Der Todschlaeger
sich
vollständig an.
Da kuschelte er sich wieder unter die
Bettdecke, mit der Nase zur Wand, und redete
dabei von dem verdammten Dickkopf der
Frauen. Sei es denn eilig, den Leuten zu
verkünden, daß ein Toter in der Wohnung sei?
Da sei mitten in der Nacht nichts Lustiges bei;
und er war aufgebracht, daß sein Schlaf durch
finstere Gedanken verdorben wurde.
Unterdessen setzte sie sich, als sie ihre Sachen,
sogar ihre Haarnadeln, in ihre Stube
zurückgeschafft hatte, dort hin, schluchzte
leise und fürchtete nicht mehr, mit dem
Hutmacher überrascht zu werden. Im Grunde
mochte sie Mama Coupeau sehr gern, sie
empfand heftigen Kummer, nachdem sie im
ersten Augenblick nur Angst und Verdruß
verspürt hatte, als sie sah, was für eine
schlechte Stunde Mama Coupeau wählte, um
dahinzugehen. Und ganz allein, weinte sie sehr
laut in der Stille, ohne daß der Bauklempner
aufhörte zu schnarchen; er hörte nichts, sie
hatte ihn gerufen und gerüttelt, dann hatte sie
sich entschlossen, ihn in Ruhe zu lassen,
wobei sie überlegte, daß es neue
Ungelegenheiten geben würde, wenn er
aufwachte. Als sie zu der Leiche zurückkehrte,
fand sie Nana aufrecht im Bett sitzen, wie sie
sich die Augen rieb. Die Kleine begriff,
machte in ihrer Neugier, der Neugier einer
lasterhaften Göre, einen langen Hals, um ihre
Großmutter besser zu sehen; sie sagte nichts,
sie zitterte ein bißchen, war verwundert und
befriedigt angesichts dieses Todes, den sie seit
zwei Tagen erhoffte wie eine verworfene
Sache, die den Kindern verheimlicht und
verboten wird; und vor dieser weißen Maske,
die durch den Leidensweg des Lebens beim
letzten Seufzer spitz geworden war, weiteten
sich ihre Pupillen, die Pupillen einer jungen
Katze, und sie hatte jenes taube Gefühl im
Rückgrat, das sie hinter den Scheiben der Tür
festnagelte, wenn sie dort ausspionierte, was
Rotznasen nichts angeht.
»Los, steh auf«, sagte ihre Mutter leise zu ihr.
»Ich will nicht, daß du hierbleibst.«
Widerwillig ließ sie sich aus dem Bett gleiten,
wandte dabei den Kopf und ließ die Tote nicht
aus den Augen. Sie war Gervaise sehr im
Wege, da diese nicht wußte, wo sie sie bis zum
Tagesanbruch hinstecken sollte. Sie beschloß,
sie sich anziehen zu lassen, als sich Lantier in
Hose und Pantoffeln zu ihr gesellte; er konnte
nicht mehr schlafen, er schämte sich ein wenig
wegen seines Benehmens. Nun ging alles in
Ordnung.
»Soll sie sich in mein Bett legen«, flüsterte er.
»Da hat sie Platz.«
Nana blickte mit ihren großen hellen Augen zu
ihrer Mutter und zu Lantier hoch und setzte
ihre dumme Miene auf, ihre Miene vom
Neujahrstag,
wenn
man
ihr
Schokoladenplätzchen schenkte. Und man
brauchte sie bestimmt nicht zu drängen; sie
trabte im Hemd los, ihre nackten Füßchen
streiften kaum den Fliesenfußboden. Wie eine
Natter schlüpfte sie in das Bett, das noch ganz
warm war, und lang ausgestreckt blieb sie
darin liegen, hatte sich verkrochen, und ihr
schmächtiger Körper bauschte kaum die
Bettdecke auf. Ihre Mutter sah jedesmal, wenn
sie hereinkam, daß sie mit leuchtenden Augen
in dem stummen Gesicht dalag, nicht schlief,
sich nicht rührte, ganz rot war und über allerlei
Dinge nachzudenken schien.
Unterdessen hatte Lantier Gervaise geholfen,
Mama Coupeau anzukleiden; und das war
keine leichte Arbeit, denn die Tote hatte ihr
Gewicht. Niemals hätte man geglaubt, daß
diese Alte da so fett und weiß war. Sie hatten
ihr Strümpfe angezogen, einen weißen
Unterrock, eine Unterjacke, und eine Haube
aufgesetzt, kurz, ihre beste Wäsche. Coupeau
schnarchte noch immer, zwei Töne, der eine
tief und abfallend, der andere scharf und
ansteigend; man hätte meinen können, es sei
Kirchenmusik, die die Karfreitagszeremonien
begleitete. So goß sich Lantier, als die Tote
angekleidet war und sauber auf ihrem Bett
ausgestreckt dalag, denn auch ein Glas Wein
ein, um sich zu erholen, denn ihm drehte sich
der Magen um. Gervaise wühlte in der
Kommode herum und suchte ein kleines
kupfernes Kruzifix, das sie aus Plassans
mitgebracht hatte; aber sie erinnerte sich, daß
Mama Coupeau es wohl selber verkauft hatte.
Sie hatten Feuer im Ofen gemacht. Den Rest
der Nacht verbrachten sie halb schlafend auf
Stühlen und tranken dabei die angebrochene
Literflasche aus, waren verärgert und
schmollten miteinander, als seien sie daran
schuld.
Vor Tagesanbruch, gegen sieben Uhr wachte
Coupeau endlich auf. Als
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