Der Todschlaeger
an einem schwarzen Metalldraht zog,
den sie durch die Löcher eines im
Schraubstock eingespannten Zieheisens führte.
An dem Werktisch arbeitete Lorilleux, der
ebenfalls von kleiner Statur war, aber
schmalere Schultern hatte, mit der Spitze
seiner Zange mit einer affenartigen
Geschwindigkeit an einer Arbeit, die so fein
war, daß sie sich zwischen seinen knotigen
Fingern verlor. Als erster hob der Ehemann
den Kopf, einen länglichen und kränklichen
Kopf mit spärlichem Haar, der von der gelben
Blässe alten Wachses war.
»Aha, ihr seid es, gut, gut«, murmelte er. »Wir
haben es eilig, wißt ihr ... Kommt nicht in die
Werkstatt, das würde uns stören. Bleibt in der
Stube.« Und er nahm seine feine Arbeit wieder
auf, das Gesicht erneut im grünlichen
Widerschein einer mit Wasser gefüllten
Schusterkugel, durch die die Lampe einen
Kreis grellen Lichtes auf sein Werk sandte.
»Nimm die Stühle!« rief nun Frau Lorilleux.
»Das ist die Dame, nicht wahr? Sehr gut, sehr
gut!« Sie hatte den Draht aufgewickelt; sie
brachte ihn zur Schmiede, und dort fachte sie
die Glut mit einem breiten hölzernen Fächer
an und glühte ihn aus, bevor sie ihn durch die
letzten Löcher des Zieheisens zog.
Coupeau schob die Stühle vor und ließ
Gervaise am Rand des Vorhangs Platz
nehmen. Der Raum war so schmal, daß er sich
nicht neben ihr niederlassen konnte. Er setzte
sich hinter sie, und er beugte sich vor, um ihr
dicht an ihrem Hals Erläuterungen über die
Arbeit zu geben. Die junge Frau, die von dem
seltsamen Empfang der Lorilleux bestürzt war
und der unter ihren schief en Blicken
unbehaglich wurde, verspürte ein Sausen in
den Ohren, das sie daran hinderte, etwas zu
verstehen. Sie fand, daß die Frau für ihre
dreißig Jahre sehr alt wirkte, mürrisch und
unsauber aussah mit ihrem Kuhschwanzhaar,
das sich über ihrer aufgegangenen Unterjacke
zusammengerollt hatte. Der nur ein Jahr ältere
Mann kam ihr wie ein Greis vor, mit dünnen,
boshaften Lippen, in Hemdsärmeln, die
nackten Füße in ausgetretenen Pantoffeln. Und
was sie besonders aus der Fassung brachte,
war die Kärglichkeit der Werkstatt, die
besudelten Wände, das glanzlose alte Eisen
der Werkzeuge, der ganze schwarze Schmutz,
der hier in dem Gerumpel eines
Schrotthändlers herumlag. Es War schrecklich
heiß. Schweißtropfen perlten auf Lorilleux'
grün gewordenem Gesicht, während sich Frau
Lorilleux entschloß, ihre Unterjacke
auszuziehen und mit nackten Armen und auf
die herabhängenden Brüste anklatschendem
Hemd dastand.
»Und das Gold?« fragte Gervaise halblaut.
Ihre unruhigen Blicke durchwühlten die Ecken
und suchten unter all diesem Dreck den Glanz,
von dem sie geträumt hatte.
Aber Coupeau hatte zu lachen begonnen.
»Das Gold?« sagte er. »Sehen Sie, da ist
welches, da ist noch welches, und da zu ihren
Füßen ist welches!«
Er hatte nacheinander auf den dünner
gewordenen Draht, den seine Schwester
bearbeitete, und auf ein anderes Bündel Draht
gewiesen, das wie ein Packen Eisendraht
aussah und neben dem Schraubstock an der
Wand hing; dann hatte er, sich auf alle viere
niederlassend, soeben auf der Erde unter dem
Lattenrost, der den Fliesenboden der Werkstatt
bedeckte, ein Stück Abfall aufgelesen, ein
Drähtchen, das der Spitze einer verrosteten
Nähnadel glich. Gervaise erhob laut
Einspruch. Das sei doch nicht etwa Gold,
dieses schwärzliche Metall, das häßlich wie
Eisen war! Er mußte das Abfallstück anbeißen
und ihr die von seinen Zähnen herrührende
glänzende Einkerbung zeigen. Und er setzte
seine Erklärungen fort: die Arbeitgeber
lieferten das Gold als Draht, fertig legiert; die
Arbeiter zögen ihn zuerst durch das Zieheisen,
um ihn auf die gewünschte Stärke zu bringen,
wobei sie darauf achten müßten, ihn während
des Arbeitsvorgangs fünf oder sechsmal
auszuglühen, damit er nicht reiße. Oh, dazu
brauche man feste Fäuste und Übung! Seine
Schwester lasse ihren Mann nicht das
Zieheisen anfassen, weil er huste. Sie habe
famose Arme, er habe gesehen, wie sie das
Gold so dünn wie ein Haar zog.
Von einem Hustenanfall erfaßt, krümmte sich
inzwischen Lorilleux auf seinem Hocker.
Mitten in dem heftigen Hustenanfall redete er
und sagte mit erstickter Stimme, immer noch
ohne Gervaise anzusehen, als stelle er die
Tatsache einzig und allein für sich fest:
»Ich, ich mache die Säule.«
Coupeau nötigte Gervaise aufzustehen. Sie
könne gern näher
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