Der Todschlaeger
der
Puppen zu dreizehn Sous zuschnitt. Unten bei
Frau Gaudron weinte immer noch ein Kind.
Und die Abflußbecken wehten einen stärkeren
Gestank mitten in den schwarzen und
stummen tiefen Frieden.
Während Coupeau dann mit singender Stimme
die Concierge bat, das Haustor zu öffnen,
drehte sich Gervaise auf dem Hof um,
betrachtete ein letztes Mal das Haus. Es wirkte
größer geworden unter dem mondlosen
Himmel. Von ihrem Aussatz gleichsam
gereinigt und von Dunkelheit übertüncht,
dehnten sich die grauen Fassaden und stiegen
in die Höhe; und sie waren noch kahler, ganz
glatt und von den am Tage in der Sonne
trocknenden Lumpen entblößt. Die
geschlossenen Fenster schliefen. Vereinzelte
waren hell erleuchtet, öffneten die Augen und
schienen manche Winkel zum Schielen zu
bringen. Über jedem Hausflur errichteten die
von einem matten Schimmer blanken
Fensterscheiben der sechs Treppenabsätze von
unten bis oben in einer Reihe übereinander
einen schmalen Lichtturm. Der Strahl einer
Lampe, der aus der Kartonagenwerkstatt im
zweiten Stock fiel, legte einen gelben Streifen
auf das Pflaster des Hofes und durchbohrte die
Finsternis, die die Werkstätten im Erdgeschoß
ertränkte. Und auf dem Grund dieser
Finsternis fiel in der feuchten Ecke aus dem
schlecht zugedrehten Hahn der Wasserleitung
ein Wassertropfen nach dem anderen, die
inmitten der Stille widerhallten. Da war es
Gervaise, als läge das Haus auf ihr, erdrückend
und eisig auf ihren Schultern. Es war immer
noch ihre dumpfe Angst, eine Kinderei, über
die sie hernach lächelte. »Sehen Sie sich vor!«
rief Coupeau.
Und um hinauszugelangen, mußte sie über
eine große Lache hinwegspringen, die aus der
Färberei geflossen war. An diesem Tage war
die Lache blau, vom tiefen Azurblau des
Sommerhimmels, auf dem die kleine
Nachtlampe der Concierge Sterne anzündete.
Kapitel III
Gervaise wollte keine Hochzeitsfeier. Wozu
Geld ausgeben? Außerdem schämte sie sich
immer noch ein wenig, es erschien ihr
überflüssig, die Heirat vor dem ganzen Viertel
zur Schau zu stellen. Aber Coupeau erhob laut
Einspruch: so könne man nicht heiraten, ohne
einen Bissen zusammen zu essen. Er schere
sich den Teufel um das Viertel! Oh, etwas
ganz Einfaches, ein kleiner Bummel am
Nachmittag, bis man in die erste beste
Garküche gehen und einem Kaninchen den
Hals umdrehen würde. Und bestimmt keine
Musik zum Nachtisch, keine Klarinette, damit
die Damen ihre Unterröcke schwenken
könnten. Bloß um anzustoßen, bevor jeder
wieder nach Hause gehe, um heia zu machen.
Scherzend und spaßend bewog der
Bauklempner die junge Frau dazu, als er ihr
geschworen hatte, es werde nicht hoch
hergehen. Er würde schon sein Augenmerk auf
die Gläser haben, damit keiner einen Schwips
bekomme. Er veranstaltete also eine
Schmauserei, bei der jeder selber die hundert
Sous pro Kopf bezahlen mußte, bei Auguste in
der »Moulind'Argent«11 am Boulevard de la
Chapelle. Das war ein kleiner Weinhändler mit
mäßigen Preisen, der hinten in seiner
Ladenstube unter den drei Akazien seines
Hofes eine Tanzkneipe hatte. Im ersten Stock
würde man vortrefflich aufgehoben sein.
Zehn Tage lang koberte er Gäste an im Hause
seiner Schwester in der Rue de la Goutted'Or:
Herrn Madinier, Fräulein Remanjou, Frau
Gaudron und ihren Mann. Schließlich brachte
er Gervaise sogar dazu, zwei Kumpels
hinzunehmen,
RöstfleischBibi
und
MeineBotten. Zweifellos hebe MeineBotten
gern einen, aber er habe einen so wunderlichen
Appetit, daß man ihn stets zu Schmausereien
auf eigene Kosten einlade wegen des
Gesichtes des Kneipiers, wenn der sähe, wie
dieser verdammte Freßsack seine zwölf Pfund
Brot verschlinge.
Die junge Frau ihrerseits versprach, ihre
Arbeitgeherin, Frau Fauconnier, und die
Boches, sehr rechtschaffene Leute,
mitzubringen. Alles in allem würden es
fünfzehn Personen bei Tisch sein, das sei
genug. Wenn zu viele Leute da seien, ende das
immer mit Streit.
Coupeau hatte jedoch keinen Sou. Ohne daß er
anzugeben suchte, wünschte er wie ein
anständiger Mensch zu handeln. Er lieh sich
fünfzig Francs von seinem Arbeitgeber. Davon
kaufte er zunächst die Trauringe, goldene
Trauringe zu zwölf Francs, die Lorilleux ihm
für neun Francs aus der Fabrik besorgte.
Sodann bestellte er sich Gehrock, Hose und
Weste bei einem Schneider in der Rue Myrrha,
dem er nur fünfundzwanzig Francs Anzahlung
gab. Seine Lackschuhe und
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