Der Todschlaeger
wie ein eingeschlummerter
Ochse. RöstfleischBibi erzählte eine
Geschichte, auf welche Weise er einen Liter
mit einem Zug austrinke, indem er der
Flasche, ohne sie mit den Lippen zu berühren,
einen solchen Kuß verpasse, daß man ihr
Hinterteil sehe.
Unterdessen hatte Salzschnabel, genannt
Trinkohndurst, die Drehscheibe vom
Schanktisch geholt und spielte mit Coupeau
um Getränke.
»Zweihundert! – Du bist gewieft, jedesmal
holst du die großen Nummern heraus.«
Die Feder der Drehscheibe knarrte, das Bild
der Fortuna, einer unter Glas gelegten, großen,
roten Frau, drehte sich und rief in der Mitte
nur noch einen runden Fleck hervor, der einem
Weinfleck glich.
»Dreihundertfünfzig! – Du bist wohl irgendwo
reingetreten, du verdammter Schlauberger!
Ach, verflixt, ich spiele nicht mehr!«
Und Gervaise interessierte sich für die
Drehscheibe. Sie soff, was das Zeug hielt, und
nannte Meine Botten »Mein Jungchen«. Hinter
ihr war die Besaufmaschine immer noch in
Betrieb mit dem Plätschern eines
unterirdischen Baches; sie gab die Hoffnung
auf, sie zum Stillstand und zum Versiegen
bringen zu können, war von einem dumpfen
Zorn auf sie gepackt und bekam Lust, auf den
großen Destillierkolben zu springen wie auf
ein Tier, um mit den Absätzen auf ihn
einzuhauen und ihm den Bauch aufzureißen.
Alles verwirrte sich, sie sah, wie die Maschine
sich bewegte, sie fühlte, daß ihre Kupfertatzen
sie gepackt hielten, während der Bach nun
durch ihren Leib floß.
Dann tanzte die Gaststube mit den Gaslampen,
die wie Sterne dahinzogen. Gervaise war
bekneipt. Sie hörte eine wütende
Auseinandersetzung zwischen Salzschnabel,
genannt Trinkohndurst, und Vater Colombe,
diesem vernagelten Kerl. So ein Spitzbube von
einem Wirt, der mit doppelter Kreide
anschreibe! Man sei doch nicht im Wald von
Bondy92. Aber jäh entstand ein Gedränge, ein
Gebrülle, ein Poltern von umgeworfenen
Tischen. Das war Vater Colombe, der die
Gesellschaft, ohne Umstände zu machen, im
Handumdrehen rausschmiß. Vor der Tür
schimpfte man auf ihn und nannte ihn einen
Lumpen. Es regnete immer noch, und ein
leichter eisiger Wind wehte. Gervaise verlor
Coupeau, fand ihn wieder und verlor ihn
abermals. Sie wollte nach Hause gehen, sie
tastete sich an den Läden entlang, um ihren
Weg zu erkennen. Sie war sehr verwundert
über diese jähe Nacht. An der Ecke der Rue
des Poissonniers setzte sie sich in den
Rinnstein und glaubte im Waschhaus zu sein.
All das fließende Wasser verdrehte ihr den
Kopf und machte sie ganz krank. Endlich
langte sie an, sie drückte sich schleunigst an
der Tür der Conciergeleute vorbei, bei denen
sie die Lorilleux und die Poissons am Tisch
sitzen sah, die angeekelte Grimassen schnitten,
als sie sie in diesem schönen Zustand
erblickten.
Sie erfuhr nie, wie sie die sechs Stockwerke
hochgekommen war. In dem Augenblick, als
sie oben in den Korridor einbog, eilte die
kleine Lalie herbei, die ihren Schritt hörte und,
die Arme mit liebkosender Gebärde
ausbreitend, lachend sagte:
»Madame Gervaise, Papa ist nicht
heimgekehrt, kommen Sie doch herein und
sehen Sie, wie meine Kinder schlafen ... Oh,
sie sind niedlich!« Aber vor dem
stumpfsinnigen Gesicht der Wäscherin wich
sie zurück und zitterte. Sie kannte diesen
Branntweinhauch, diese blassen Augen, diesen
zuckenden Mund.
Da ging Gervaise stolpernd vorbei, ohne ein
Wort zu sagen, während ihr die Kleine, die auf
der Schwelle ihrer Tür stand, mit ihrem
dunklen, stummen und ernsten Blick nachsah.
Kapitel XI
Nana wuchs heran, wurde ein Miststück. Mit
fünfzehn Jahren war sie emporgeschossen wie
ein Kalb, hatte sehr weißes Fleisch, war sehr
üppig, ja sogar so mollig, daß sie wie ein
Knäuel wirkte. Ja, so war's, fünfzehn Jahre,
alle Zähne und kein Korsett. Ein richtiges in
Milch getauchtes Flittchenfrätzchen, eine
samtene Pfirsichhaut, eine possierliche Nase,
ein rosiger Schnabel und leuchtende
Guckerchen, an denen es die Männer gelüstete,
ihre Pfeife anzuzünden. Ihre Fülle blonden
Haars, das die Farbe frischen Hafers hatte,
schien ihr Goldstaub über die Schläfen
geschüttet zu haben, Sommersprossen, die ihr
dort eine Sonnenkrone aufsetzten. Ach, eine
hübsche Puppe, wie die Lorilleux sagten, eine
Rotznase, der man noch die Nase hätte putzen
sollen und deren starke Schultern, die vollen
Rundungen, den reifen Duft einer erwachsenen
Frau hatten.
Nana stopfte sich nun keine
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