Der Todschlaeger
würde sie schon noch
schlucken, sie, die seit gestern am Daumen
lutschte.
Es war in der Rue de la Charbonnière, an der
Ecke der Rue de Chartres, einer abscheulichen
Kreuzung, an der der Wind
VerwechseltdasBäumchen spielte. Verdammt
noch mal! Es war nicht warm beim
Pflastertreten. Hätte man wenigstens noch
Pelze angehabt! Der Himmel behielt die
häßliche Bleifarbe, und der dort oben
angehäufte Schnee setzte dem Viertel eine
Eismütze auf. Nichts kam herunter, aber in der
Luft lag ein weites Schweigen, das eine völlige
Verkleidung für Paris vorbereitete, ein
hübsches, weißes und neues Ballkleid.
Gervaise hob die Nase und bat den lieben
Gott, seinen Musselin nicht sofort fallen zu
lassen. Sie stapfte mit den Füßen, betrachtete
dabei einen Kolonialwarenladen gegenüber
und kehrte dann den Rücken, weil es zwecklos
war, sich im voraus allzu hungrig zu machen.
Die Straßenkreuzung bot keine Abwechslung.
In Halstücher gewickelt, drückten sich die
wenigen Passanten eiligst vorbei, denn man
bummelt natürlich nicht, wenn die Kälte einem
die Arschbacken zusammenkneift. Indessen
gewahrte Gervaise vier oder fünf Frauen, die
wie sie an der Tür des Bauklempnermeisters
auf Wache zogen; bestimmt ebenfalls
unglückliche Geschöpfe, Ehefrauen, die dem
Lohn auflauerten, um zu verhindern, daß er
zur Weinschenke entwischte. Da war eine
richtige lange Schindmähre, eine
Dragonergestalt, die sich an die Mauer
drückte, bereit, ihrem Mann auf den Rücken
zu springen. Auf der anderen Seite des
Fahrdamms spazierte eine kleine, ganz
schwarze, demütig und zart aussehende Frau
auf und ab. Eine andere, die plump wirkte,
hatte ihre beiden bibbernden und weinenden
Knirpse mitgebracht, die sie rechts und links
hinter sich herzog. Und alle, Gervaise wie ihre
Posten stehenden Gefährtinnen, gingen auf
und ab und warfen sich dabei kurze scheele
Blicke zu, ohne miteinander zu sprechen. Ein
angenehmes Zusammentreffen, ach ja, hat sich
was! Sie brauchten keine Bekanntschaft zu
schließen, um ihr Warenzeichen
kennenzulernen. Sie wohnten alle unter
demselben Firmenschild: bei Elend & Co. Es
fror einen noch mehr, wenn man sah, wie sie
bei dieser schrecklichen Januarwitterung
schweigsam herumstampften und einander
kreuzten.
Doch bei dem Meister kam nicht eine Katze
heraus. Endlich erschien ein Arbeiter, dann
zwei, dann drei; doch diese waren zweifellos
feine Kerle, die ihren Lohn getreulich
heimbrachten; denn sie schüttelten den Kopf,
als sie die vor der Werkstatt
herumschleichenden Schatten gewahrten. Die
lange Schindmähre preßte sich neben der Tür
noch enger an die Mauer; und auf einmal fiel
sie über einen bläßlichen kleinen Mann her,
der vorsichtig den Kopf vorstreckte. Oh, das
war schnell geregelt! Sie durchsuchte ihn, sie
knapste ihm das Geld ab. Geschnappt, keine
Kohlen mehr, nichts, um ein Schnäpschen zu
trinken! Verärgert und verzweifelt folgte da
der kleine Mann, große Kindertränen weinend,
seinem Dragoner. Es kamen immer noch
Arbeiter heraus, und als die beleibte
Gevatterin mit ihren beiden Knirpsen näher
getreten war, ging ein großer Brauner mit
pfiffiger Miene, der sie erblickte, rasch wieder
hinein, um den Ehemann zu warnen; als dieser
schlenkernd ankam, hatte er zwei Hinterräder,
zwei schöne neue Hundertsousstücke, beseite
geschafft, in jeden Schuh eins. Er nahm eins
seiner Gören auf den Arm, er ging davon und
schwindelte dabei seiner Alten etwas vor, die
ihn auszankte. Es waren lustige Brüder
darunter, die mit einem Satz auf die Straße
sprangen und es eilig hatten, davonzulaufen
und ihren Vierzehntagelohn mit ihren
Freunden zu verfuttern. Es waren auch finstere
Kerle mit elender Miene darunter, die in ihrer
verkrampften Faust den Lohn für drei oder
vier Tage umschlossen, die sie von vierzehn
Tagen gearbeitet hatten, sich Faulenzer
schimpften und Säuferschwüre leisteten. Das
traurigste aber war der Schmerz der
schwarzen, demütigen und zarten kleinen
Frau: ihr Mann, ein hübscher Bursche, hatte
sich soeben vor ihrer Nase aus dem Staube
gemacht, und zwar so brutal, daß er sie
beinahe zu Boden geworfen hätte; und an den
Läden entlang wankend, alle Tränen ihres
Leibes herausweinend, ging sie allein nach
Hause. Schließlich hatte der Vorbeimarsch
aufgehört. Gervaise, die aufrecht mitten auf
der Straße stand, schaute zur Tür hin. Das
begann faul zu riechen. Es ließen sich noch
zwei verspätete
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