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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Werkstatt zu fehlen. Du meine Güte, war
    das komisch. RöstfleischBibi und
    MeineBotten, die sich vor Lachen die Seiten
    hielten, versetzten Gervaise, die schließlich
    gleichsam gekitzelt und unwillkürlich fidel
    war, Klapse auf die Schultern; und sie rieten
    ihr, es der dicken Eulalie nachzumachen, ihre
    Eisen mitzubringen und Coupeaus Ohren auf
    der Theke der Kneipwirte zu bügeln.
    »Na, ich danke«, schrie Coupeau, der das von
    seiner Frau ausgetrunkene Glas Anisette
    umdrehte, »du pumpst dir das ja ganz schön
    rein! Seht doch mal, ihr Sippschaft, die fackelt
    nicht lange.«
    »Möchte Madame noch einen?« fragte
    Salzschnabel, genannt Trinkohndurst.
    Nein, sie habe genug. Sie zögerte jedoch. Vom
    Anisette wurde ihrem Leib speiübel. Sie hätte
    lieber etwas Hartes getrunken, um sich den
    Magen zu kurieren. Und sie warf verstohlene
    Blicke auf die Besaufmaschine hinter ihr.
    Dieser verdammte Kochkessel, der rund war
    wie der Bauch einer fetten
    Kupferwarenhändlerin, mit seiner Nase, die
    sich vorreckte und wackelte, blies ihr einen
    Schauder in den Nacken, eine mit Verlangen
    gemischte Angst. Ja, man hätte meinen
    können, es sei das metallene Geschlinge eines
    großen Lotterweibs, irgendeiner Hexe, die
    Tropfen für Tropfen das Feuer aus ihren
    Eingeweiden fahrenließ. Eine hübsche
    Giftquelle, ein Vorgang, den man in einem
    Keller hätte begraben sollen, so unverschämt
    und abscheulich war er! Aber demungeachtet
    hätte sie ihre Nase da hineinstecken, den
    Geruch hochziehen und die Schweinerei
    probieren mögen, selbst wenn sich ihre
    verbrannte Zunge mit einem Schlag wie eine
    Apfelsine abschälen sollte.
    »Was trinkt ihr denn da?« fragte sie
    hinterhältig die Männer, deren Gläser mit ihrer
    schönen Goldfarbe ihr Auge entflammten.
    »Das, Alte«, erwiderte Coupeau, »das ist Papa
    Colombes Kampfer ... Sei kein Frosch, nicht
    wahr? Wir werden dich davon kosten lassen.«
    Und als man ihr ein Glas Sprit gebracht hatte
    und sich ihr Kiefer beim ersten Schluck
    zusammenzog, fuhr der Bauklempner, sich auf
    die Schenkel klatschend, fort: »Das hobelt dir
    die Kehle aus, was! – Schluck's auf einen Zug.
    Jede Lage zieht dem Arzt einen Kronentaler
    aus der Tasche.«
    Beim zweiten Glas spürte Gervaise den
    Hunger, der sie quälte, nicht mehr. Nun war
    sie ausgesöhnt mit Coupeau, sie war ihm nicht
    mehr böse wegen seines Wortbruchs. Sie
    konnten ja ein andermal in den Zirkus gehen;
    Gaukler, die auf Pferden galoppierten, das war
    gar nicht so drollig. Bei Vater Colombe
    regnete es nicht, und wenn der Lohn auch zu
    blauem Zwirn zerrann, so goß man ihn sich
    doch wenigstens in den Wanst, man trank ihn
    klar und glänzend wie flüssiges Gold. Ach, die
    Leute sollten ihr doch den Buckel
    runterrutschen! Das Leben bot ihr nicht so
    viele Vergnügen; außerdem erschien es ihr wie
    ein Trost, zur Hälfte beim Verpulvern des
    Geldes beteiligt zu sein. Warum sollte sie denn
    nicht bleiben, wo sie sich doch wohl fühlte?
    Man konnte eine Kanone abschießen, sie
    mochte sich nicht mehr rühren, wenn sie sich
    erst einmal hingehockt hatte. Ihr Leibchen
    klebte ihr auf dem Rücken; von einem
    Wohlbehagen überkommen, bei dem ihr die
    Glieder einschliefen, schmorte sie in
    angenehmer Wärme. Sie war stillvergnügt,
    hatte die Ellbogen auf dem Tisch, die Augen
    gedankenverloren, ergötzte sich köstlich über
    zwei Kunden, einen dicken plumpen Kerl und
    einen Knirps an einem Nachbartisch, die im
    Begriff waren, sich herzlich zu küssen, so blau
    waren sie. Ja, sie lachte dem »Totschläger« zu,
    Vater Colombes Vollmondgesicht, einer
    richtigen Blase aus Schweineschmalz, den
    Gästen, die ihre Stummelpfeife rauchten,
    schrien und spuckten, den großen Flammen
    der Gasbeleuchtung, die die Spiegel und
    Likörflaschen in Brand setzten. Der Geruch
    war ihr nicht mehr lästig; im Gegenteil, sie
    spürte Kitzeln in der Nase, sie fand, daß das
    gut roch; ihre Lider schlossen sich ein wenig,
    während sie kurz, ohne Beklemmung atmete
    und dabei die Wonne der schleichenden
    Schläfrigkeit genoß, die sie befallen hatte.
    Nach ihrem dritten Gläschen ließ sie dann ihr
    Kinn auf ihre Hände sinken und sah nur noch
    Coupeau und die Kumpel; und sie verharrte
    ganz dicht, Nase an Nase, mit ihnen, die
    Wangen von ihrem Atem erhitzt, und
    betrachtete ihre dreckigen Bärte, als habe sie
    deren Haare gezählt. Sie waren jetzt sehr
    besoffen. MeineBotten sabberte, hatte die
    Pfeife zwischen den Zähnen und sah stumm
    und ernst aus

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