegen wurde eklig, konnte nicht mehr
    trinken, ohne in einen gemeinen Zustand zu
    geraten.
    So unternahm Coupeau in den ersten
    Novembertagen eine Sauftour, die für ihn und
    die anderen auf eine ganz und gar schmutzige
    Art und Weise endete. Am Vortage hatte er
    Arbeit gefunden. Diesmal steckte Lantier
    voller schöner Empfindungen; er pries die
    Arbeit, da die Arbeit doch den Menschen adle.
    Am Morgen stand er sogar bei Lampenlicht
    auf, er wollte seinen Freund feierlich zur
    Arbeitsstelle geleiten, weil er in ihm den
    Arbeiter ehre, der dieses Namens wahrhaft
    würdig sei. Aber vor der »PetiteCivette«
    angelangt, die gerade geöffnet wurde, traten
    sie ein, um eine Branntweinpflaume zu sich zu
    nehmen, nur eine einzige, in der alleinigen
    Absicht, zusammen den festen Entschluß zu
    einem guten Lebenswandel zu begießen. Dem
    Schanktisch gegenüber auf einer Bank rauchte
    RöstfleischBibi, der mit dem Rücken an der
    Wand lehnte, mit mürrischer Miene seine
    Pfeife.
    »Da ist ja Bibi, der von einer Kneipe in die
    andere zieht«, sagte Coupeau. »Du hast wohl
    das Rumlungern gekriegt, alter Freund?«
    »Nein, nein«, erwiderte der Kumpel und
    rekelte sich. »Die Arbeitgeber widern einen ja
    an ... Ich habe meinen gestern sitzenlassen ...
    Alles Lumpenvolk und Gesindel ...« Und
    RöstfleischBibi nahm eine Pflaume an. Er
    mußte dort auf der Bank gesessen und auf eine
    Lage gewartet haben.
    Lantier allerdings verteidigte die Arbeitgeber;
    sie

    hätten

    manchmal

    gehörige
    Schwierigkeiten, er, der sich von den
    Geschäften zurückgezogen habe, könne ein
    Lied davon singen. Ein schönes Pack, die
    Arbeiter! Immer beim Flottmachen, pfiffen auf
    die Arbeit, ließen einen mitten in einem
    Auftrag sitzen und erschienen wieder, wenn
    ihr Geld weggeputzt sei. So habe er einen
    kleinen Pikarden gehabt, der die Schrulle
    hatte, im Wagen herumzukutschieren; ja,
    sobald er seinen Wochenlohn einkassiert habe,
    habe er sich tagelang Droschken genommen.
    Sei das etwa eine Art für einen Arbeiter? Dann
    fing Lantier jäh an, auch die Arbeitgeber
    anzugreifen. Oh, er sehe klar, er sage jedem
    die Wahrheit. Eine schmutzige Brut alles in
    allem, schamlose Ausbeuter und
    Leuteschinder. Er könne Gott sei Dank mit
    ruhigem Gewissen schlafen, denn er habe sich
    seinen Leuten gegenüber immer als Freund
    benommen und habe lieber keine Millionen
    wie die anderen verdient.
    »Ziehen wir Leine, mein Kleiner«, sagte er,
    sich an Coupeau wendend. »Man muß
    vernünftig sein, wir könnten zu spät kommen.«
    RöstfleischBibi ging mit schlenkernden Armen
    mit ihnen hinaus. Draußen brach kaum der Tag
    an, ein vom kotigen Widerschein des Pflasters
    beschmutztes Tagesgrauen; es hatte am
    Vorabend geregnet, und es war sehr mild.
    Soeben waren die Gaslaternen ausgelöscht
    worden; die Rue des Poissonniers, in der noch
    von den Häusern eingeengte Fetzen der Nacht
    schwebten, füllte sich mit dem dumpfen
    Getrampel der nach Paris hinabgehenden
    Arbeiter.
    Seinen Bauklempnerbeutel über die Schulter
    geworfen, schritt Coupeau mit der
    großtuerischen Miene eines Bürgers dahin, der
    zufällig einmal forsch rangeht. Er drehte sich
    um und fragte:
    »Bibi, willst du eingestellt werden? Der
    Meister hat mir gesagt, wenn ich kann, soll ich
    einen

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