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Der Todschlaeger

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Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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nicht trinken könne, was man
    ihm schließlich nicht als Verbrechen
    anrechnen dürfe. Er pflichtete sogar Goujet
    bei, denn es sei ja doch ein Glück, niemals
    Durst zu haben. Und er sprach davon, arbeiten
    zu gehen, als Lantier ihm mit seiner
    vornehmen Miene eines feinen Menschen
    einen Verweis erteilte: man bezahle seine
    Lage, bevor man verdufte; man lasse seine
    Freunde nicht wie Lumpen stehen, selbst wenn
    man seiner Pflicht nachgehen wolle.
    »Will der uns noch lange mit seiner Arbeit
    anöden?« schrie MeineBotten.
    »Dann ist das also Ihre Lage, mein Herr?«
    fragte Vater Colombe Coupeau.
    Coupeau bezahlte seine Lage.
    Aber als RöstfleischBibi an die Reihe kam,
    beugte er sich hinüber zum Ohr des Wirtes,
    der mit langsamem Kopfschütteln ablehnte.
    MeineBotten begriff und fing wieder an, Vater
    Colombe, diesen verschrobenen Kerl, zu
    beschimpfen. Was! Ein klappriger Alter seines
    Schlages erlaube sich einem Kumpel
    gegenüber schlechte Manieren? Alle
    Fuselhändler gaben auf Pump! In so eine
    Stampe müsse man kommen, um sich
    beleidigen zu lassen!
    Der Wirt blieb ruhig, wiegte sich an der
    Schanktischbank auf seinen dicken Fäusten
    hin und her und sagte immer wieder höflich:
    »Leihen Sie dem Herrn Geld, das ist
    einfacher.«
    »Himmelsakrament, ja, ich werde ihm welches
    leihen!« brüllte MeineBotten. »Da, Bibi,
    schmeiß ihm sein Geld in die Fresse, diesem
    gekauften Subjekt!« In Schwung gebracht,
    gereizt durch den Beutel, den Coupeau über
    der Schulter behalten hatte, fuhr er dann fort,
    indem er sich an den Bauklempner wandte:
    »Du siehst aus wie eine Amme. Laß dein
    Wickelkind fahren. Das macht bucklig.«
    Coupeau zögerte einen Augenblick; und
    friedfertig, als habe er sich nach reiflichen
    Überlegungen entschlossen, stellte er seinen
    Beutel auf die Erde und sagte:
    »Jetzt ist es zu spät. Ich werde nach dem
    Mittagessen zu Bourguignon gehen. Ich werde
    sagen, meine Alte hat Bauchschmerzen
    bekommen ... Hören Sie mal zu, Vater
    Colombe, ich lasse mein Werkzeug unter der
    Bank da, ich hole es mittags wieder ab.«
    Lantier billigte diese Abmachung mit einem
    Kopfnicken. Man müsse arbeiten, das stehe
    außer Zweifel; bloß, wenn man mit Freunden
    zusammen sei, so gehe die Höflichkeit vor.
    Das Verlangen nach einer Sauferei hatte sie
    nach und nach alle vier, deren Hände schwer
    waren und die sich mit dem Blick abtasteten,
    gekitzelt und benommen gemacht. Und da sie
    nun fünf Bummelstunden vor sich hatten,
    wurden sie jäh von lärmender Freude erfaßt,
    versetzten einander Klapse und brüllten sich
    Koseworte ins Gesicht. Besonders Coupeau,
    der erleichtert, verjüngt war, nannte die
    anderen »altes Haus«. Man feuchtete sich noch
    mit einer Runde für alle an; dann ging man in
    den »Puce qui renifle«78, eine kleine
    Spelunke, wo es ein Billard gab. Der
    Hutmacher machte einen Augenblick ein
    langes Gesicht, weil das kein sehr sauberes
    Haus war; der Fusel kostete dort einen Franc
    den Liter, eine halbe Flasche mit zwei Gläsern
    zehn Sous, und die Gäste des Lokals hatten so
    viele Sudeleien auf dem Billard vollführt, daß
    die Bälle darauf klebenblieben. Aber als die
    Partie erst einmal angefangen hatte, fand
    Lantier, der über eine außergewöhnliche
    Stoßtechnik verfügte, seine Freundlichkeit und
    seine gute Laune wieder, brachte seinen
    Oberkörper zur Geltung und begleitete jede
    Karambolage mit einem effektvollen
    Hüftschwung.
    Als die Zeit zum Mittagessen kam, hatte
    Coupeau eine Idee; er stampfte mit den Füßen
    auf und rief:
    »Wir müssen Salzschnabel abholen. Ich weiß,
    wo er arbeitet ... Wir nehmen ihn mit zu
    Mutter Louis, Hammelfüße in Buttertunke
    essen.«
    Die Idee wurde mit Beifall aufgenommen. Ja,
    Salzschnabel, genannt Trinkohndurst, mußte
    es nötig haben, Hammelfüße in Buttertunke zu
    essen. Sie brachen auf. Die Straßen waren
    gelb, leichter Regen fiel; aber ihnen war
    innerlich schon zu warm, als daß sie diesen
    schwachen Guß auf ihre Knochen gespürt
    hätten. Coupeau führte sie in die Rue Marcadet
    zu der Schraubenfabrik. Da sie eine gute halbe
    Stunde vor der Pause ankamen, gab der
    Bauklempner einem Bengel zwei Sous, damit
    er hineingehe und Salzschnabel sage, seiner
    Alten sei übel und sie verlange sofort nach
    ihm. Sich in den Hüften wiegend, erschien der
    Schmied sogleich und sah recht ruhig aus, weil
    seine Nase eine Fresserei witterte.
    »Aha, ihr Freßsäcke!« sagte er, sobald er sie,
    in einer Haustür versteckt, erblickte.

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