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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Arbeiter sehen, aber immer
    noch kein Coupeau. Und als sie die Arbeiter
    fragte, ob Coupeau nicht bald herauskäme,
    erwiderten sie, die in Stimmung waren, ihr
    scherzend, ihr Kumpel sei eben mit
    Lampenputzer durch eine Hintertür
    abgehauen, um die Hühner pissen zu führen.
    Gervaise verstand. Wieder mal eine Notlüge
    Coupeaus, sie konnte in den Mond gucken!
    Nun ging sie langsam, ihr Paar schiefgetretene
    Latschen dahinschleppend, die Rue de la
    Charbonnière hinunter. Ihr Abendbrot lief
    schön vor ihr her, und sie sah mit einem
    leichten Schauder zu, wie es in der gelben
    Dämmerung dahinlief. Diesmal war es aus.
    Keinen Pfifferling, keine Hoffnung mehr, nur
    noch Nacht und Hunger. Ach, eine schöne
    Nacht des Verreckens, diese dreckige Nacht,
    die auf ihre Schultern herabsank!
    Schwerfällig ging sie die Rue des Poissonniers
    hinauf, als sie Coupeaus Stimme hörte. Ja, er
    saß in der »PetiteCivette«, war im Begriff, sich
    von MeineBotten eine Lage spendieren zu
    lassen. MeineBotten, dieser Spaßvogel, hatte
    gegen Ende des Sommers den Bogen
    rausgehabt und allen Ernstes eine Dame
    geheiratet, die bereits sehr verblüht war, aber
    noch über schöne Reste verfügte. Oh, eine
    Dame aus der Rue des Martyrs, keine
    Vorstadttrine. Und man mußte diesen
    glücklichen Sterblichen sehen, wie er so als
    Bürger lebte, die Hände in den Taschen, gut
    gekleidet, gut genährt. Man erkannte ihn nicht
    mehr wieder, so fett war er. Die Kumpel
    sagten, seine Frau hätte Arbeit, soviel sie
    wolle, bei Herren aus ihrem Bekanntenkreis.
    So eine Frau und ein Landhaus, das ist alles,
    was man sich zur Verschönerung des Lebens
    wünschen kann. So schielte Coupeau denn
    auch mit Bewunderung zu MeineBotten hin.
    Hatte dieser Teufelskerl nicht sogar einen
    goldenen Ring am kleinen Finger!
    Gervaise legte Coupeau in dem Augenblick
    die Hand auf die Schulter, als er aus der
    »PetiteCivette« hinauskam.
    »Hör mal, ich warte doch ... Ich habe Hunger.
    Ist das alles, was du spendierst?«
    Aber er ließ sie schön abblitzen.
    »Hunger hast du, friß deine Faust! – Und heb
    dir die andere für morgen auf.« Er fand es
    jedenfalls belemmert, vor allen Leuten so ein
    Theater zu machen! Na, was denn, er habe
    nicht gearbeitet und Brot würde trotzdem
    gebacken. Halte sie ihn etwa für einen, der
    Ammen entjungfern will, daß sie herkomme,
    um ihn mit ihren Geschichten
    einzuschüchtern?
    »Du willst also, daß ich stehle?« murmelte sie
    mit dumpfer Stimme.
    MeineBotten streichelte sich mit versöhnlicher
    Miene das Kinn.
    »Nein, das ist ja verboten«, sagte er. »Aber
    wenn eine Frau sich zu drehen und zu wenden
    weiß ...«
    Und Coupeau unterbrach ihn, um bravo zu
    schreien. Ja, eine Frau müsse sich zu drehen
    und zu wenden wissen. Aber seine sei immer
    eine alte Schachtel, ein Tolpatsch gewesen. Es
    sei ihre Schuld, wenn sie im Elend verreckten.
    Dann fiel er wieder in Bewunderung für
    MeineBotten. Der sei ja ziemlich großkotzig,
    dieser Kerl! Ein richtiger Hausbesitzer; weiße
    Wäsche und ganz prima Tanzschuhe!
    Donnerwetter, das sei kein Schund! Das sei
    wenigstens einer, dessen Alte den Kahn gut
    steuere!
    Die beiden Männer gingen zum äußeren
    Boulevard hinab.
    Gervaise folgte ihnen. Nach einem Schweigen
    begann sie wieder hinter Coupeau:
    »Du weißt, ich habe Hunger ... Ich habe auf
    dich gerechnet. Du mußt mir etwas zu beißen
    besorgen.«
    Er antwortete nicht, und sie sagte immer
    wieder in einem herzzerreißenden Ton, wie
    jemand, der mit dem Tode ringt:
    »Das ist also alles, was du spendierst?«
    »Aber, Himmelsakrament! Wenn ich doch
    nichts habe!« brüllte er und drehte sich wütend
    um. »Laß mich in Ruhe, nicht wahr, oder ich
    schlage zu!« Schon hob er die Faust.
    Sie wich zurück und schien einen Entschluß zu
    fassen.
    »Gut, ich laß dich in Ruhe, ich werde schon
    einen Mann finden.«
    Auf einmal spaßte der Bauklempner. Er tat so,
    als fasse er die Sache als Jux auf, er ermunterte
    sie, ohne daß es auffiel. Du meine Güte, das
    sei eine ausgezeichnete Idee! Abends bei Licht
    könne sie noch Eroberungen machen. Wenn
    sie einen Mann aufgabele, so empfehle er ihr
    das Restaurant »Capucin«, wo es kleine
    Zimmerchen gebe, in denen man vortrefflich
    speise. Und als sie bleich und grimmig auf
    dem äußeren Boulevard davonging, rief er ihr
    noch nach:
    »Höre doch, bring mir was vom Nachtisch mit,
    ich esse gern Kuchen ... Und wenn dein Herr
    ausstaffiert ist, dann bitte ihn um einen alten
    Paletot, dabei

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