Der Todschlaeger
diesen Vielfraß
Meine Botten könne kein Essen stattfinden.
Und die Männer, die ihre Pfeifen angezündet
hatten, sahen ihn unverwandt mit neidischen
Blicken an, denn schließlich mußte man, um
so viel essen zu können, handfest gebaut sein!
»Ich möchte Ihre Verpflegung nicht
übernehmen«, sagte Frau Gaudron, »O nein,
bloß das nicht!«
»Hören Sie mal, Muttchen, machen Sie bloß
keine Witze«, antwortete MeineBotten mit
einem schiefen Blick auf den Bauch seiner
Nachbarin. »Sie haben ja viel mehr
verschluckt als ich.«
Man klatschte Beifall, man rief bravo, das war
gut zurückgegeben.
Es war finstere Nacht, im Raum flammten drei
Gaslampen auf, die inmitten des
Pfeifenqualms große trübe Lichtscheine
aufrührten. Nachdem die Kellner Kaffee und
Kognak serviert hatten, hatten sie soeben die
letzten Stapel schmutziger Teller weggeräumt.
Unter den drei Akazien unten begann die
Bumsmusik, ein Piston und zwei Geigen, die
sehr laut spielten, dazu Frauenlachen, das in
der warmen Nacht ein wenig heiser klang.
»Ein Brändele muß gemacht werden!« schrie
MeineBotten. »Zwei Liter Rachenputzer, viel
Zitrone und nicht viel Zucker!«
Als aber Coupeau Gervaises besorgtes Gesicht
sah, erhob er sich und erklärte, es werde nicht
noch mehr getrunken. Man habe
fünfundzwanzig Literflaschen leergemacht,
jeder seine anderthalb Liter, wobei die Kinder
wie Erwachsene mitgerechnet seien. Das sei
schon allzu reichlich. Man habe eben einen
Bissen zusammen gegessen, in guter
Freundschaft und ohne Angeberei, weil man
sich gegenseitig schätze und ein Familienfest
unter sich zu feiern wünsche. Alles sei höchst
anständig verlaufen, man sei lustig, nun dürfe
man sich nicht schweinemäßig besaufen, wenn
man die Damen achten wolle. Mit einem Wort,
man sei letzten Endes zusammengekommen,
um auf das Wohl des Brautpaares zu trinken,
und nicht, um sich einen anzutütern. Diese mit
überzeugter Stimme vorgebrachte kleine Rede
des Bauklempners, der am Ende jedes Satzes
die Hand auf die Brust gelegt hatte, fand
Lorilleux' und Herrn Madiniers lebhafte
Zustimmung. Aber die anderen, Boche,
Gaudron, RöstfleischBibi und vor allem
MeineBotten, die alle vier sehr angeheitert
waren, grinsten mit schwerer Zunge, weil sie
einen verdammt höllischen Durst hatten, der
doch begossen werden mußte.
»Wer Durst hat, hat eben Durst, und wer
keinen hat, hat eben keinen«, bemerkte
MeineBotten. »Demzufolge wird Brändele
bestellt ... Wer nicht will, der braucht ja nicht.
Die feinen Pinkel können sich ja Zuckerwasser
raufkommen lassen.«
Und als der Bauklempner dann abermals zu
predigen begann, versetzte sich der andere, der
aufgestanden war, einen Klaps auf die
Arschbacke und rief:
»Ach, weißt du, du kannst mich mal ...! Herr
Ober, zwei Liter alten Schnaps!«
Da sagte Coupeau, es sei gut, nur solle man
sofort die Zeche begleichen. Dadurch würde
Streit vermieden. Die wohlerzogenen Leute
hätten es nicht nötig, für die Säufer zu
bezahlen. Und ausgerechnet Meine Botten
fand, nachdem er lange seine Taschen
durchwühlt hatte, nur drei Francs und sieben
Sous. Warum hatte man ihn auch auf der
Landstraße nach Saint Denis so lange
herumstehen und warten lassen? Er konnte
sich ja nicht ertränken lassen, er hatte das
Hundertsousstück angerissen. Die anderen
seien schuld, jawohl! Schließlich gab er drei
Francs und behielt die sieben Sous für Tabak
am nächsten Tag.
Coupeau, der wütend war, hätte losgeprügelt,
wenn ihn Gervaise, die ganz entsetzt war und
ihn anflehte, nicht am Rock gezogen hätte. Er
entschloß sich, zwei Francs von Lorilleux zu
borgen, der, nachdem er sie ihm erst
abgeschlagen hatte, aus dem Blickfeld trat, um
sie dann doch zu leihen, denn seine Frau hätte
das bestimmt nie gewollt.
Unterdessen hatte Herr Madinier einen Teller
genommen. Die ledigen und die
alleinstehenden Damen, Frau Lerat, Frau
Fauconnier und Fräulein Remanjou, legten
diskret als erste ihr Hundertsousstück darauf.
Dann sonderten sich die Herren ab ans andere
Ende des Raumes und machten Kasse. Sie
waren fünfzehn, das belief sich also auf
fünfundsiebzig Francs. Als die fünfundsiebzig
Francs auf dem Teller lagen, gab jeder Mann
noch fünf Sous für die Kellner hinzu. Eine
Viertelstunde mühseligen Rechnens war
erforderlich, bevor alles zur Zufriedenheit
eines jeden geregelt war.
Aber als Herr Madinier, der mit dem Wirt
verhandeln wollte, den Weinhändler
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