Der Todschlaeger
sein
breitkrempiger Hut mochten noch gehen. Als
er die zehn Francs für die Schmauserei beiseite
gelegt hatte – seine und Gervaises Zeche, die
Kinder mußten noch obendrein mit
durchgebracht werden –, blieben ihm ganz
genau sechs Francs, der Preis für eine Messe
am Armenaltar. Gewiß, er liebte die
Schwarzröcke nicht, es schnürte ihm das Herz
ab, seine sechs Francs zu diesen Schlemmern
zu tragen, die sie nicht brauchten, um sich die
Kehle frisch zu halten. Aber eine Heirat ohne
Messe – man konnte sagen, was man wollte,
das war keine Heirat. Er ging selber zur
Kirche, um zu feilschen; und eine Stunde lang
zankte er sich mit einem kleinen alten Priester
in schmutziger Soutane herum, der gaunerisch
wie eine Obsthändlerin war. Er hatte Lust, ihm
ein paar Ohrfeigen zu hauen. Dann fragte er
ihn aus Ulk, ob er in seinem Laden nicht eine
gebrauchte Messe auftreiben könne, die nicht
allzu abgenutzt sei und mit der ein gutmütiges
Paar noch einigermaßen bedient wäre.
Schließlich ließ ihm der kleine alte Priester
seine Messe für fünf Francs, wobei er
brummte, Gott würde kein Gefallen daran
haben, ihren Ehebund zu segnen. Das waren
immerhin zwanzig Sous Ersparnis. Es blieben
ihm zwanzig Sous.
Auch Gervaise legte Wert darauf, anständig
auszusehen. Sobald die Heirat beschlossen
war, richtete sie sich darauf ein, machte
abends Überstunden und schaffte es, dreißig
Francs zurückzulegen. Sie wünschte sich
sehnlichst einen kleinen seidenen Umhang, der
in der Rue du FaubourgPoissonnière mit
dreizehn Francs ausgezeichnet war. Sie leistete
sich ihn, kaufte dann für zehn Francs dem
Mann einer Wäscherin, die im Hause von Frau
Fauconnier gestorben war, ein dunkelblaues
Wollkleid ab, das sie für ihre Figur gänzlich
umarbeitete. Für die restlichen sieben Francs
bekam sie ein Paar baumwollene Handschuhe,
eine Rose für ihre Haube und Schuhe für ihren
Ältesten, Claude. Zum Glück hatten die
Kleinen einigermaßen anständige Kittel. Vier
Nächte verbrachte sie damit, alles zu reinigen
und bis auf die kleinsten Löcher in ihren
Strümpfen und in ihrem Hemd nachzusehen.
Am Freitagabend endlich, am Vorabend des
großen Tages, hatten sich Gervaise und
Coupeau, als sie von der Arbeit heimkamen,
noch bis um elf Uhr abzuplacken. Bevor dann
jeder bei sich schlafen ging, verbrachten sie
zusammen eine Stunde im Zimmer der jungen
Frau und waren sehr froh, mit dieser
Mißlichkeit fertig zu sein. Trotz ihres
Vorsatzes, sich wegen der Nachbarschaft kein
Bein auszureißen, hatten sie sich die Dinge
schließlich doch angelegen sein lassen und
sich abgehetzt. Als sie einander gute Nacht
sagten, schliefen sie schon im Stehen. Aber
trotzdem stießen sie einen tiefen Seufzer der
Erleichterung aus. Das war nun ins reine
gebracht. Coupeau hatte Herrn Madinier und
RöstfleischBibi als Zeugen, Gervaise rechnete
auf Lorilleux und Boche. Man beabsichtigte,
in Ruhe zum Standesamt und zur Kirche zu
gehen, alle sechs, ohne eine lange Schlange
von Leuten hinter sich herzuschleppen. Die
beiden Schwestern des Bräutigams hatten
sogar erklärt, sie würden zu Hause bleiben, da
ihre Anwesenheit nicht erforderlich sei. Nur
Mama Coupeau hatte angefangen zu weinen,
wobei sie sagte, sie wolle lieber vorausgehen,
um sich in einer Ecke zu verstecken; und man
hatte versprochen, sie mitzunehmen. Was den
Treffpunkt der ganzen Gesellschaft anging, so
war er auf ein Uhr in der »Moulind'Argent«
festgesetzt worden. Von dort aus wollte man in
die Ebene von SaintDenis gehen, um sich
Hunger zu machen; man wollte mit der Bahn
hinfahren und zu Fuß auf der Überlandstraße
zurückkehren. Die Partie ließ sich sehr gut an,
kein Freßgelage, sondern ein bißchen Spaß,
etwas Nettes und Anständiges.
Als sich Coupeau am Sonnabendmorgen
anzog, wurde er angesichts seines
Zwanzigsousstückes von Besorgnis erfaßt. Es
war ihm soeben eingefallen, daß er den
Zeugen bis zum Abendessen höflicherweise
ein Glas Wein und eine Scheibe Schinken
anbieten müßte. Außerdem würden vielleicht
unvorhergesehene Kosten entstehen. Zwanzig
Sous reichten entschieden nicht aus. Nachdem
er es dann übernommen hatte, Claude und
Etienne zu Frau Boche zu schaffen, die sie
abends zum Essen mitbringen sollte, lief er in
die Rue de la Goutted'Or und ging
geradeswegs hinauf, um sich zehn Francs von
Lorilleux zu borgen. Du meine Güte, das
kratzte Coupeau im Halse, denn er war auf die
Grimasse
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