Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
Vom Netzwerk:
verpaßt hat«, erzählte Salzschnabel,
    genannt Trinkohndurst. »Mein Ehrenwort!
    Und um nichts und wieder nichts, bloß weil sie
    sich schikanierten. Badinguet war benebelt.«
    »Bleibt uns doch mit eurer Politik vom
    Leibe!« schrie der Bauklempner. »Lest die
    Mordfälle vor, das ist spaßiger.« Und zu
    seinem Spiel zurückkehrend, meldete er eine
    Terz von der Neun und drei Damen an: »Ich
    habe eine niedere Terz und drei Täubchen ...
    Die Krinolinen verlassen mich nicht.«
    Man leerte die Gläser.
    Lantier fing an, laut vorzulesen:
    »Soeben stürzte ein entsetzliches Verbrechen
    die Gemeinde Gaillon (SeineetMarne) in
    Schrecken. Ein Sohn erschlug seinen Vater mit
    dem Spaten, um ihm dreißig Sous zu
    stehlen ...«
    Alle stießen einen Schrei des Entsetzens aus.
    Das sei einer, du meine Güte, bei dem sie mit
    Vergnügen zuschauen würden, wie er einen
    Kopf kürzer gemacht wird! Nein, die
    Guillotine sei nicht genug; in kleine Stücke
    sollte man ihn hacken. Eine
    Kindesmordgeschichte empörte sie ebenfalls;
    aber der Hutmacher, der sehr moralisch war,
    sprach die Frau von Schuld frei, indem er die
    ganze Schuld auf ihren Verführer schob, denn
    wenn ein Lump von einem Mann dieser
    Unglücklichen schließlich kein Gör gemacht
    hätte, so hätte sie keins in den Abtritt werfen
    können. Was sie jedoch begeisterte, das waren
    die Heldentaten des Marquis de T ..., der um
    zwei Uhr morgens von einem Ball gekommen
    war und sich auf dem Boulevard des Invalides
    gegen drei üble Strolche verteidigt hatte; ohne
    auch nur seine Handschuhe auszuziehen, hatte
    er sich der ersten beiden Schurken dadurch
    entledigt, daß er ihnen seinen Kopf in den
    Bauch rannte, und hatte den dritten an einem
    Ohr zur Wache geführt. So eine Forsche, was!
    Dumm, daß er adlig war.
    »Nun hört euch mal das an«, fuhr Lantier fort,
    »Ich gehe zu den Gesellschaftsnachrichten
    über: ›Die Gräfin de Brétigny verheiratet ihre
    älteste Tochter mit dem jungen Baron de
    Valançay, Adjutant Seiner Majestät. Unter den
    Brautgeschenken befinden sich für über
    dreihunderttausend Francs Spitzen ...‹«
    »Was schert uns das?« unterbrach Röstfleisch
    Bibi. »Man fragt sie ja nicht nach der Farbe
    ihres Hemdes ... Die Kleine mag noch so viel
    Spitzen haben, deshalb sieht sie ihre beiden
    Halbmonde doch durch dasselbe Loch wie die
    andern.«
    Als Lantier Miene machte, zu Ende
    vorzulesen, nahm ihm Salzschnabel, genannt
    Trinkohndurst, die Zeitung weg und setzte sich
    drauf, wobei er sagte:
    »Ach nein, genug davon! – Da liegt sie
    warm ... Dazu ist das Papier ja bloß gut.«
    MeineBotten, der sein Spiel betrachtete,
    schlug indessen triumphierend mit der Faust
    auf den Tisch. Er hatte dreiundneunzig.
    »Ich habe Revolution«, schrie er. »Große
    Quinte von Kreuz ... Zwanzig, nicht wahr?
    Dann große Terz von Karo, dreiundzwanzig;
    drei Könige, sechsundzwanzig; drei Buben,
    neunundzwanzig;

    drei

    Asse,
    zweiundneunzig ... Und ich spiele Jahr I der
    Republik81, dreiundneunzig.«
    »Du bist ausgeplündert, alter Freund«, schrien
    die anderen Coupeau zu.
    Man bestellte zwei weitere Liter. Die Gläser
    wurden nicht mehr leer, die Sauferei nahm zu.
    Gegen fünf Uhr begann es widerlich zu
    werden, so daß Lantier schwieg und zu flitzen
    gedachte; sobald man herumgrölte und den
    Wein auf die Erde plemperte, war es nicht
    mehr sein Geschmack. Eben stand Coupeau
    auf, um das Säuferkreuz zu schlagen. Beim
    Kopf sprach er Montpernasse82, bei der
    rechten Schulter Ménilmonte83, bei der linken
    Schulter La Courtille84, bei der Mitte des
    Bauches Bagnolet85 und bei der Herzgrube
    dreimal geschmortes Kaninchen. Da erreichte
    der Hutmacher, indem er sich das durch diese
    Übung verursachte Geschrei zunutze machte,
    seelenruhig die Tür. Die Kumpel merkten
    seinen Aufbruch nicht einmal. Er hatte bereits
    ganz schön einen sitzen. Aber draußen
    schüttelte ersieh und fand seine Sicherheit
    wieder; und er kehrte seelenruhig in den Läden
    zurück, wo er Gervaise erzählte, Coupeau sei
    mit Freunden zusammen.
    Es vergingen zwei Tage, der Bauklempner
    hatte sich nicht wieder blicken lassen. Er trieb
    sich im Viertel herum, man wußte nicht genau
    wo. Leute sagten jedoch, sie hätten ihn bei
    Mutter Baquet, im »Papillon« und im »Petit
    Bonhomme qui tousse« gesehen. Bloß
    behaupteten die einen, er sei allein gewesen,
    während die anderen ihn in Gesellschaft von
    sieben oder acht Säufern seines Schlages
    getroffen hatten. Gervaise zuckte

Weitere Kostenlose Bücher