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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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sein
    breitkrempiger Hut mochten noch gehen. Als
    er die zehn Francs für die Schmauserei beiseite
    gelegt hatte – seine und Gervaises Zeche, die
    Kinder mußten noch obendrein mit
    durchgebracht werden –, blieben ihm ganz
    genau sechs Francs, der Preis für eine Messe
    am Armenaltar. Gewiß, er liebte die
    Schwarzröcke nicht, es schnürte ihm das Herz
    ab, seine sechs Francs zu diesen Schlemmern
    zu tragen, die sie nicht brauchten, um sich die
    Kehle frisch zu halten. Aber eine Heirat ohne
    Messe – man konnte sagen, was man wollte,
    das war keine Heirat. Er ging selber zur
    Kirche, um zu feilschen; und eine Stunde lang
    zankte er sich mit einem kleinen alten Priester
    in schmutziger Soutane herum, der gaunerisch
    wie eine Obsthändlerin war. Er hatte Lust, ihm
    ein paar Ohrfeigen zu hauen. Dann fragte er
    ihn aus Ulk, ob er in seinem Laden nicht eine
    gebrauchte Messe auftreiben könne, die nicht
    allzu abgenutzt sei und mit der ein gutmütiges
    Paar noch einigermaßen bedient wäre.
    Schließlich ließ ihm der kleine alte Priester
    seine Messe für fünf Francs, wobei er
    brummte, Gott würde kein Gefallen daran
    haben, ihren Ehebund zu segnen. Das waren
    immerhin zwanzig Sous Ersparnis. Es blieben
    ihm zwanzig Sous.
    Auch Gervaise legte Wert darauf, anständig
    auszusehen. Sobald die Heirat beschlossen
    war, richtete sie sich darauf ein, machte
    abends Überstunden und schaffte es, dreißig
    Francs zurückzulegen. Sie wünschte sich
    sehnlichst einen kleinen seidenen Umhang, der
    in der Rue du FaubourgPoissonnière mit
    dreizehn Francs ausgezeichnet war. Sie leistete
    sich ihn, kaufte dann für zehn Francs dem
    Mann einer Wäscherin, die im Hause von Frau
    Fauconnier gestorben war, ein dunkelblaues
    Wollkleid ab, das sie für ihre Figur gänzlich
    umarbeitete. Für die restlichen sieben Francs
    bekam sie ein Paar baumwollene Handschuhe,
    eine Rose für ihre Haube und Schuhe für ihren
    Ältesten, Claude. Zum Glück hatten die
    Kleinen einigermaßen anständige Kittel. Vier
    Nächte verbrachte sie damit, alles zu reinigen
    und bis auf die kleinsten Löcher in ihren
    Strümpfen und in ihrem Hemd nachzusehen.
    Am Freitagabend endlich, am Vorabend des
    großen Tages, hatten sich Gervaise und
    Coupeau, als sie von der Arbeit heimkamen,
    noch bis um elf Uhr abzuplacken. Bevor dann
    jeder bei sich schlafen ging, verbrachten sie
    zusammen eine Stunde im Zimmer der jungen
    Frau und waren sehr froh, mit dieser
    Mißlichkeit fertig zu sein. Trotz ihres
    Vorsatzes, sich wegen der Nachbarschaft kein
    Bein auszureißen, hatten sie sich die Dinge
    schließlich doch angelegen sein lassen und
    sich abgehetzt. Als sie einander gute Nacht
    sagten, schliefen sie schon im Stehen. Aber
    trotzdem stießen sie einen tiefen Seufzer der
    Erleichterung aus. Das war nun ins reine
    gebracht. Coupeau hatte Herrn Madinier und
    RöstfleischBibi als Zeugen, Gervaise rechnete
    auf Lorilleux und Boche. Man beabsichtigte,
    in Ruhe zum Standesamt und zur Kirche zu
    gehen, alle sechs, ohne eine lange Schlange
    von Leuten hinter sich herzuschleppen. Die
    beiden Schwestern des Bräutigams hatten
    sogar erklärt, sie würden zu Hause bleiben, da
    ihre Anwesenheit nicht erforderlich sei. Nur
    Mama Coupeau hatte angefangen zu weinen,
    wobei sie sagte, sie wolle lieber vorausgehen,
    um sich in einer Ecke zu verstecken; und man
    hatte versprochen, sie mitzunehmen. Was den
    Treffpunkt der ganzen Gesellschaft anging, so
    war er auf ein Uhr in der »Moulind'Argent«
    festgesetzt worden. Von dort aus wollte man in
    die Ebene von SaintDenis gehen, um sich
    Hunger zu machen; man wollte mit der Bahn
    hinfahren und zu Fuß auf der Überlandstraße
    zurückkehren. Die Partie ließ sich sehr gut an,
    kein Freßgelage, sondern ein bißchen Spaß,
    etwas Nettes und Anständiges.
    Als sich Coupeau am Sonnabendmorgen
    anzog, wurde er angesichts seines
    Zwanzigsousstückes von Besorgnis erfaßt. Es
    war ihm soeben eingefallen, daß er den
    Zeugen bis zum Abendessen höflicherweise
    ein Glas Wein und eine Scheibe Schinken
    anbieten müßte. Außerdem würden vielleicht
    unvorhergesehene Kosten entstehen. Zwanzig
    Sous reichten entschieden nicht aus. Nachdem
    er es dann übernommen hatte, Claude und
    Etienne zu Frau Boche zu schaffen, die sie
    abends zum Essen mitbringen sollte, lief er in
    die Rue de la Goutted'Or und ging
    geradeswegs hinauf, um sich zehn Francs von
    Lorilleux zu borgen. Du meine Güte, das
    kratzte Coupeau im Halse, denn er war auf die
    Grimasse

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