Der Todschlaeger
breiten
Blitzen durchzuckte Nacht. RöstfleischBibi
sagte mehrmals lachend, es würde bestimmt
gleich Schusterjungen regnen. Da brach das
Gewitter mit äußerster Gewalt los. Eine halbe
Stunde lang goß es wie mit Eimern, und der
Donner grollte unablässig. Die vor der Tür
stehenden Männer betrachteten den grauen
Schleier des Wolkenbruchs, die
angeschwollenen Gossen und den
umherfliegenden Wasserstaub, der von den
plätschernden Pfützen auf stieg. Die Frauen
hatten sich erschrocken hingesetzt und hielten
die Hände vor die Augen. Es wurde nicht mehr
gesprochen, allen war ein wenig die Kehle
zugeschnürt. Ein Scherz, den Boche über den
Donner riskierte, indem er sagte, Petrus niese
da droben, brachte niemand zum Lächeln.
Aber als die Donnerschläge seltener wurden
und sich in der Ferne verloren, begann die
Gesellschaft wieder ungeduldig zu werden,
wurde böse auf das Gewitter, fluchte und
drohte dem Regengewölk mit der Faust. Nun
fiel von dem aschfarbenen Himmel ein feiner,
nicht endender Regen.
»Es ist zwei Uhr durch«, rief Frau Lorilleux.
»Wir können doch hier nicht schlafen!«
Als Fräulein Remanjou davon sprach,
trotzdem aufs Land hinaus zu gehen, selbst
wenn man am Festungsgraben haltmachen
sollte, erhob die Hochzeitsgesellschaft laut
Einspruch: die Wege mußten ja schön
aussehen, man könnte sich nicht mal ins Gras
setzen; außerdem scheine es noch nicht zu
Ende zu sein, vielleicht gäbe es noch mal
einen Guß.
Coupeau, der einem durchnäßten Arbeiter
nachblickte, der ruhig durch den Regen ging,
murmelte:
»Wenn dieser Schafskopf MeineBotten auf der
Landstraße nach SaintDenis auf uns wartet,
holt er sich ja keinen Sonnenstich.«
Das rief Gelächter hervor. Doch die schlechte
Laune nahm zu. Es wurde schließlich
sterbenslangweilig. Man mußte irgend etwas
beschließen. Zweifellos hatte man nicht die
Absicht, sich so bis zum Abendessen
gegenseitig anzustarren. Darauf zerbrach man
sich angesichts des hartnäckigen
Wolkenbruchs eine Viertelstunde lang den
Kopf. RöstfleischBibi schlug vor, Karten zu
spielen. Boche, der unanständig und hämisch
veranlagt war, kannte ein sehr drolliges
Spielchen, das Beichtvaterspiel. Frau Gaudron
sprach davon, nach der Chaussée de
Clignancourt zu gehen, um Zwiebelkuchen zu
essen. Frau Lerat hätte gern gewünscht, daß
man Geschichten erzähle. Gaudron langweilte
sich nicht, fühlte sich wohl hier und machte
nur das Angebot, sich sofort zu Tisch zu
begeben. Und bei jedem Vorschlag stellte man
Erörterungen an, ärgerte man sich: das sei
dumm, dabei würden alle einschlafen, man
halte sie wohl für Hosenmätze. Als sich dann
Lorilleux, der auch seine Meinung sagen
wollte, etwas ganz Einfaches einfallen ließ,
nämlich einen Spaziergang über die äußeren
Boulevards bis zum Friedhof PèreLachaise12,
wo man das Grab Héloises und Abaelards13
ansehen könnte, wenn man Zeit hätte, platzte
Frau Lorilleux los, die nicht mehr an sich
halten konnte. Sie haue ab! Jawohl, das täte
sie! Mache man sich etwa über die Leute
lustig? Sie habe sich angezogen, sie habe
Regen abgekriegt, und das alles bloß, um in
einer Weinschenke eingesperrt zu werden!
Nein, nein, sie habe genug von so einer
Hochzeit, sie sei lieber zu Hause.
Coupeau und Lorilleux mußten die Tür
verstellen.
Sie sagte immer wieder:
»Geht weg da! Ich sage euch, daß ich gehe!«
Als es ihrem Mann gelungen war, sie zu
beruhigen, trat Coupeau zu Gervaise, die
immer noch still in ihrer Ecke saß und mit
ihrer Schwiegermutter und Frau Fauconnier
plauderte.
»Aber Sie schlagen ja gar nichts vor«, sagte er
und wagte noch nicht, sie zu duzen.
»Oh, ich bin mit allem einverstanden«,
antwortete sie lachend. »Ich bin nicht schwer
zufriedenzustellen. Ob wir weggehen oder
nicht weggehen, mir ist das gleich. Ich fühle
mich sehr wohl, und mehr verlange ich nicht.«
Und tatsächlich war ihr Gesicht ganz
erleuchtet von einer stillen Freude. Seitdem
die Gäste da waren, sprach sie mit jedem mit
etwas leiser und bewegter Stimme, gab sich
vernünftig und mischte sich nicht in die
Streitigkeiten ein. Während des Gewitters war
sie mit starren Augen sitzen geblieben und
hatte in die Blitze geschaut, als sähe sie sehr
fern in der Zukunft ernste Dinge bei diesem
jähen Aufleuchten.
Herr Madinier hatte jedoch noch nichts
vorgeschlagen.
Er
lehnte
mit
auseinandergebreiteten Frackschößen am
Schanktisch und wahrte seine
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