Der Todschlaeger
habe mir die Zahlen nur
zu Ihrer Orientierung verschafft ... Sagen Sie
mir, was Sie wünschen; nach dem Mittagessen
gehe ich die Bestellung aufgeben.«
Man sprach halblaut in dem Tagesgrauen, das
durch die Ritzen der Fensterläden den Raum
erhellte. Die Tür zur Kammer blieb weit offen;
und aus dieser gähnenden Öffnung drang das
tiefe Schweigen des Todes. Auf dem Hof
erhob sich Kindergelächter, ein Reigen von
Gören drehte sich in der blassen Wintersonne.
Auf einmal hörte man Nana, die von den
Boches, zu denen man sie hingeschickt hatte,
ausgerückt war. Sie kommandierte mit ihrer
schrillen Stimme, und die Absätze stampften
auf die Pflastersteine, während mit dem
Spektakel kreischender Vögel die Worte
aufflogen, die gesungen wurden:
»Unserm Esel, unserm Esel,
dem tut die Pfote weh,
ein schönes Wiwawickelchen
kriegt er gemacht aus Klee,
und lilalala Schuh,
und lila Schuh dazu!«
Gervaise wartete und sagte dann:
»Wir sind nicht reich, bestimmt nicht; aber wir
wollen uns doch noch mal anständig
benehmen ... Wenn Mama Coupeau uns auch
nichts hinterlassen hat, so ist das kein Grund,
sie wie einen Hund in die Erde zu werfen ...
Nein, eine Messe muß sein und samt einem
einigermaßen netten Leichenwagen ...«
»Und wer soll das bezahlen?« fragte Frau
Lorilleux heftig. »Wir nicht, die wir in der
letzten Woche Geld verloren haben; Sie auch
nicht, da Sie ja ratzekahl blank sind ... Ach,
Sie müßten doch sehen, wohin es Sie geführt
hat, wenn man den Leuten zu imponieren
sucht!«
Coupeau, der um seine Meinung gefragt
wurde, stotterte mit einer Gebärde tiefer
Gleichgültigkeit herum; er schlief wieder ein
auf seinem Stuhl. Frau Lerat sagte, sie würde
ihren Anteil bezahlen. Sie sei Gervaises
Ansicht, man müsse sich anständig zeigen.
Nun stellten sie beide auf einem Stückchen
Papier Berechnungen an: im ganzen würde
sich das ungefähr auf neunzig Francs belaufen,
weil sie sich nach einer langen
Auseinandersetzung für einen mit schmalen
Behängen geschmückten Leichenwagen
entschieden.
»Wir sind drei«, schloß die Wäscherin. »Wir
werden jede dreißig Francs gehen. Daran
gehen wir nicht zugrunde.«
Frau Lorilleux aber platzte wütend los:
»Also, ich weigere mich, ja, ich weigere mich!
– Es ist nicht wegen der dreißig Francs.
Hunderttausend würde ich geben, wenn ich sie
hätte und wenn sie Mama wieder lebendig
machen sollten ... Bloß, ich kann hochmütige
Leute nicht leiden. Sie haben einen Laden, Sie
träumen davon, vor dem Viertel zu prahlen.
Aber da machen wir nicht mit, wir nicht. Wir
geben nicht an ... Oh, Sie werden schon
zurechtkommen. Stecken Sie doch Federn auf
den Leichenwagen, wenn es Ihnen Spaß
macht.«
»Man verlangt ja nichts von Ihnen«, erwiderte
Gervaise schließlich. »Und wenn ich mich
selber verkaufen müßte, ich will mir keinen
Vorwurf zu machen haben. Ich habe Mama
Coupeau ohne Sie ernährt, ich werde sie auch
ohne Sie beerdigen ... Schon einmal habe ich
es Ihnen geradeheraus gesagt: wenn ich
verirrte Katzen auflese, dann werde ich ja Ihre
Mutter nicht im Dreck sitzenlassen.«
Nun weinte Frau Lorilleux, und Lantier mußte
sie daran hindern, fortzugehen. Der Streit
wurde so lärmend, daß Frau Lerat, die
energisch »Pst! Pst!« machte, glaubte leise in
den Nebenraum gehen zu müssen, um einen
ärgerlichen und besorgten Blick auf die Tote
zu werfen, als fürchte sie, Mama Coupeau sei
aufgewacht und horche auf das, was man
nebenan erörterte.
In diesem Augenblick setzte der Reigen der
kleinen Mädchen auf dem Hof wieder ein, und
Nanas durchdringendes dünnes Stimmchen
übertönte die anderen:
»Unserm Esel, unserm Esel,
dem tut der Bauch so weh,
ein schönes Bribrabreichen
kriegt er gemacht aus Klee,
und lilalala Schuh,
und lila Schuh dazu!«
»Mein Gott, diese Kinder machen einen ja
schwach mit ihrem Gesinge!« sagte Gervaise
zu Lantier, ganz erschüttert und nahe daran,
vor Ungeduld und Traurigkeit zu schluchzen.
»Bringen Sie sie doch zum Schweigen und
schaffen Sie Nana mit Fußtritten in den Po zur
Concierge zurück!«
Frau Lerat und Frau Lorilleux gingen Mittag
essen und versprachen wiederzukommen. Die
Coupeaus setzten sich zu Tisch und aßen
kalten Aufschnitt, hatten aber keinen Hunger
und wagten nicht einmal, mit der Gabel zu
klappern. Sie waren sehr verdrossen,
stumpfsinnig, wegen der armen Mama
Coupeau, die ihnen auf den Schultern lastete
und alle Räume
Weitere Kostenlose Bücher