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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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über funkelnd
    wieder auf, zogen sich abermals lang dahin
    und durchschnitten die Nacht bis zu der
    verlorenen Finsternis des Horizonts. Ein
    starkes Wehen strich vorüber, das weiter
    gewordene Viertel rammte Schnuren von
    Flämmchen unter den unermeßlichen und
    mondlosen Himmel ein. Es war die Stunde, da
    von einem Ende der Boulevards zum anderen
    die Weinschenken, die Tanzkneipen, die
    Kaschemmen hintereinander im Jux der ersten
    Lagen und des ersten Chahuts fröhlich
    aufflammten. Der Lohn der langen vierzehn
    Arbeitstage füllte den Bürgersteig mit einem
    Gedränge von Tagedieben, die eine Kneiptour
    unternahmen. Es roch in der Luft nach
    Flottmachen, einem verdammten Flottmachen,
    aber nett noch, ein beginnender Schwips,
    nichts weiter. Hinten in den Garküchen stopfte
    man sich voll; durch alle erleuchteten
    Scheiben sah man Leute mit vollem Munde
    essen, die lachten, ohne sich auch nur die
    Mühe zu machen, zu schlucken. In den
    Weinschenken ließen sich grölend und
    gestikulierend schon Trunkenbolde nieder.
    Das Getöse eines himmlischen Donnerwetters
    stieg auf, kreischende Stimmen, schleimige
    Stimmen, inmitten des ständigen Trommeins
    der Füße auf dem Bürgersteig, »Hör mal!
    Kommst du mit spachteln? – Komm her, du
    Faultier, ich spendiere einen Schoppen Wein
    aus der Flasche ... Guck mal, da ist Pauline!
    Ach nein, da werden wir uns aber tüchtig
    kugeln!« Die Türen klappten und ließen
    Weingerüche und Windstöße eines Pistons
    heraus. Man stand Schlange vor Vater
    Colombes »Totschläger«, der wie eine
    Kathedrale zum Hochamt erleuchtet war; und
    – Himmelsakrament! – man hätte meinen
    können, es sei eine richtige Zeremonie, denn
    prima Kerle sangen da drin mit Mienen wie
    Sänger im Kirchenchor, hatten die Backen
    aufgeblasen und den Wanst gerundet. Man
    feierte die Heilige Löhnung, jawohl, eine recht
    liebenswürdige Heilige, die wohl die Kasse im
    Paradies verwalten muß. Wenn allerdings die
    kleinen Rentiers, die ihre Gattinnen
    spazierenführten, sahen, mit welchem
    Schwung es losging, so sagten sie immer
    wieder kopfschüttelnd, es gäbe in dieser Nacht
    doch verflucht viel besoffene Männer in Paris.
    Und die Nacht war sehr finster, tot und eisig
    über diesem Radau und wurde an den vier
    Himmelspunkten einzig und allein von den
    Feuerzeilen der Boulevards durchbohrt.
    Vor dem »Totschläger« aufgepflanzt, dachte
    Gervaise nach. Hätte sie zwei Sous gehabt, so
    wäre sie hineingegangen, um ihr Schnäpschen
    zu trinken. Vielleicht hätte ein Schnäpschen
    ihr den Hunger genommen. Ach, was hatte sie
    schon an Schnäpschen getrunken! Das schien
    ihr trotz allem doch recht gut zu sein. Und von
    weitem betrachtete sie die Besaufmaschine,
    fühlte dabei, daß ihr Unglück von dorther
    rühre, und träumte davon, sich an dem Tage,
    da sie was haben würde, mit Branntwein den
    Rest zu geben. Aber ein Schauer fuhr ihr ins
    Haar, sie sah, daß es stockfinstere Nacht war.
    Vorwärts, die günstige Stunde nahte. Es war
    der Zeitpunkt, beherzt zu sein und sich
    liebenswürdig zu zeigen, wenn sie nicht
    inmitten der allgemeinen Freude verrecken
    wollte. Um so mehr, als es ihr nicht gerade den
    Bauch füllte, wenn sie zusah, wie die anderen
    sich vollschlugen. Sie verlangsamte den
    Schritt noch, schaute sich um. Unter den
    Bäumen kroch dichteres Dunkel umher. Es
    kamen wenig Menschen vorbei, eilige Leute,
    die rasch den Boulevard überquerten. Und auf
    diesem düsteren und menschenleeren breiten
    Bürgersteig, wo das fröhliche Treiben der
    angrenzenden Fahrdämme zum Sterben kam,
    standen Frauen und warteten. Sie verharrten
    lange Augenblicke unbeweglich, geduldig,
    steif wie die dürftigen kleinen Platanen; dann
    bewegten sie sich langsam, schleppten ihre
    Latschen über den gefrorenen Boden, machten
    zehn Schritte und blieben erneut stehen,
    festgeklebt an der Erde. Da war eine mit einem
    gewaltigen Rumpf und Insektenarmen und
    beinen, die überquoll und sich vorwärts wälzte
    in einem schwarzen Seidenfetzen, mit einem
    gelben Foulardtuch auf dem Kopf; da war eine
    andere, eine große Dürre mit bloßem Kopf, die
    eine Dienstmädchenschürze trug; und noch
    andere, übertünchte Alte, sehr schmutzige
    Junge, so schmutzig, so ärmlich, daß ein
    Lumpensammler sie nicht aufgelesen hätte.
    Gervaise wußte jedoch nicht Bescheid und
    bemühte sich zu lernen, indem sie es machte
    wie sie. Eine Erregung wie bei einem kleinen
    Mädchen schnürte ihr die Kehle zu; sie fühlte
    nicht, ob sie

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