Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
Vom Netzwerk:
breiten
    Blitzen durchzuckte Nacht. RöstfleischBibi
    sagte mehrmals lachend, es würde bestimmt
    gleich Schusterjungen regnen. Da brach das
    Gewitter mit äußerster Gewalt los. Eine halbe
    Stunde lang goß es wie mit Eimern, und der
    Donner grollte unablässig. Die vor der Tür
    stehenden Männer betrachteten den grauen
    Schleier des Wolkenbruchs, die
    angeschwollenen Gossen und den
    umherfliegenden Wasserstaub, der von den
    plätschernden Pfützen auf stieg. Die Frauen
    hatten sich erschrocken hingesetzt und hielten
    die Hände vor die Augen. Es wurde nicht mehr
    gesprochen, allen war ein wenig die Kehle
    zugeschnürt. Ein Scherz, den Boche über den
    Donner riskierte, indem er sagte, Petrus niese
    da droben, brachte niemand zum Lächeln.
    Aber als die Donnerschläge seltener wurden
    und sich in der Ferne verloren, begann die
    Gesellschaft wieder ungeduldig zu werden,
    wurde böse auf das Gewitter, fluchte und
    drohte dem Regengewölk mit der Faust. Nun
    fiel von dem aschfarbenen Himmel ein feiner,
    nicht endender Regen.
    »Es ist zwei Uhr durch«, rief Frau Lorilleux.
    »Wir können doch hier nicht schlafen!«
    Als Fräulein Remanjou davon sprach,
    trotzdem aufs Land hinaus zu gehen, selbst
    wenn man am Festungsgraben haltmachen
    sollte, erhob die Hochzeitsgesellschaft laut
    Einspruch: die Wege mußten ja schön
    aussehen, man könnte sich nicht mal ins Gras
    setzen; außerdem scheine es noch nicht zu
    Ende zu sein, vielleicht gäbe es noch mal
    einen Guß.
    Coupeau, der einem durchnäßten Arbeiter
    nachblickte, der ruhig durch den Regen ging,
    murmelte:
    »Wenn dieser Schafskopf MeineBotten auf der
    Landstraße nach SaintDenis auf uns wartet,
    holt er sich ja keinen Sonnenstich.«
    Das rief Gelächter hervor. Doch die schlechte
    Laune nahm zu. Es wurde schließlich
    sterbenslangweilig. Man mußte irgend etwas
    beschließen. Zweifellos hatte man nicht die
    Absicht, sich so bis zum Abendessen
    gegenseitig anzustarren. Darauf zerbrach man
    sich angesichts des hartnäckigen
    Wolkenbruchs eine Viertelstunde lang den
    Kopf. RöstfleischBibi schlug vor, Karten zu
    spielen. Boche, der unanständig und hämisch
    veranlagt war, kannte ein sehr drolliges
    Spielchen, das Beichtvaterspiel. Frau Gaudron
    sprach davon, nach der Chaussée de
    Clignancourt zu gehen, um Zwiebelkuchen zu
    essen. Frau Lerat hätte gern gewünscht, daß
    man Geschichten erzähle. Gaudron langweilte
    sich nicht, fühlte sich wohl hier und machte
    nur das Angebot, sich sofort zu Tisch zu
    begeben. Und bei jedem Vorschlag stellte man
    Erörterungen an, ärgerte man sich: das sei
    dumm, dabei würden alle einschlafen, man
    halte sie wohl für Hosenmätze. Als sich dann
    Lorilleux, der auch seine Meinung sagen
    wollte, etwas ganz Einfaches einfallen ließ,
    nämlich einen Spaziergang über die äußeren
    Boulevards bis zum Friedhof PèreLachaise12,
    wo man das Grab Héloises und Abaelards13
    ansehen könnte, wenn man Zeit hätte, platzte
    Frau Lorilleux los, die nicht mehr an sich
    halten konnte. Sie haue ab! Jawohl, das täte
    sie! Mache man sich etwa über die Leute
    lustig? Sie habe sich angezogen, sie habe
    Regen abgekriegt, und das alles bloß, um in
    einer Weinschenke eingesperrt zu werden!
    Nein, nein, sie habe genug von so einer
    Hochzeit, sie sei lieber zu Hause.
    Coupeau und Lorilleux mußten die Tür
    verstellen.
    Sie sagte immer wieder:
    »Geht weg da! Ich sage euch, daß ich gehe!«
    Als es ihrem Mann gelungen war, sie zu
    beruhigen, trat Coupeau zu Gervaise, die
    immer noch still in ihrer Ecke saß und mit
    ihrer Schwiegermutter und Frau Fauconnier
    plauderte.
    »Aber Sie schlagen ja gar nichts vor«, sagte er
    und wagte noch nicht, sie zu duzen.
    »Oh, ich bin mit allem einverstanden«,
    antwortete sie lachend. »Ich bin nicht schwer
    zufriedenzustellen. Ob wir weggehen oder
    nicht weggehen, mir ist das gleich. Ich fühle
    mich sehr wohl, und mehr verlange ich nicht.«
    Und tatsächlich war ihr Gesicht ganz
    erleuchtet von einer stillen Freude. Seitdem
    die Gäste da waren, sprach sie mit jedem mit
    etwas leiser und bewegter Stimme, gab sich
    vernünftig und mischte sich nicht in die
    Streitigkeiten ein. Während des Gewitters war
    sie mit starren Augen sitzen geblieben und
    hatte in die Blitze geschaut, als sähe sie sehr
    fern in der Zukunft ernste Dinge bei diesem
    jähen Aufleuchten.
    Herr Madinier hatte jedoch noch nichts
    vorgeschlagen.

    Er

    lehnte

    mit
    auseinandergebreiteten Frackschößen am
    Schanktisch und wahrte seine

Weitere Kostenlose Bücher