Der Todschlaeger
Sonnabend,
dem 29. Juli, statt. Ich habe das nach dem
Kalender ausgerechnet. Abgemacht? Paßt es
euch?«
»Oh, uns paßt es immer«, sagte seine
Schwester. »Du hättest uns nicht um unsere
Meinung zu fragen brauchen ... Ich werde
meinen Mann nicht daran hindern, Zeuge zu
sein. Ich will Frieden haben.«
Da Gervaise, die den Kopf gesenkt hielt, nicht
mehr wußte, womit sie sich beschäftigen
sollte, hatte sie die Spitze ihres Fußes in eine
Raute des hölzernen Lattenrostes gesteckt, mit
dem der Fliesenboden der Werkstatt bedeckt
war; dann hatte sie sich aus Angst, daß sie
irgend etwas verrückt haben könnte, als sie ihn
wieder herauszog, gebückt und tastete mit der
Hand umher.
Schnell brachte Lorilleux die Lampe herbei.
Und voller Mißtrauen untersuchte er ihr die
Finger.
»Man muß achtgeben«, sagte er, »die kleinen
Goldstückchen, die bleiben an den Schuhen
kleben und werden fortgeschleppt, ohne daß
man es weiß.«
Das gab eine große Geschichte. Die
Arbeitgeber gewährten kein Milligramm
Abfall. Und er zeigte die Hasenpfote, mit der
er die auf dem Feilnagel zurückgebliebenen
Goldteilchen abbürstete, und das auf seinen
Knien ausgebreitete Brettfell, das dort lag, um
sie aufzufangen. Zweimal in der Woche fegte
man die Werkstatt sorgfältig aus, man
bewahrte den Kehricht auf, man verbrannte
ihn, man siebte die Asche, in der man
monatlich bis zu fünfundzwanzig und dreißig
Francs an Gold fand.
Frau Lorilleux ließ Gervaises Schuhe nicht aus
den Augen.
»Aber deswegen braucht man nicht böse zu
werden«, murmelte sie mit einem
liebenswürdigen Lächeln. »Madame kann ja
ihre Sohlen nachsehen.«
Und Gervaise, die sehr rot geworden war,
setzte sich wieder hin, hob ihre Füße hoch und
zeigte, daß nichts daran war.
Coupeau hatte die Tür geöffnet und schrie mit
barscher Stimme: »Guten Abend!« Er rief sie
vom Gang aus.
Da ging sie auch hinaus, nachdem sie eine
Höflichkeitsphrase gestammelt hatte: sie hoffe
sehr, daß sie sich wiedersähen und daß sie sich
alle miteinander vertrügen.
Aber die Lorilleux hatten sich schon wieder an
die Arbeit gemacht hinten in dem finsteren
Loch der Werkstatt, wo die kleine Schmiede
leuchtete wie eine letzte, in der starken Hitze
eines Ofens weißglühende Kohle. Die Frau,
der ein Stückchen vom Hemd über die
Schulter geglitten war und deren Haut vom
Widerschein der Glut gerötet war, zog einen
neuen Draht und blähte bei jeder Anstrengung
ihren Hals auf, dessen Muskeln sich Schnüren
gleich zu Knäueln zusammenrollten. Der
Mann, der unter dem grünen Schein der
Schusterkugel zusammengekrümmt dasaß und
der an einem neuen Stückchen Kette zu
arbeiten begann, bog die Öse mit der Zange,
preßte sie auf der einen Seite zusammen,
führte sie in die obere Öse ein und öffnete sie
wieder mit Hilfe eines Stichels, und das alles
ohne Unterbrechung, mechanisch, ohne eine
Handbewegung dabei zu verlieren, ohne sich
den Schweiß vom Gesicht zu wischen.
Als Gervaise aus den Gängen auf den
Treppenabsatz des sechsten Stocks hinaustrat,
konnte sie, Tränen in den Augen, folgende
Bemerkung nicht unterdrücken:
»Das verheißt nicht viel Glück.«
Coupeau schüttelte wütend den Kopf. Diesen
Abend sollte Lorilleux ihm büßen. Habe man
je so einen filzigen Kerl gesehen! Zu glauben,
daß man ihm drei Körnchen seines Goldstaubs
wegtragen könnte! Diese ganzen Geschichten
seien reiner Geiz. Habe seine Schwester etwa
geglaubt, er werde nie heiraten, damit sie ein
paar Sous bei ihrem Eintopf für sich sparen
könne? Kurzum, das würde trotzdem am 29.
Juli stattfinden. Sie seien ihm ziemlich
schnuppe!
Aber Gervaise fühlte, als sie die Treppe
hinabstieg, immer noch, wie ihr schwer ums
Herz war und wie sie von einer dummen Angst
gequält wurde, die bewirkte, daß sie voller
Unruhe die größer gewordenen Schatten des
Geländers absuchte. Zu dieser Stunde schlief
die Treppe verödet, nur von der Gaslampe im
zweiten Stock beleuchtet, deren
kleingeschraubte Flamme den Lichttropfen
einer Nachtlampe auf den Grund dieses
Finsternisschachtes legte. Hinter den
geschlossenen Türen hörte man die schwere
Stille, den erdrückten Schlaf der Arbeiter, die
sich gleich nach dem Essen hingelegt hatten.
Doch aus der Stube der Plätterin drang
gedämpftes Lachen, während ein dünner
Lichtstrahl durch das Schlüsselloch bei
Fräulein Remanjou glitt, die mit leisem
Scherengeräusch noch die Gazekleider
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