Der Todschlaeger
Abend
gedeckte Tische sehen, die auf die Familien
warteten, während diese sich auf den
Befestigungen Appetit holten. Eine Frau im
dritten Stock verwendete den Tag dazu, ihre
Stube zu scheuern, rollte ihr Bett hin und her,
stieß ihre Möbel herum und sang stundenlang
in sanftem und weinerlichem Tonfall dasselbe
Lied. Und in der Ruhe der Gewerbe
entspannen sich mitten auf dem leeren und
hallenden Hof Federballpartien zwischen
Nana, Pauline und anderen großen Mädchen.
Es waren ihrer fünf oder sechs, die zusammen
aufgewachsen waren, die die Königinnen des
Hauses wurden und die liebäugelnden Blicke
der Herren unter sich teilten. Überquerte ein
Mann den Hof, so stieg flötendes Gelächter
auf, und das Rascheln ihrer gestärkten Röcke
strich wie ein Windstoß vorüber. Über ihnen
flammte die Feiertagsluft, glühend und
schwül, gleichsam erschlafft vor Trägheit und
weiß geworden vom Staub der Promenaden.
Die Federballpartien waren aber nur ein
Vorwand zum Entwischen.
Jäh sank das Haus in tiefe Stille. Sie waren
nämlich gerade auf die Straße entschlüpft und
bis zu den äußeren Boulevards gelangt.
Untergefaßt, die ganze Breite des Fahrdamms
einnehmend, gingen nun alle sechs los, hell
gekleidet, mit ihren um das bloße Haar
geschlungenen Bändern. Ihre lebhaften Augen
ließen verstohlene Blicke aus den
zusammengekniffenen Winkeln der Lider
gleiten, und sie sahen alles, sie bogen zum
Lachen den Hals zurück und zeigten, wie
üppig ihr Kinn war. Bei den schallenden
Heiterkeitsausbrüchen, wenn ein Buckliger
vorüberging oder eine alte Frau an den
Prellsteinen auf ihren Hund wartete,
zerschellte ihre Reihe, die einen blieben
zurück, während die anderen sie ungestüm
vorwärts zogen; und sie wiegten sich in den
Hüften, plusterten sich auf, schlenkerten
herum, bloß damit die Leute zusammenliefen
und sie mit ihren aufblühenden Formen ihre
Mieder krachen lassen konnten. Die Straße
gehörte ihnen; hier waren sie auf gewachsen
und hatten längs der Läden die Röcke
hochgehoben; und hier rafften sie sie noch
immer bis zu den Schenkeln, um ihre
Strumpfbänder zu befestigen. Inmitten der
trägen und fahlen Menge zwischen den dünnen
Bäumen der Boulevards liefen sie so in
heillosem Durcheinander von der Barrière
Rochechouart zur Barrière SaintDenis,
rempelten dabei die Leute an, durchbrachen im
Zickzack die Gruppen, drehten sich um und
ließen beim Feuerwerk ihres Lachens
Bemerkungen vom Stapel. Und ihre
auffliegenden Kleider ließen den Eindruck
ihrer jugendlichen Unverschämtheit hinter sich
zurück; sie stellten sich unter freiem Himmel
im grellen Licht zur Schau mit der unflätigen
Grobheit von Rowdys, begehrenswert und zart
wie Jungfrauen, die mit triefendem Nacken
aus dem Bade kommen.
Nana nahm mit ihrem rosa Kleid, das in der
Sonne entbrannte, die Mitte ein. Sie reichte
Pauline den Arm, deren mit Flämmchen
bestepptes Kleid – gelbe Blumen auf weißem
Grund – ebenfalls flammte. Und da sie beide
die üppigsten, die fraulichsten und die
frechsten waren, führten sie die Schar an,
warfen sie sich in die Brust unter den Blicken
und Komplimenten. Die anderen, die Gören,
bildeten rechts und links einen Nachtrab und
suchten sich aufzublasen, um ernst genommen
zu werden. Nana und Pauline hatten im
Grunde sehr verwickelte Pläne koketter Listen.
Wenn sie liefen, daß sie außer Atem kamen, so
geschah es bloß, um ihre weißen Strümpfe zu
zeigen und die Bänder ihrer Haarknoten
flattern zu lassen. Blieben sie dann stehen und
taten mit herausgepreßtem und wogendem
Busen so, als bekämen sie keine Luft, dann
konnte man sich umsehen: es war bestimmt
einer ihrer Bekannten in der Nähe, irgendein
Bursche aus dem Viertel, dann schritten sie
schmachtend dahin, flüsterten und lachten
dabei untereinander und spähten mit
heimlichen Blicken umher. Sie verdufteten vor
allem wegen dieser zufälligen Begegnungen
inmitten des Gedränges auf dem Fahrdamm.
Sonntäglich gekleidete große Burschen mit
Jacken und runden Hüten hielten sie einen
Augenblick am Rand des Rinnsteins auf,
machten Witze und wollten sie in die Taille
kneifen. Zwanzigjährige Arbeiter, die in
grauen Kitteln frei Plauze gingen, plauderten
gemächlich mit ihnen, hatten die Arme dabei
verschränkt und bliesen ihnen den Rauch ihrer
Stummelpfeifen ins Gesicht. Das hatte nichts
weiter auf sich, diese Bengel waren
gleichzeitig mit ihnen auf dem
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