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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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der
    Puppen zu dreizehn Sous zuschnitt. Unten bei
    Frau Gaudron weinte immer noch ein Kind.
    Und die Abflußbecken wehten einen stärkeren
    Gestank mitten in den schwarzen und
    stummen tiefen Frieden.
    Während Coupeau dann mit singender Stimme
    die Concierge bat, das Haustor zu öffnen,
    drehte sich Gervaise auf dem Hof um,
    betrachtete ein letztes Mal das Haus. Es wirkte
    größer geworden unter dem mondlosen
    Himmel. Von ihrem Aussatz gleichsam
    gereinigt und von Dunkelheit übertüncht,
    dehnten sich die grauen Fassaden und stiegen
    in die Höhe; und sie waren noch kahler, ganz
    glatt und von den am Tage in der Sonne
    trocknenden Lumpen entblößt. Die
    geschlossenen Fenster schliefen. Vereinzelte
    waren hell erleuchtet, öffneten die Augen und
    schienen manche Winkel zum Schielen zu
    bringen. Über jedem Hausflur errichteten die
    von einem matten Schimmer blanken
    Fensterscheiben der sechs Treppenabsätze von
    unten bis oben in einer Reihe übereinander
    einen schmalen Lichtturm. Der Strahl einer
    Lampe, der aus der Kartonagenwerkstatt im
    zweiten Stock fiel, legte einen gelben Streifen
    auf das Pflaster des Hofes und durchbohrte die
    Finsternis, die die Werkstätten im Erdgeschoß
    ertränkte. Und auf dem Grund dieser
    Finsternis fiel in der feuchten Ecke aus dem
    schlecht zugedrehten Hahn der Wasserleitung
    ein Wassertropfen nach dem anderen, die
    inmitten der Stille widerhallten. Da war es
    Gervaise, als läge das Haus auf ihr, erdrückend
    und eisig auf ihren Schultern. Es war immer
    noch ihre dumpfe Angst, eine Kinderei, über
    die sie hernach lächelte. »Sehen Sie sich vor!«
    rief Coupeau.
    Und um hinauszugelangen, mußte sie über
    eine große Lache hinwegspringen, die aus der
    Färberei geflossen war. An diesem Tage war
    die Lache blau, vom tiefen Azurblau des
    Sommerhimmels, auf dem die kleine
    Nachtlampe der Concierge Sterne anzündete.

    Kapitel III
    Gervaise wollte keine Hochzeitsfeier. Wozu
    Geld ausgeben? Außerdem schämte sie sich
    immer noch ein wenig, es erschien ihr
    überflüssig, die Heirat vor dem ganzen Viertel
    zur Schau zu stellen. Aber Coupeau erhob laut
    Einspruch: so könne man nicht heiraten, ohne
    einen Bissen zusammen zu essen. Er schere
    sich den Teufel um das Viertel! Oh, etwas
    ganz Einfaches, ein kleiner Bummel am
    Nachmittag, bis man in die erste beste
    Garküche gehen und einem Kaninchen den
    Hals umdrehen würde. Und bestimmt keine
    Musik zum Nachtisch, keine Klarinette, damit
    die Damen ihre Unterröcke schwenken
    könnten. Bloß um anzustoßen, bevor jeder
    wieder nach Hause gehe, um heia zu machen.
    Scherzend und spaßend bewog der
    Bauklempner die junge Frau dazu, als er ihr
    geschworen hatte, es werde nicht hoch
    hergehen. Er würde schon sein Augenmerk auf
    die Gläser haben, damit keiner einen Schwips
    bekomme. Er veranstaltete also eine
    Schmauserei, bei der jeder selber die hundert
    Sous pro Kopf bezahlen mußte, bei Auguste in
    der »Moulind'Argent«11 am Boulevard de la
    Chapelle. Das war ein kleiner Weinhändler mit
    mäßigen Preisen, der hinten in seiner
    Ladenstube unter den drei Akazien seines
    Hofes eine Tanzkneipe hatte. Im ersten Stock
    würde man vortrefflich aufgehoben sein.
    Zehn Tage lang koberte er Gäste an im Hause
    seiner Schwester in der Rue de la Goutted'Or:
    Herrn Madinier, Fräulein Remanjou, Frau
    Gaudron und ihren Mann. Schließlich brachte
    er Gervaise sogar dazu, zwei Kumpels
    hinzunehmen,

    RöstfleischBibi

    und
    MeineBotten. Zweifellos hebe MeineBotten
    gern einen, aber er habe einen so wunderlichen
    Appetit, daß man ihn stets zu Schmausereien
    auf eigene Kosten einlade wegen des
    Gesichtes des Kneipiers, wenn der sähe, wie
    dieser verdammte Freßsack seine zwölf Pfund
    Brot verschlinge.
    Die junge Frau ihrerseits versprach, ihre
    Arbeitgeherin, Frau Fauconnier, und die
    Boches, sehr rechtschaffene Leute,
    mitzubringen. Alles in allem würden es
    fünfzehn Personen bei Tisch sein, das sei
    genug. Wenn zu viele Leute da seien, ende das
    immer mit Streit.
    Coupeau hatte jedoch keinen Sou. Ohne daß er
    anzugeben suchte, wünschte er wie ein
    anständiger Mensch zu handeln. Er lieh sich
    fünfzig Francs von seinem Arbeitgeber. Davon
    kaufte er zunächst die Trauringe, goldene
    Trauringe zu zwölf Francs, die Lorilleux ihm
    für neun Francs aus der Fabrik besorgte.
    Sodann bestellte er sich Gehrock, Hose und
    Weste bei einem Schneider in der Rue Myrrha,
    dem er nur fünfundzwanzig Francs Anzahlung
    gab. Seine Lackschuhe und

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