Der Todschlaeger
finde man Gefallen daran. Aber als
man beim Nachtisch angelangt war, ließ man
sich Zeit, von einem Bedürfnis nach
Behaglichkeit befallen. Zuweilen stand
Gervaise oder eine der beiden Schwestern mit
vollem Mund auf und warf einen Blick in die
Kammer, ohne auch nur die Serviette
loszulassen; und wenn sie sich wieder setzte
und ihren Happen aufaß, schauten die anderen
sie eine Sekunde lang an, um zu sehen, ob
nebenan auch alles in Ordnung sei. Dann
ließen sich die Damen seltener stören, Mama
Coupeau wurde vergessen. Man hatte einen
Kübel voll Kaffee gekocht, und zwar sehr
starken, um sich die ganze Nacht wach zu
halten. Gegen acht Uhr kamen die Poissons.
Man lud sie ein, ein Glas Kaffee mitzutrinken.
Da schien Lantier, der Gervaises Gesicht
belauerte, eine Gelegenheit zu ergreifen, auf
die er seit dem Morgen gewartet hatte. Als von
der Schmutzigkeit der Hausbesitzer die Rede
war, die Häuser, in denen ein Toter lag,
betraten, um Geld zu verlangen, sagte er jäh:
»So ein Jesuit, dieser Dreckskerl, der aussieht,
als ob er bei der Messe ministriert! – Ich an
Ihrer Stelle würde ihm aber seinen Laden
hinschmeißen.«
Gervaise, die kreuzlahm vor Müdigkeit,
schlaff und kraftlos war und sich überhaupt
nicht mehr zusammennahm, antwortete:
»Ja, ich werde bestimmt nicht auf die
Gerichtsbeamten warten ... Ach, ich habe es
satt bis oben hin, bis oben hin.«
Die Lorilleux freuten sich bei dem Gedanken,
daß Hinkebein kein Geschäft mehr haben
würde, und pflichteten ihr völlig bei. Man
ahne ja nicht, was ein Laden koste. Wenn sie
bei den anderen auch nur drei Francs verdiene,
so habe sie doch wenigstens keine Unkosten
und riskiere es nicht, große Summen
einzubüßen. Sie brachten Coupeau dazu,
dieses Argument zu wiederholen, indem sie
ihm zusetzten; er trank viel, er verharrte in
ständiger Rührung und weinte vor sich hin auf
seinen Teller. Als es den Anschein hatte, die
Wäscherin lasse sich überzeugen, blinzelte
Lantier den Poissons zu. Und die lange
Virginie griff ein und gab sich sehr
liebenswürdig.
»Wissen Sie, man könnte sich doch
verständigen. Ich würde den Pachtvertrag
übernehmen, ich würde Ihre Angelegenheit
mit dem Hausbesitzer in Ordnung bringen ...
Da hätten Sie doch wenigstens endlich mehr
Ruhe.«
»Nein, danke«, erklärte Gervaise, die sich
schüttelte, als sei sie von einem Schauder
gepackt. »Ich weiß schon, wo ich die Miete
auftreibe, wenn ich will. Ich werde arbeiten;
ich habe ja Gott sei Dank meine beiden Arme,
um mir aus der Verlegenheit zu helfen.«
»Darüber kann man ja später reden«, beeilte
sich der Hutmacher zu sagen. »Heute abend
schickt es sich nicht ... Später, morgen zum
Beispiel.«
In diesem Augenblick stieß Frau Lerat, die in
die Kammer gegangen war, einen leichten
Schrei aus. Sie hatte Angst bekommen, weil
sie sah, daß die Kerze, die bis zum Ende
heruntergebrannt war, ausgegangen war. Alle
kümmerten sich darum, wieder eine neue
anzuzünden; und man schüttelte den Kopf und
sagte immer wieder, es sei kein gutes Zeichen,
wenn das Licht bei einem Toten ausgehe.
Die Nachtwache begann. Coupeau hatte sich
langgelegt, nicht, um zu schlafen, wie er sagte,
sondern, um nachzudenken; und fünf Minuten
später schnarchte er. Als man Nana zu den
Boches schlafen schickte, weinte sie; seit dem
Morgen ergötzte sie sich in der Hoffnung, es
in dem großen Bett ihres Busenfreundes
Lantier schön warm zu haben. Die Poissons
blieben bis Mitternacht. Man hatte schließlich
in einer Salatschüssel Glühwein gemacht, da
der Kaffee die Damen zu sehr aufregte. Das
Gespräch wandte sich gefühlvollen Ergüssen
zu. Virginie sprach vom Lande: sie möchte
gern an einer Waldesecke begraben werden,
mit Feldblumen auf dem Grab. Frau Lerat
bewahrte in ihrem Schrank schon das Laken
auf, in das man ihre Leiche einhüllen sollte,
und sie parfümierte es stets mit einem Strauß
Lavendel; sie lege Wert darauf, einen guten
Geruch unter der Nase zu haben, wenn sie sich
die Butterblumen von unten ansehen solle.
Dann erzählte der Polizist ohne Übergang, er
habe am Vormittag ein schönes großes
Mädchen verhaftet, das gerade im Laden eines
Schweineschlächters gestohlen hatte; als man
es beim Kommissar auszog, habe man zehn
Würste bei ihm gefunden, die rings um den
Leib hingen, vorn und hinten. Und als Frau
Lorilleux mit einem Ausdruck des Ekels
gesagt hatte, sie würde von diesen Würsten
nichts essen,
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