Der Todschlaeger
treten, sie würde ja sehen.
Der Kettenmacher stimmte brummend zu. Er
wickelte den von seiner Frau vorbehandelten
Draht um einen Riegel, einen sehr dünnen
Stahlstab. Dann vollführte er einen leichten
Schnitt mit der Säge, der den Draht, von dem
jede Windung eine Öse bildete, der ganzen
Länge des Riegels nach durchschnitt. Darauf
lötete er. Die Ösen wurden auf ein großes
Stück Holzkohle gelegt. Er feuchtete sie mit
einem Tropfen Borax an, den er dem Boden
eines neben ihm stehenden zerbrochenen
Glases entnahm, und rasch brachte er sie mit
der Lampe in der waagerechten Flamme des
Lötrohres zum Glühen. Als er etwa hundert
Ringe hatte, machte er sich dann noch einmal
an seine feine Arbeit, an die Kante des
Feilnagels gelehnt, an ein Stückchen Brett, das
vom Reiben seiner Hände blank geworden
war. Er bog die Öse mit der Zange, preßte sie
auf der einen Seite zusammen, hängte sie in
die obere, schon an ihrem Platz befindliche
Öse ein und öffnete sie wieder mit Hilfe eines
Stichels; dies alles mit stetiger
Regelmäßigkeit, wobei die Ösen so rasch
aufeinanderfolgten, daß die Kette vor
Gervaises Augen allmählich immer länger
wurde, ohne daß es ihr vergönnt war, dem zu
folgen und es richtig zu begreifen.
»Das ist die Säule«, sagte Coupeau. »Es gibt
die Panzerkette, die Ankerkette, die Kinnkette
und die Schlangenkette. Aber das da ist die
Säule. Lorilleux macht nur die Säule.«
Der grinste vor Genugtuung. Während er
fortfuhr, die zwischen seinen schwarzen
Fingernägeln unsichtbaren Ringe mit der
Zange zusammenzuzwicken, rief er:
»Hör doch mal, Schwarzbeersaftjung! – Heute
morgen habe ich eine Berechnung angestellt.
Mit zwölf Jahren habe ich angefangen, nicht
wahr? Na, und weißt du, was für ein Ende
Säule ich wohl bis zum heutigen Tag gemacht
habe?« Er hob sein blasses Gesicht und
blinzelte mit seinen geröteten Lidern.
»Achttausend Meter, hörst du! Zwei Meilen! –
Jaja! Ein Ende Säule von zwei Meilen! Damit
kann man allen Weibern des Viertels den Hals
umwickeln ... Und das Ende wird immer
länger, weißt du. Ich hoffe stark, daß ich von
Paris bis Versailles komme.«
Gervaise hatte sich wieder hingesetzt, war
enttäuscht, fand alles sehr häßlich. Sie
lächelte, um den Lorilleux gefällig zu sein.
Was sie besonders bedrückte, war das
Schweigen, das über ihre Heirat gewahrt
wurde, über diese für sie so wichtige
Angelegenheit, ohne die sie bestimmt nicht
hergekommen wäre. Die Lorilleux
behandelten sie weiterhin als lästige
Neugierige, die von Coupeau mitgebracht
worden war. Und als sich endlich eine
Unterhaltung entsponnen hatte, drehte sie sich
einzig und allein um die Mieter des Hauses.
Frau Lorilleux fragte ihren Bruder, ob er beim
Heraufkommen nicht gehört habe, wie sich die
Leute aus dem vierten Stock prügelten. Diese
Bénards schlügen sich alle Tage halbtot; der
Mann komme besoffen wie ein Schwein nach
Hause, und die Frau habe auch viel Schuld, sie
schreie widerliche Dinge. Dann wurde über
den Zeichner aus dem ersten Stock
gesprochen, diesen langen Latsch, den
Baudequin, einem bis über die Ohren in
Schulden steckenden Angeber, der immerzu
rauche und immerzu mit Kumpanen
herumbrülle.
Herrn
Madiniers
Kartonnagenwerkstatt schleppe sich nur noch
so dahin; gestern abend habe der Meister
abermals zwei Arbeiterinnen entlassen. Es
geschähe ihm ganz recht, wenn er pleite gehe,
denn er bringe alles durch und lasse seine
Kinder mit nacktem Hintern herumlaufen.
Frau Gaudron krempele ihre Matratzen ja
komisch durch: sie sei schon wieder
schwanger, was in ihrem Alter schließlich
nicht gerade anständig sei. Der Hauswirt habe
den Coquets im fünften Stock eben gekündigt,
sie seien die Miete für ein dreiviertel Jahr
schuldig. Außerdem setzten sie es sich in den
Kopf, ihren Herd auf dem Treppenflur
anzuzünden, obgleich Fräulein Remanjou, die
Alte aus dem sechsten Stock, am vergangenen
Sonnabend, als sie ihre Puppen wegbrachte,
gerade noch rechtzeitig heruntergekommen
sei, um zu verhindern, daß sich der kleine
Linguerlot am ganzen Körper verbrannte. Was
Fräulein Clémence, die Plätterin, angehe, so
treibe sie es, wie sie es eben für richtig halte,
aber man könne nichts sagen, sie sei
leidenschaftlich tierlieb und habe ein goldenes
Herz. Oh, wie schade, ein so schönes
Mädchen, und dann mit allen Männern zu
gehen! Sicher würde man sie eines Nachts auf
dem Strich
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