Der Todschlaeger
seines Schwagers gefaßt. Der
brummte, grinste, sah dabei aus wie ein böses
Tier und lieh schließlich die beiden
Hundertsousstücke. Doch Coupeau hörte, wie
seine Schwester zwischen den Zähnen sagte,
das finge ja gut an.
Die standesamtliche Trauung war auf halb elf
Uhr angesetzt. Es herrschte sehr schönes
Wetter, eine stechende, die Straßen
versengende Sonne. Um sich nicht anschauen
zu lassen, teilten sich das Brautpaar, die Mama
und die vier Zeugen in zwei Gruppen.
Gervaise ging an Lorilleux' Arm voraus,
während Herr Madinier Mama Coupeau
führte; dann kamen in zwanzig Schritt Abstand
auf dem anderen Bürgersteig Coupeau, Boche
und RöstfleischBibi. Diese drei waren in
schwarzem Gehrock, machten den Rücken
krumm und ließen die Arme baumeln. Boche
hatte eine gelbe Hose an; RöstfleischBibi, der
bis zum Hals zugeknöpft und ohne Weste war,
ließ nur einen seilförmig zusammengedrehten
Krawattenzipfel hervorsehen. Allein Herr
Madinier trug einen Frack, einen vornehmen
Frack mit eckigen Schößen. Und die Passanten
blieben stehen, um diesen Herrn zu sehen, der
die dicke Mutter Coupeau mit ihrem grünen
Schal und ihrer schwarzen Haube mit roten
Bändern spazierenführte. Gervaise, die in
ihrem Kleid von herbem Blau sehr anmutig
und heiter aussah und die Schultern unter
ihrem engen Umhang zusammengezogen
hatte, hörte gefälligerweise Lorilleux'
Witzeleien mit an, der trotz der Hitze in der
Tiefe eines ungeheuer weiten Sackpaletots fast
verlorenging. Außerdem wandte sie von Zeit
zu Zeit an den Straßenbiegungen ein wenig
den Kopf, warf Coupeau, der sich in seinen
neuen, in der Sonne glänzenden
Kleidungsstücken beengt fühlte, ein feines
Lächeln zu.
Obgleich sie sehr langsam gingen, trafen sie
eine gute halbe Stunde zu früh auf dem
Standesamt ein. Und da der Standesbeamte
sich verspätete, kamen sie erst gegen elf Uhr
an die Reihe. Sie warteten auf Stühlen in einer
Ecke des Saales, betrachteten die hohe Decke
und die schmucklosen Wände, sprachen leise
dabei und schoben ihre Stühle aus
übertriebener Höflichkeit jedesmal zurück,
wenn ein Amtsdiener vorüberging. Dennoch
schalten sie halblaut den Standesbeamten
einen Faulpelz; er sei doch sicherlich bei
seiner Blonden, um sich eine Einreibung für
sein Zipperlein machen zu lassen, vielleicht
habe er aber auch seine Schärpe verschluckt.
Aber als der Beamte erschien, standen sie
ehrerbietig auf. Man bedeutete ihnen, sich
wieder zu setzen.
Alsdann wohnten sie drei Trauungen bei,
waren in drei bürgerliche Hochzeiten
hineingeraten, mit Bräuten in Weiß, kleinen
Mädchen mit gebrannten Locken, Fräulein mit
rosa Gürteln und endlosen Gefolgen von
Herren und Damen, die ihren Sonntagsstaat
anhatten und sehr vornehm aussahen. Als sie
dann aufgerufen wurden, wären sie beinahe
nicht getraut worden, weil RöstfleischBibi
verschwunden war. Boche fand ihn unten auf
dem Platz, eine Pfeife rauchend, wieder. Das
seien ja auch nette Käuze in der Bude da,
denen die Leute schnuppe seien, weil sie keine
hellgelben Handschuhe besäßen, die sie ihnen
unter die Nase halten konnten! Und die
Formalitäten, das Vorlesen aus dem
Gesetzbuch, die Fragen, die gestellt wurden,
das Unterzeichnen der Urkunden, wurden so
flink erledigt, daß sie einander ansahen, weil
sie sich um eine gute Hälfte der Zeremonie
betrogen glaubten. Benommen und dem
Weinen nahe, preßte sich Gervaise ihr
Taschentuch auf die Lippen. Mama Coupeau
weinte heiße Tränen. Alle hatten sich über das
Register hergemacht und malten mit großen
hinkenden Buchstaben ihre Namen, außer dem
Bräutigam, der ein Kreuz gezeichnet hatte,
weil er nicht schreiben konnte. Sie gaben jeder
vier Sous für die Armen. Als der Diener
Coupeau den Trauschein aushändigte,
entschloß sich dieser, von Gervaise am
Ellbogen angestoßen, noch fünf Sous
herauszurücken.
Vom Standesamt zur Kirche war es ein ganzes
Ende. Unterwegs tranken die Männer Bier,
Mama
Coupeau
und
Gervaise
Schwarzbeerlikör mit Wasser. Und sie hatten
eine lange Straße entlangzugehen, auf die die
Sonne senkrecht ohne ein Streifchen Schatten
herabfiel. Der Küster wartete mitten in der
leeren Kirche auf sie; er schob sie auf eine
kleine Kapelle zu, wobei er sie wütend fragte,
ob sie etwa deswegen zu spät kämen, um sich
über die Religion lustig zu machen. Ein
Priester, dem ein Meßdiener in schmutzigem
Chorhemd voraustrippelte, kam mit
mürrischem
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