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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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schlage ich noch was heraus.«
    Verfolgt von diesem höllischen Schandmaul,
    schritt Gervaise schnell aus. Dann befand sie
    sich allein inmitten der Menge, sie
    verlangsamte den Schritt. Sie war fest
    entschlossen. Da sie zwischen Stehlen und
    dem anderen zu wählen hatte, wollte sie lieber
    das andere tun, weil sie dann wenigstens
    niemandem ein Unrecht zufügen würde. Sie
    würde immer nur über ihre Habe verfügen.
    Freilich, anständig war es kaum; aber das
    Anständige und das Nichtanständige
    vermengten sich jetzt in ihrem Bregen; wenn
    man vor Hunger verreckt, redet man nicht
    soviel über Philosophie, man ißt das Brot, das
    sich bietet. Sie war bis zur Chaussée de
    Clignancourt hinaufgegangen. Die Nacht
    wollte und wollte nicht anbrechen. Da ging sie
    unterdessen die Boulevards entlang wie eine
    Dame, die frische Luft schöpft, bevor sie zum
    Essen heimkehrt.
    Dieses Viertel, in dem sie Scham empfand, so
    sehr verschönerte es sich, öffnete sich nun
    nach allen Seiten hin in die freie Luft. Der aus
    dem Herzen von Paris heraufkommende
    Boulevard de Magenta und der ins Land
    hinausgehende Boulevard Ornano hatten das
    Viertel an der ehemaligen Zollschranke
    durchbohrt, ein gewaltiger Abbruch von
    Häusern, zwei weite, vom Gips noch weiße
    Avenuen, die an ihren Flanken die Rue du
    FaubourgPoissonnière und die Rue des
    Poissonniers behielten, deren abgekantete,
    verstümmelte, wie düstere Gedärme
    gewundene Enden sich vorschoben. Seit
    langem schon hatte der Abriß der Stadtmauer
    die äußeren Boulevards verbreitert mit den
    seitlichen Fahrbahnen und dem Wallweg in
    der Mitte für die Fußgänger, der mit vier
    Reihen kleiner Platanen bepflanzt war. Es war
    eine unermeßliche Kreuzung, die in der Ferne
    durch endlose Straßen, die von
    Menschenmengen wimmelten und im
    verlorenen Chaos der Bauten ertranken, auf
    den Horizont mündete. Aber zwischen den
    hohen neuen Häusern blieben noch sehr viele
    wacklige alte Gemäuer stehen; zwischen den
    gemeißelten Fassaden höhlten sich schwarze
    Einbuchtungen aus, gähnten Hundelöcher, die
    die Lumpen an ihren Fenstern zur Schau
    stellten. Unter dem wachsenden Luxus von
    Paris brach das Elend der Vorstadt durch,
    verdreckte diesen Bauplatz einer so übereilt
    errichteten neuen Stadt.
    Im Gewühl des breiten Bürgersteiges längs der
    kleinen Platanen verloren, fühlte sich Gervaise
    einsam und verlassen. Diese schmalen
    Durchblicke auf die Avenuen dort hinten
    leerten ihr den Magen noch mehr; wenn man
    bedenkt, daß in diesem Menschenstrom, in
    dem es doch wohlhabende Leute gab, nicht ein
    Christ ihre Lage ahnte und ihr heimlich zehn
    Sous in die Hand drückte! Ja, das war zu
    großartig, das war zu schön, es drehte sich ihr
    im Kopf, und die Beine rutschten ihr weg
    unter dieser maßlosen grauen Himmelsbahn,
    die über einen so weiten Raum gespannt war.
    Die Dämmerung hatte jene schmutziggelbe
    Farbe der Pariser Dämmerung, eine Farbe, die
    Lust erweckt, auf der Stelle zu sterben, so
    häßlich erscheint das Leben auf den Straßen.
    Die Stunde wurde zwielichtig, die Fernen
    trübten sich mit einer schmutzigen
    Farbtönung. Gervaise, die schon müde
    geworden war, geriet gerade mitten in die
    Heimkehr der Arbeiter hinein. Um diese Zeit
    waren die Damen mit Hut und die gut
    gekleideten Herren, die die neuen Häuser
    bewohnten, ertrunken inmitten des Volkes, der
    Prozessionen von Männern und Frauen, die
    noch bleich aussahen von der verdorbenen
    Luft der Werkstätten. Der Boulevard de
    Magenta

    und

    die

    Rue

    du
    FaubourgPoissonnière ließen ganze Scharen
    von Arbeitern los, die durch die Steigung
    außer Atem waren. Im gedämpfteren Rollen
    der Omnibusse und Droschken, zwischen den
    Rollwagen, den Möbelwagen, den Lastwagen,
    die leer und im Galopp heimfuhren, bedeckte
    ein immer mehr anwachsendes Gewimmel von
    Kitteln und Arbeitsjacken den Fahrdamm. Die
    Dienstmänner kamen zurück, ihre Tragekörbe
    auf den Schultern. Zwei Arbeiter, die eilig
    dahingingen, machten Seite an Seite große
    Schritte, wobei sie sehr laut und gestikulierend
    sprachen, ohne sich anzusehen; andere, in
    Überzieher und Mütze, schritten allein mit
    gesenkter Nase an der Bürgersteigkante dahin;
    andere kamen zu fünft oder sechst daher,
    gingen hintereinander und wechselten kein
    Wort, die Hände in den Taschen, die Augen
    blaß. Einige behielten ihre ausgegangenen
    Pfeifen zwischen den Zähnen. Maurer in einer
    Mietskutsche, die sie zu viert gechartert hatten
    und auf der ihre

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