Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
Vom Netzwerk:
finde man Gefallen daran. Aber als
    man beim Nachtisch angelangt war, ließ man
    sich Zeit, von einem Bedürfnis nach
    Behaglichkeit befallen. Zuweilen stand
    Gervaise oder eine der beiden Schwestern mit
    vollem Mund auf und warf einen Blick in die
    Kammer, ohne auch nur die Serviette
    loszulassen; und wenn sie sich wieder setzte
    und ihren Happen aufaß, schauten die anderen
    sie eine Sekunde lang an, um zu sehen, ob
    nebenan auch alles in Ordnung sei. Dann
    ließen sich die Damen seltener stören, Mama
    Coupeau wurde vergessen. Man hatte einen
    Kübel voll Kaffee gekocht, und zwar sehr
    starken, um sich die ganze Nacht wach zu
    halten. Gegen acht Uhr kamen die Poissons.
    Man lud sie ein, ein Glas Kaffee mitzutrinken.
    Da schien Lantier, der Gervaises Gesicht
    belauerte, eine Gelegenheit zu ergreifen, auf
    die er seit dem Morgen gewartet hatte. Als von
    der Schmutzigkeit der Hausbesitzer die Rede
    war, die Häuser, in denen ein Toter lag,
    betraten, um Geld zu verlangen, sagte er jäh:
    »So ein Jesuit, dieser Dreckskerl, der aussieht,
    als ob er bei der Messe ministriert! – Ich an
    Ihrer Stelle würde ihm aber seinen Laden
    hinschmeißen.«
    Gervaise, die kreuzlahm vor Müdigkeit,
    schlaff und kraftlos war und sich überhaupt
    nicht mehr zusammennahm, antwortete:
    »Ja, ich werde bestimmt nicht auf die
    Gerichtsbeamten warten ... Ach, ich habe es
    satt bis oben hin, bis oben hin.«
    Die Lorilleux freuten sich bei dem Gedanken,
    daß Hinkebein kein Geschäft mehr haben
    würde, und pflichteten ihr völlig bei. Man
    ahne ja nicht, was ein Laden koste. Wenn sie
    bei den anderen auch nur drei Francs verdiene,
    so habe sie doch wenigstens keine Unkosten
    und riskiere es nicht, große Summen
    einzubüßen. Sie brachten Coupeau dazu,
    dieses Argument zu wiederholen, indem sie
    ihm zusetzten; er trank viel, er verharrte in
    ständiger Rührung und weinte vor sich hin auf
    seinen Teller. Als es den Anschein hatte, die
    Wäscherin lasse sich überzeugen, blinzelte
    Lantier den Poissons zu. Und die lange
    Virginie griff ein und gab sich sehr
    liebenswürdig.
    »Wissen Sie, man könnte sich doch
    verständigen. Ich würde den Pachtvertrag
    übernehmen, ich würde Ihre Angelegenheit
    mit dem Hausbesitzer in Ordnung bringen ...
    Da hätten Sie doch wenigstens endlich mehr
    Ruhe.«
    »Nein, danke«, erklärte Gervaise, die sich
    schüttelte, als sei sie von einem Schauder
    gepackt. »Ich weiß schon, wo ich die Miete
    auftreibe, wenn ich will. Ich werde arbeiten;
    ich habe ja Gott sei Dank meine beiden Arme,
    um mir aus der Verlegenheit zu helfen.«
    »Darüber kann man ja später reden«, beeilte
    sich der Hutmacher zu sagen. »Heute abend
    schickt es sich nicht ... Später, morgen zum
    Beispiel.«
    In diesem Augenblick stieß Frau Lerat, die in
    die Kammer gegangen war, einen leichten
    Schrei aus. Sie hatte Angst bekommen, weil
    sie sah, daß die Kerze, die bis zum Ende
    heruntergebrannt war, ausgegangen war. Alle
    kümmerten sich darum, wieder eine neue
    anzuzünden; und man schüttelte den Kopf und
    sagte immer wieder, es sei kein gutes Zeichen,
    wenn das Licht bei einem Toten ausgehe.
    Die Nachtwache begann. Coupeau hatte sich
    langgelegt, nicht, um zu schlafen, wie er sagte,
    sondern, um nachzudenken; und fünf Minuten
    später schnarchte er. Als man Nana zu den
    Boches schlafen schickte, weinte sie; seit dem
    Morgen ergötzte sie sich in der Hoffnung, es
    in dem großen Bett ihres Busenfreundes
    Lantier schön warm zu haben. Die Poissons
    blieben bis Mitternacht. Man hatte schließlich
    in einer Salatschüssel Glühwein gemacht, da
    der Kaffee die Damen zu sehr aufregte. Das
    Gespräch wandte sich gefühlvollen Ergüssen
    zu. Virginie sprach vom Lande: sie möchte
    gern an einer Waldesecke begraben werden,
    mit Feldblumen auf dem Grab. Frau Lerat
    bewahrte in ihrem Schrank schon das Laken
    auf, in das man ihre Leiche einhüllen sollte,
    und sie parfümierte es stets mit einem Strauß
    Lavendel; sie lege Wert darauf, einen guten
    Geruch unter der Nase zu haben, wenn sie sich
    die Butterblumen von unten ansehen solle.
    Dann erzählte der Polizist ohne Übergang, er
    habe am Vormittag ein schönes großes
    Mädchen verhaftet, das gerade im Laden eines
    Schweineschlächters gestohlen hatte; als man
    es beim Kommissar auszog, habe man zehn
    Würste bei ihm gefunden, die rings um den
    Leib hingen, vorn und hinten. Und als Frau
    Lorilleux mit einem Ausdruck des Ekels
    gesagt hatte, sie würde von diesen Würsten
    nichts essen,

Weitere Kostenlose Bücher