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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Abend
    gedeckte Tische sehen, die auf die Familien
    warteten, während diese sich auf den
    Befestigungen Appetit holten. Eine Frau im
    dritten Stock verwendete den Tag dazu, ihre
    Stube zu scheuern, rollte ihr Bett hin und her,
    stieß ihre Möbel herum und sang stundenlang
    in sanftem und weinerlichem Tonfall dasselbe
    Lied. Und in der Ruhe der Gewerbe
    entspannen sich mitten auf dem leeren und
    hallenden Hof Federballpartien zwischen
    Nana, Pauline und anderen großen Mädchen.

Es waren ihrer fünf oder sechs, die zusammen
    aufgewachsen waren, die die Königinnen des
    Hauses wurden und die liebäugelnden Blicke
    der Herren unter sich teilten. Überquerte ein
    Mann den Hof, so stieg flötendes Gelächter
    auf, und das Rascheln ihrer gestärkten Röcke
    strich wie ein Windstoß vorüber. Über ihnen
    flammte die Feiertagsluft, glühend und
    schwül, gleichsam erschlafft vor Trägheit und
    weiß geworden vom Staub der Promenaden.
    Die Federballpartien waren aber nur ein
    Vorwand zum Entwischen.
    Jäh sank das Haus in tiefe Stille. Sie waren
    nämlich gerade auf die Straße entschlüpft und
    bis zu den äußeren Boulevards gelangt.
    Untergefaßt, die ganze Breite des Fahrdamms
    einnehmend, gingen nun alle sechs los, hell
    gekleidet, mit ihren um das bloße Haar
    geschlungenen Bändern. Ihre lebhaften Augen
    ließen verstohlene Blicke aus den
    zusammengekniffenen Winkeln der Lider
    gleiten, und sie sahen alles, sie bogen zum
    Lachen den Hals zurück und zeigten, wie
    üppig ihr Kinn war. Bei den schallenden
    Heiterkeitsausbrüchen, wenn ein Buckliger
    vorüberging oder eine alte Frau an den
    Prellsteinen auf ihren Hund wartete,
    zerschellte ihre Reihe, die einen blieben
    zurück, während die anderen sie ungestüm
    vorwärts zogen; und sie wiegten sich in den
    Hüften, plusterten sich auf, schlenkerten
    herum, bloß damit die Leute zusammenliefen
    und sie mit ihren aufblühenden Formen ihre
    Mieder krachen lassen konnten. Die Straße
    gehörte ihnen; hier waren sie auf gewachsen
    und hatten längs der Läden die Röcke
    hochgehoben; und hier rafften sie sie noch
    immer bis zu den Schenkeln, um ihre
    Strumpfbänder zu befestigen. Inmitten der
    trägen und fahlen Menge zwischen den dünnen
    Bäumen der Boulevards liefen sie so in
    heillosem Durcheinander von der Barrière
    Rochechouart zur Barrière SaintDenis,
    rempelten dabei die Leute an, durchbrachen im
    Zickzack die Gruppen, drehten sich um und
    ließen beim Feuerwerk ihres Lachens
    Bemerkungen vom Stapel. Und ihre
    auffliegenden Kleider ließen den Eindruck
    ihrer jugendlichen Unverschämtheit hinter sich
    zurück; sie stellten sich unter freiem Himmel
    im grellen Licht zur Schau mit der unflätigen
    Grobheit von Rowdys, begehrenswert und zart
    wie Jungfrauen, die mit triefendem Nacken
    aus dem Bade kommen.
    Nana nahm mit ihrem rosa Kleid, das in der
    Sonne entbrannte, die Mitte ein. Sie reichte
    Pauline den Arm, deren mit Flämmchen
    bestepptes Kleid – gelbe Blumen auf weißem
    Grund – ebenfalls flammte. Und da sie beide
    die üppigsten, die fraulichsten und die
    frechsten waren, führten sie die Schar an,
    warfen sie sich in die Brust unter den Blicken
    und Komplimenten. Die anderen, die Gören,
    bildeten rechts und links einen Nachtrab und
    suchten sich aufzublasen, um ernst genommen
    zu werden. Nana und Pauline hatten im
    Grunde sehr verwickelte Pläne koketter Listen.
    Wenn sie liefen, daß sie außer Atem kamen, so
    geschah es bloß, um ihre weißen Strümpfe zu
    zeigen und die Bänder ihrer Haarknoten
    flattern zu lassen. Blieben sie dann stehen und
    taten mit herausgepreßtem und wogendem
    Busen so, als bekämen sie keine Luft, dann
    konnte man sich umsehen: es war bestimmt
    einer ihrer Bekannten in der Nähe, irgendein
    Bursche aus dem Viertel, dann schritten sie
    schmachtend dahin, flüsterten und lachten
    dabei untereinander und spähten mit
    heimlichen Blicken umher. Sie verdufteten vor
    allem wegen dieser zufälligen Begegnungen
    inmitten des Gedränges auf dem Fahrdamm.
    Sonntäglich gekleidete große Burschen mit
    Jacken und runden Hüten hielten sie einen
    Augenblick am Rand des Rinnsteins auf,
    machten Witze und wollten sie in die Taille
    kneifen. Zwanzigjährige Arbeiter, die in
    grauen Kitteln frei Plauze gingen, plauderten
    gemächlich mit ihnen, hatten die Arme dabei
    verschränkt und bliesen ihnen den Rauch ihrer
    Stummelpfeifen ins Gesicht. Das hatte nichts
    weiter auf sich, diese Bengel waren
    gleichzeitig mit ihnen auf dem

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