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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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ergattern.
    Daß sie Coupeau nicht mehr verabscheute als
    Lantier, bewies, wie hausbacken und bieder
    das wurde. Im Théâtre de la Gaîté86 hatte sie
    in einem Stück eine Schlampe gesehen, die
    ihren Mann nicht ausstehen konnte und ihn
    wegen ihres Geliebten vergiftete; und Gervaise
    war böse geworden, weil sie nichts
    dergleichen in ihrem Herzen fühlte. War es
    denn nicht vernünftiger, wenn sie alle drei in
    gutem Einvernehmen lebten? Nein, nein, keine
    solchen Dummheiten; das störte das Leben,
    das sowieso schon nichts sehr Lustiges an sich
    hatte. Kurzum, trotz der Schulden, trotz des
    Elends, das sie alle bedrohte, hätte sie sich
    noch als sehr ruhig und zufrieden bezeichnet,
    wenn der Bauklempner und der Hutmacher sie
    weniger geschunden und angebrüllt hätten.
    Gegen den Herbst zu nahm es mit dem
    Haushalt unglücklicherweise eine noch
    schlechtere Wendung. Lantier behauptete
    abzumagern und zog ein Gesicht, das jeden
    Tag länger wurde. Er mäkelte an allem herum,
    nörgelte über die Töpfe voll Kartoffeln, einen
    Fraß, von dem er nichts essen könne, wie er
    sagte, ohne Leibschneiden zu bekommen. Die
    geringsten. Zwistigkeiten endeten jetzt mit
    Zänkereien, bei denen man sich die Pleite des
    Hauses an den Kopf warf, und bevor jeder in
    sein Heiabett pennen ging, war der Teufel los,
    bis man sich wieder aussöhnte. Wenn keine
    Kleie mehr da ist, balgen sich die Esel, nicht
    wahr?
    Lantier witterte die Klemme, es brachte ihn
    auf, als er fühlte, daß die Wirtschaft schon
    durchgebracht und so ausgeplündert war, daß«
    er den Tag kommen sah, an dem er seinen Hut
    würde nehmen und anderswo Unterschlupf
    und Futter suchen müssen. Er war sehr an sein
    Nest gewöhnt und hatte dort, von jederman
    umhätschelt, seine kleinen Gewohnheiten
    angenommen; ein richtiges Schlaraffenland,
    für dessen Annehmlichkeiten er niemals würde
    Ersatz finden können. Freilich, man kann sich
    nicht bis zu den Ohren vollschlagen und die
    Bissen immer noch auf dem Teller haben.
    Nach alledem sollte er eigentlich in Zorn
    geraten auf seinen Bauch, da das Haus ja jetzt
    in seinem Bauche war. Aber er urteilte
    durchaus nicht so, er hegte einen gewaltigen
    Groll gegen die anderen, daß sie sich in zwei
    Jahren hatten reinreißen lassen. Wirklich, die
    Coupeaus hatten nicht gerade ein breites
    Kreuz. Nun schrie er, Gervaise lasse es an
    Sparsamkeit fehlen. Himmeldonnerwetter!
    Was sollte denn aus einem werden?
    Ausgerechnet die Freunde ließen ihn im Stich,
    wo er drauf und dran sei, ein ausgezeichnetes
    Geschäft abzuschließen, sechstausend Francs
    Gehalt in einer Fabrik, genug, um die ganze
    kleine Familie in Luxus leben zu lassen.
    Im Dezember gab es eines Abends nichts zu
    essen. Es war kein roter Heller mehr da.
    Lantier ging ganz finster frühzeitig aus und
    streifte planlos umher, um eine andere Bude zu
    finden, wo der Küchengeruch die Gesichter
    aufhellte. Er verweilte stundenlang neben der
    Maschine und überlegte. Dann bezeigte er auf
    einmal eine große Freundschaft zu den
    Poissons. Er zog den Polizisten nicht mehr
    damit auf, daß er ihn Badinguet nannte, und
    ging sogar so weit, ihm zuzugestehen, daß der
    Kaiser vielleicht doch ein guter Kerl sei. Er
    schien vor allem Virginie zu schätzen, eine
    Frau mit Verstand, wie er sagte, die ihr Schiff
    ganz schön zu steuern verstünde. Es war
    offensichtlich, er schmeichelte ihnen. Man
    konnte sogar glauben, er wolle bei ihnen in
    Kost gehen. Aber er hatte einen Nischel, der
    einer Schachtel mit doppeltem Boden glich
    und der noch viel komplizierter war als so
    was. Da Virginie ihm ihren Wunsch mitgeteilt
    hatte, sich als Händlerin mit irgend etwas
    selbständig zu machen, kroch er vor ihr herum
    und erklärte dieses Vorhaben für sehr tüchtig.
    Ja, sie müsse wie geschaffen sein für den
    Handel, groß, einnehmend, rege. Oh, sie
    würde verdienen, was sie wolle. Da das Geld,
    die Erbschaft von einer Tante, ja seit langem
    bereitliege, habe sie völlig recht, die paar
    Kleider fahrenzulassen, die sie in der Saison
    zusammenschustere, um sich aufs Geschäft zu
    verlegen. Und er führte Leute an, die im
    Begriff stünden, sich ein Vermögen zu
    erwerben: die Obsthändlerin an der
    Straßenecke und eine kleine Fayencehändlerin
    am äußeren Boulevard; denn der Zeitpunkt sei
    prächtig, man hätte den Kehricht von den
    Ladentischen verkaufen können. Virginie
    zögerte jedoch, sie suchte einen Laden, der zu
    vermieten war, sie wünschte das Viertel nicht
    zu

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