Der Todschlaeger
armseligen
Lebens überdrüssig, noch einstellen ließ, setzte
ihm sein Kumpel auf dem Bauplatz scharf zu,
machte sich tödlich über ihn lustig, indem er
fand, Coupeau hänge am Ende seines
Knotenseils wie ein geräucherter Schinken,
und er rief ihm zu, er solle herunterkommen
und ein Gläschen trinken. Es war abgemacht,
der Bauklempner ließ die Arbeit fahren und
begann eine Sauftour, die Tage und Wochen
dauerte. Oh, du meine Güte, es waren gehörige
Sauftouren, eine Generalinspektion aller
Kneipwirte des Viertels, der Suff vom
Vormittag wurde mittags ausgeschlafen und
abends wieder aufgefrischt, eine Lage
Rachenputzer folgte auf die andere, und sie
verloren sich in der Nacht gleich Lampions auf
einem Fest, bis die letzte Kerze mit dem
letzten Glase erlosch! Der Hutmacher, dieser
Schafskopf, hielt nie bis zum Schluß durch. Er
hielt den anderen nicht davon ab, sich zu
benebeln, ließ ihn sitzen, kehrte lächelnd heim
mit seiner liebenswürdigen Miene. Er begoß
sich die Nase auf anständige Weise, ohne daß
man es merkte. Wenn man ihn gut kannte, so
sah man es nur an seinen schmaleren Augen
und an seinem unternehmungslustigeren
Benehmen zu den Frauen. Der Bauklempner
dagegen wurde eklig, konnte nicht mehr
trinken, ohne in einen gemeinen Zustand zu
geraten.
So unternahm Coupeau in den ersten
Novembertagen eine Sauftour, die für ihn und
die anderen auf eine ganz und gar schmutzige
Art und Weise endete. Am Vortage hatte er
Arbeit gefunden. Diesmal steckte Lantier
voller schöner Empfindungen; er pries die
Arbeit, da die Arbeit doch den Menschen adle.
Am Morgen stand er sogar bei Lampenlicht
auf, er wollte seinen Freund feierlich zur
Arbeitsstelle geleiten, weil er in ihm den
Arbeiter ehre, der dieses Namens wahrhaft
würdig sei. Aber vor der »PetiteCivette«
angelangt, die gerade geöffnet wurde, traten
sie ein, um eine Branntweinpflaume zu sich zu
nehmen, nur eine einzige, in der alleinigen
Absicht, zusammen den festen Entschluß zu
einem guten Lebenswandel zu begießen. Dem
Schanktisch gegenüber auf einer Bank rauchte
RöstfleischBibi, der mit dem Rücken an der
Wand lehnte, mit mürrischer Miene seine
Pfeife.
»Da ist ja Bibi, der von einer Kneipe in die
andere zieht«, sagte Coupeau. »Du hast wohl
das Rumlungern gekriegt, alter Freund?«
»Nein, nein«, erwiderte der Kumpel und
rekelte sich. »Die Arbeitgeber widern einen ja
an ... Ich habe meinen gestern sitzenlassen ...
Alles Lumpenvolk und Gesindel ...« Und
RöstfleischBibi nahm eine Pflaume an. Er
mußte dort auf der Bank gesessen und auf eine
Lage gewartet haben.
Lantier allerdings verteidigte die Arbeitgeber;
sie
hätten
manchmal
gehörige
Schwierigkeiten, er, der sich von den
Geschäften zurückgezogen habe, könne ein
Lied davon singen. Ein schönes Pack, die
Arbeiter! Immer beim Flottmachen, pfiffen auf
die Arbeit, ließen einen mitten in einem
Auftrag sitzen und erschienen wieder, wenn
ihr Geld weggeputzt sei. So habe er einen
kleinen Pikarden gehabt, der die Schrulle
hatte, im Wagen herumzukutschieren; ja,
sobald er seinen Wochenlohn einkassiert habe,
habe er sich tagelang Droschken genommen.
Sei das etwa eine Art für einen Arbeiter? Dann
fing Lantier jäh an, auch die Arbeitgeber
anzugreifen. Oh, er sehe klar, er sage jedem
die Wahrheit. Eine schmutzige Brut alles in
allem, schamlose Ausbeuter und
Leuteschinder. Er könne Gott sei Dank mit
ruhigem Gewissen schlafen, denn er habe sich
seinen Leuten gegenüber immer als Freund
benommen und habe lieber keine Millionen
wie die anderen verdient.
»Ziehen wir Leine, mein Kleiner«, sagte er,
sich an Coupeau wendend. »Man muß
vernünftig sein, wir könnten zu spät kommen.«
RöstfleischBibi ging mit schlenkernden Armen
mit ihnen hinaus. Draußen brach kaum der Tag
an, ein vom kotigen Widerschein des Pflasters
beschmutztes Tagesgrauen; es hatte am
Vorabend geregnet, und es war sehr mild.
Soeben waren die Gaslaternen ausgelöscht
worden; die Rue des Poissonniers, in der noch
von den Häusern eingeengte Fetzen der Nacht
schwebten, füllte sich mit dem dumpfen
Getrampel der nach Paris hinabgehenden
Arbeiter.
Seinen Bauklempnerbeutel über die Schulter
geworfen, schritt Coupeau mit der
großtuerischen Miene eines Bürgers dahin, der
zufällig einmal forsch rangeht. Er drehte sich
um und fragte:
»Bibi, willst du eingestellt werden? Der
Meister hat mir gesagt, wenn ich kann, soll ich
einen
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