Der Todschlaeger
Arbeiter sehen, aber immer
noch kein Coupeau. Und als sie die Arbeiter
fragte, ob Coupeau nicht bald herauskäme,
erwiderten sie, die in Stimmung waren, ihr
scherzend, ihr Kumpel sei eben mit
Lampenputzer durch eine Hintertür
abgehauen, um die Hühner pissen zu führen.
Gervaise verstand. Wieder mal eine Notlüge
Coupeaus, sie konnte in den Mond gucken!
Nun ging sie langsam, ihr Paar schiefgetretene
Latschen dahinschleppend, die Rue de la
Charbonnière hinunter. Ihr Abendbrot lief
schön vor ihr her, und sie sah mit einem
leichten Schauder zu, wie es in der gelben
Dämmerung dahinlief. Diesmal war es aus.
Keinen Pfifferling, keine Hoffnung mehr, nur
noch Nacht und Hunger. Ach, eine schöne
Nacht des Verreckens, diese dreckige Nacht,
die auf ihre Schultern herabsank!
Schwerfällig ging sie die Rue des Poissonniers
hinauf, als sie Coupeaus Stimme hörte. Ja, er
saß in der »PetiteCivette«, war im Begriff, sich
von MeineBotten eine Lage spendieren zu
lassen. MeineBotten, dieser Spaßvogel, hatte
gegen Ende des Sommers den Bogen
rausgehabt und allen Ernstes eine Dame
geheiratet, die bereits sehr verblüht war, aber
noch über schöne Reste verfügte. Oh, eine
Dame aus der Rue des Martyrs, keine
Vorstadttrine. Und man mußte diesen
glücklichen Sterblichen sehen, wie er so als
Bürger lebte, die Hände in den Taschen, gut
gekleidet, gut genährt. Man erkannte ihn nicht
mehr wieder, so fett war er. Die Kumpel
sagten, seine Frau hätte Arbeit, soviel sie
wolle, bei Herren aus ihrem Bekanntenkreis.
So eine Frau und ein Landhaus, das ist alles,
was man sich zur Verschönerung des Lebens
wünschen kann. So schielte Coupeau denn
auch mit Bewunderung zu MeineBotten hin.
Hatte dieser Teufelskerl nicht sogar einen
goldenen Ring am kleinen Finger!
Gervaise legte Coupeau in dem Augenblick
die Hand auf die Schulter, als er aus der
»PetiteCivette« hinauskam.
»Hör mal, ich warte doch ... Ich habe Hunger.
Ist das alles, was du spendierst?«
Aber er ließ sie schön abblitzen.
»Hunger hast du, friß deine Faust! – Und heb
dir die andere für morgen auf.« Er fand es
jedenfalls belemmert, vor allen Leuten so ein
Theater zu machen! Na, was denn, er habe
nicht gearbeitet und Brot würde trotzdem
gebacken. Halte sie ihn etwa für einen, der
Ammen entjungfern will, daß sie herkomme,
um ihn mit ihren Geschichten
einzuschüchtern?
»Du willst also, daß ich stehle?« murmelte sie
mit dumpfer Stimme.
MeineBotten streichelte sich mit versöhnlicher
Miene das Kinn.
»Nein, das ist ja verboten«, sagte er. »Aber
wenn eine Frau sich zu drehen und zu wenden
weiß ...«
Und Coupeau unterbrach ihn, um bravo zu
schreien. Ja, eine Frau müsse sich zu drehen
und zu wenden wissen. Aber seine sei immer
eine alte Schachtel, ein Tolpatsch gewesen. Es
sei ihre Schuld, wenn sie im Elend verreckten.
Dann fiel er wieder in Bewunderung für
MeineBotten. Der sei ja ziemlich großkotzig,
dieser Kerl! Ein richtiger Hausbesitzer; weiße
Wäsche und ganz prima Tanzschuhe!
Donnerwetter, das sei kein Schund! Das sei
wenigstens einer, dessen Alte den Kahn gut
steuere!
Die beiden Männer gingen zum äußeren
Boulevard hinab.
Gervaise folgte ihnen. Nach einem Schweigen
begann sie wieder hinter Coupeau:
»Du weißt, ich habe Hunger ... Ich habe auf
dich gerechnet. Du mußt mir etwas zu beißen
besorgen.«
Er antwortete nicht, und sie sagte immer
wieder in einem herzzerreißenden Ton, wie
jemand, der mit dem Tode ringt:
»Das ist also alles, was du spendierst?«
»Aber, Himmelsakrament! Wenn ich doch
nichts habe!« brüllte er und drehte sich wütend
um. »Laß mich in Ruhe, nicht wahr, oder ich
schlage zu!« Schon hob er die Faust.
Sie wich zurück und schien einen Entschluß zu
fassen.
»Gut, ich laß dich in Ruhe, ich werde schon
einen Mann finden.«
Auf einmal spaßte der Bauklempner. Er tat so,
als fasse er die Sache als Jux auf, er ermunterte
sie, ohne daß es auffiel. Du meine Güte, das
sei eine ausgezeichnete Idee! Abends bei Licht
könne sie noch Eroberungen machen. Wenn
sie einen Mann aufgabele, so empfehle er ihr
das Restaurant »Capucin«, wo es kleine
Zimmerchen gebe, in denen man vortrefflich
speise. Und als sie bleich und grimmig auf
dem äußeren Boulevard davonging, rief er ihr
noch nach:
»Höre doch, bring mir was vom Nachtisch mit,
ich esse gern Kuchen ... Und wenn dein Herr
ausstaffiert ist, dann bitte ihn um einen alten
Paletot, dabei
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