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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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nicht nein ...
    Wir schulden Ihnen so viel Geld!«
    Aber er wurde grob, um sie zum Schweigen zu
    bringen. Er schüttelte ihre Hand zum
    Zerbrechen. Er wollte nicht, daß sie vom Geld
    sprach. Dann zögerte er und stammelte
    schließlich:
    »Hören Sie, seit langem denke ich daran,
    Ihnen etwas vorzuschlagen ... Sie sind nicht
    glücklich. Meine Mutter behauptet, daß das
    Leben eine schlimme Wendung für Sie
    nimmt ...« Er hielt inne, bekam schlecht Luft.
    »Also, wir müssen zusammen fortgehen.«
    Sie sah ihn an, da sie zuerst nicht genau
    verstand und überrascht war von dieser rauhen
    Erklärung einer Liebe, über die er nie den
    Mund aufgetan hatte.
    »Wie denn?« fragte sie.
    »Ja«, fuhr er mit gesenktem Kopf fort, »wir
    könnten fortgehen, wir könnten irgendwo
    leben, in Belgien, wenn Sie wollen ... Das ist
    fast meine Heimat – Wenn wir beide arbeiten,
    würden wir es schnell zu etwas bringen.«
    Da wurde sie ganz rot. Selbst wenn er sie an
    sich gezogen hätte, um sie zu küssen, hätte sie
    sich weniger geschämt. Er war doch ein
    komischer Bursche, ihr eine Entführung
    vorzuschlagen, wie es in Romanen und in der
    vornehmen Gesellschaft vorkommt. Nun ja,
    um sich her sah sie, wie Arbeiter verheirateten
    Frauen den Hof machten; doch sie führten sie
    nicht einmal nach SaintDenis, an Ort und
    Stelle geschah's, und zwar ohne Umschweife.
    »Ach, Herr Goujet, Herr Goujet ...«, flüsterte
    sie, ohne daß ihr etwas anderes einfiel.
    »Na ja, da wären wir schließlich nur zu zweit«,
    begann er wieder. »Die anderen stören mich,
    verstehen Sie? – Wenn ich Freundschaft für
    einen Menschen empfinde, kann ich diesen
    Menschen nicht mit anderen zusammen
    sehen.«
    Aber sie faßte sich, sie lehnte nun mit
    vernünftiger Miene ab:
    »Das ist nicht möglich, Herr Goujet. Das wäre
    sehr schlecht ... Ich bin verheiratet, nicht
    wahr? Ich habe Kinder ... Ich weiß wohl, daß
    Sie Freundschaft für mich empfinden und daß
    ich Ihnen weh tue. Bloß wir würden
    Gewissensbisse bekommen, wir würden keine
    Freude verspüren ... Auch ich empfinde
    Freundschaft für Sie, ich empfinde zuviel
    Freundschaft für Sie, als daß ich Sie
    Dummheiten begehen ließe. Und das wären
    bestimmt Dummheiten ... Nein, sehen Sie, es
    ist besser, wir bleiben, wie wir sind. Wir
    schätzen uns, wir stimmen in unseren
    Gefühlen überein. Das ist viel, das hat mich
    mehr als einmal aufrechterhalten. Wenn man
    in unserer Lage ehrbar bleibt, so wird man
    dafür tüchtig belohnt.«
    Er nickte mit dem Kopf, während er ihr
    zuhörte. Er pflichtete ihr bei, er konnte nicht
    das Gegenteil sagen. Jäh nahm er sie am
    hellichten Tage in die Arme, preßte sie zum
    Zerspringen an sich, drückte ihr einen wilden
    Kuß auf den Hals, als wolle er ihre Haut
    verschlingen. Dann ließ er sie los, ohne etwas
    anderes zu verlangen; und er sprach nicht
    mehr von ihrer Liebe.
    Sie schüttelte sich, sie war nicht böse, weil sie
    begriff, daß sie beide diese kleine Freude wohl
    verdient hatten.
    Der Schmied jedoch, der von Kopf bis Fuß
    von einem heftigen Schauer geschüttelt wurde,
    rückte von ihr ab, um nicht dem Verlangen
    nachzugeben, sie wieder in seine Arme zu
    nehmen; er rutschte auf den Knien herum,
    wußte nicht, womit er seine Hände
    beschäftigen sollte, pflückte Butterblumen, die
    er von weitem in ihren Korb warf. Es gab hier
    inmitten des verbrannten Grasteppichs
    prächtige gelbe Butterblumen. Nach und nach
    beruhigte und belustigte ihn dieses Spiel. Mit
    seinen von der Arbeit mit dem Hammer steif
    gewordenen Fingern brach er behutsam die
    Blumen ab, schleuderte sie eine nach der
    anderen, und seine Augen, die Augen eines
    gutmütigen Hundes, lachten, wenn er den
    Korb nicht verfehlte. Heiter und ausgeruht
    hatte sich die Wäscherin an den abgestorbenen
    Baum gelehnt und sprach lauter, um beim
    heftigen Atmen des Sägewerks gehört zu
    werden. Als sie das unbebaute Gelände Seite
    an Seite verließen und dabei von Etienne
    redeten, dem es in Lille sehr gefiel, nahm sie
    ihren Korb voller Butterblumen mit.
    Im Grunde fühlte sich Gervaise Lantier
    gegenüber nicht so mutig, wie sie sagte.
    Gewiß, sie war wohl entschlossen, ihm nicht
    zu gestatten, sie auch nur mit den
    Fingerspitzen anzurühren; aber sie hatte Angst,
    wenn er sie jemals anrühren sollte, Angst vor
    ihrer früheren Feigheit, vor jener Schlaffheit
    und jener Nachgiebigkeit, der sie sich überließ,
    um den Leuten Freude zu machen. Lantier
    jedoch begann mit seinem Versuch

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