Der Todschlaeger
Tisches
aufgereiht, dessen oberes Ende Frau Lerat
allein einnahm. Sie waren acht, und jede hatte
ihren Leimtopf, ihre Zange, ihr Werkzeug und
ihre Gaufrierkugel vor sich. Auf dem
Werktisch lag ein Gewirr von Eisendrähten
und Spulen herum, von Watte, von grünem
und kastanienbraunem Papier, von Blättern
und Blütenblättern, die aus Seide, Atlas oder
Samt zugeschnitten waren. In der Mitte hatte
eine Blumenarbeiterin in den Hals einer
großen Karaffe ein kleines Sträußchen zu zwei
Sous gesteckt, das seit dem Vortage an ihrem
Mieder verwelkte.
»Ach, wißt ihr was«, sagte Léonie, eine
hübsche Brünette, und beugte sich über ihre
Kugel, auf der sie Rosenblütenblätter
gaufrierte, »na, die arme Caroline ist ja hübsch
unglücklich mit diesem Burschen, der abends
immer herkam und auf sie wartete.«
Nana, die im Begriff war, schmale Streifen
grünen Papiers auszuschneiden, rief aus:
»Wahrhaftig! Ein Mann, der alle Tage eine
andere fertigmacht!«
Die Werkstatt wurde von versteckter
Heiterkeit gepackt, und Frau Lerat mußte sich
streng zeigen. Sie zog die Nase kraus und
murmelte:
»Du bist ja sauber, meine Tochter, du hast
schöne Ausdrücke an dir! Das werde ich
deinem Vater berichten, wir werden ja sehen,
ob ihm das gefällt.«
Nana blies die Backen auf, als unterdrücke sie
ein heftiges Gelächter. Ach ja, ihr Vater! Der
sagte noch ganz andere Sachen!
Aber auf einmal flüsterte Léonie ganz leise
und schnell:
»He, aufgepaßt! Die Chefin!«
Tatsächlich kam Frau Titreville herein, eine
lange dürre Frau. Sie hielt sich gewöhnlich
unten im Geschäft auf. Die Arbeiterinnen
fürchteten sie sehr, weil sie niemals scherzte.
Langsam machte sie die Runde um den
Werktisch, über den jetzt still und emsig alle
Nacken gebeugt waren. Sie schalt eine
Arbeiterin eine Schlafmütze und nötigte sie,
eine Margerite noch einmal von vorn
anzufangen. Dann ging sie mit der steifen
Miene davon, mit der sie gekommen war.
»Holla, holla!« wiederholte Nana mehrmals
inmitten allgemeinen Murrens.
»Meine Damen, wirklich, meine Damen!«
sagte Frau Lerat, die eine strenge Miene
aufsetzen wollte. »Sie zwingen mich zu
Maßnahmen ...«
Aber man hörte nicht auf sie, man fürchtete sie
nicht sehr. Sie zeigte sich zu nachsichtig, denn
sie empfand einen Kitzel unter diesen jungen
Dingern, denen der Jux aus den Augen sah, sie
nahm sie beiseite, um ihnen über ihre
Liebhaber geradezu die Würmer aus der Nase
zu ziehen, und legte ihnen sogar die Karten,
wenn eine Ecke des Werktisches frei war. Ihre
rauhe Haut und ihr Dragonergerippe erbebten
in der tanzenden Freude einer Klatschbase,
sobald man beim Kapitel Liebelei war. Sie
fühlte sich nur von derben Worten beleidigt;
vorausgesetzt, daß man keine derben Worte
gebrauchte, konnte man alles sagen.
Wirklich, Nana vervollständigte in der
Werkstatt eine schöne Ausbildung! Oh,
sicherlich brachte sie schon gute Anlagen mit.
Aber der Umgang mit einem Haufen
Mädchen, die bereits von Elend und Laster arg
mitgenommen waren, das gab ihr den letzten
Schliff. Man hockte dort aufeinander, man
verdarb sich gegenseitig; das war so ähnlich
wie mit einem Korb voller Äpfel, wenn ein
paar angefaulte darunter sind. Freilich, vor den
anderen nahm man sich zusammen und
vermied es, zu gemein an Charakter und zu
abstoßend an Ausdrücken zu wirken. Kurzum,
man spielte sich als anständiges Fräulein auf.
Allein, in den Ecken ging es mit ins Ohr
geflüsterten Schlüpfrigkeiten lustig weiter. Es
konnten keine zwei zusammen stehen, ohne
daß sie sich sofort bogen vor Lachen beim
Erzählen von Schweinereien. Außerdem
begleitete man einander abends; da gab es
vertrauliche Mitteilungen, Geschichten, bei
denen einem die Haare zu Berge standen und
bei denen sich auf den Bürgersteigen die
beiden Gören versäumten, die inmitten der
Ellbogenstöße der Menge Feuer gefangen
hatten. Und überdies herrschte für die noch
sittsamen Mädchen wie Nana eine schlechte
Luft in der Werkstatt, der Geruch nach
Tanzkneipen und wenig moralischen Nächten,
den die Herumtreiberinnen mitbrachten in
ihren schlecht festgesteckten Haarknoten, in
ihren Röcken, die so zerknittert waren, als
hätten sie mit ihnen im Bett gelegen. Die
schlaffe Trägheit an den Tagen nach Gelagen,
die frechen Augen, diese Ränder um die
Augen, die Frau Lerat schicklicherweise die
Faustschläge der Liebe nannte, das Wackeln
mit den Hüften und die heiseren
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