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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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sich
    vollständig an.
    Da kuschelte er sich wieder unter die
    Bettdecke, mit der Nase zur Wand, und redete
    dabei von dem verdammten Dickkopf der
    Frauen. Sei es denn eilig, den Leuten zu
    verkünden, daß ein Toter in der Wohnung sei?
    Da sei mitten in der Nacht nichts Lustiges bei;
    und er war aufgebracht, daß sein Schlaf durch
    finstere Gedanken verdorben wurde.
    Unterdessen setzte sie sich, als sie ihre Sachen,
    sogar ihre Haarnadeln, in ihre Stube
    zurückgeschafft hatte, dort hin, schluchzte
    leise und fürchtete nicht mehr, mit dem
    Hutmacher überrascht zu werden. Im Grunde
    mochte sie Mama Coupeau sehr gern, sie
    empfand heftigen Kummer, nachdem sie im
    ersten Augenblick nur Angst und Verdruß
    verspürt hatte, als sie sah, was für eine
    schlechte Stunde Mama Coupeau wählte, um
    dahinzugehen. Und ganz allein, weinte sie sehr
    laut in der Stille, ohne daß der Bauklempner
    aufhörte zu schnarchen; er hörte nichts, sie
    hatte ihn gerufen und gerüttelt, dann hatte sie
    sich entschlossen, ihn in Ruhe zu lassen,
    wobei sie überlegte, daß es neue
    Ungelegenheiten geben würde, wenn er
    aufwachte. Als sie zu der Leiche zurückkehrte,
    fand sie Nana aufrecht im Bett sitzen, wie sie
    sich die Augen rieb. Die Kleine begriff,
    machte in ihrer Neugier, der Neugier einer
    lasterhaften Göre, einen langen Hals, um ihre
    Großmutter besser zu sehen; sie sagte nichts,
    sie zitterte ein bißchen, war verwundert und
    befriedigt angesichts dieses Todes, den sie seit
    zwei Tagen erhoffte wie eine verworfene
    Sache, die den Kindern verheimlicht und
    verboten wird; und vor dieser weißen Maske,
    die durch den Leidensweg des Lebens beim
    letzten Seufzer spitz geworden war, weiteten
    sich ihre Pupillen, die Pupillen einer jungen
    Katze, und sie hatte jenes taube Gefühl im
    Rückgrat, das sie hinter den Scheiben der Tür
    festnagelte, wenn sie dort ausspionierte, was
    Rotznasen nichts angeht.
    »Los, steh auf«, sagte ihre Mutter leise zu ihr.
    »Ich will nicht, daß du hierbleibst.«
    Widerwillig ließ sie sich aus dem Bett gleiten,
    wandte dabei den Kopf und ließ die Tote nicht

aus den Augen. Sie war Gervaise sehr im
    Wege, da diese nicht wußte, wo sie sie bis zum
    Tagesanbruch hinstecken sollte. Sie beschloß,
    sie sich anziehen zu lassen, als sich Lantier in
    Hose und Pantoffeln zu ihr gesellte; er konnte
    nicht mehr schlafen, er schämte sich ein wenig
    wegen seines Benehmens. Nun ging alles in
    Ordnung.
    »Soll sie sich in mein Bett legen«, flüsterte er.
    »Da hat sie Platz.«
    Nana blickte mit ihren großen hellen Augen zu
    ihrer Mutter und zu Lantier hoch und setzte
    ihre dumme Miene auf, ihre Miene vom
    Neujahrstag,

    wenn

    man

    ihr
    Schokoladenplätzchen schenkte. Und man
    brauchte sie bestimmt nicht zu drängen; sie
    trabte im Hemd los, ihre nackten Füßchen
    streiften kaum den Fliesenfußboden. Wie eine
    Natter schlüpfte sie in das Bett, das noch ganz
    warm war, und lang ausgestreckt blieb sie
    darin liegen, hatte sich verkrochen, und ihr
    schmächtiger Körper bauschte kaum die
    Bettdecke auf. Ihre Mutter sah jedesmal, wenn
    sie hereinkam, daß sie mit leuchtenden Augen
    in dem stummen Gesicht dalag, nicht schlief,
    sich nicht rührte, ganz rot war und über allerlei
    Dinge nachzudenken schien.
    Unterdessen hatte Lantier Gervaise geholfen,
    Mama Coupeau anzukleiden; und das war
    keine leichte Arbeit, denn die Tote hatte ihr
    Gewicht. Niemals hätte man geglaubt, daß
    diese Alte da so fett und weiß war. Sie hatten
    ihr Strümpfe angezogen, einen weißen
    Unterrock, eine Unterjacke, und eine Haube
    aufgesetzt, kurz, ihre beste Wäsche. Coupeau
    schnarchte noch immer, zwei Töne, der eine
    tief und abfallend, der andere scharf und
    ansteigend; man hätte meinen können, es sei
    Kirchenmusik, die die Karfreitagszeremonien
    begleitete. So goß sich Lantier, als die Tote
    angekleidet war und sauber auf ihrem Bett
    ausgestreckt dalag, denn auch ein Glas Wein
    ein, um sich zu erholen, denn ihm drehte sich
    der Magen um. Gervaise wühlte in der
    Kommode herum und suchte ein kleines
    kupfernes Kruzifix, das sie aus Plassans
    mitgebracht hatte; aber sie erinnerte sich, daß
    Mama Coupeau es wohl selber verkauft hatte.
    Sie hatten Feuer im Ofen gemacht. Den Rest
    der Nacht verbrachten sie halb schlafend auf
    Stühlen und tranken dabei die angebrochene
    Literflasche aus, waren verärgert und
    schmollten miteinander, als seien sie daran
    schuld.
    Vor Tagesanbruch, gegen sieben Uhr wachte
    Coupeau endlich auf. Als

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