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Der Todschlaeger

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Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Drei Millionen Bürger
    werden aus den Listen gestrichen ... Man hat
    mir gesagt, daß Bonaparte im Grunde
    genommen sehr ungehalten ist, denn er liebt
    das Volk, das hat er unter Beweis gestellt.« Er
    sei Republikaner, aber er bewundere den
    Prinzen wegen seines Onkels, eines Mannes,
    wie nie einer mehr wiederkommen würde.
    RöstfleischBibi wurde ärgerlich: er habe im
    Palais de l'Elysée31 gearbeitet, er habe
    Bonaparte gesehen, wie er MeineBotten sehe,
    hier, ihm gegenüber. Na, dieser Muffelkopf
    von einem Präsidenten ähnele einem Esel,
    jawohl! Es heiße, er wolle eine Reise in die
    Gegend von Lyon machen; man wäre ihn auf
    famose Art los, wenn er sich in einem Graben
    den Hals bräche.
    Und da die Auseinandersetzung eine häßliche
    Wendung nahm, mußte Coupeau eingreifen.
    »Na, ihr seid aber einfältig, daß ihr euch
    wegen der Politik an den Kragen geht! – So
    ein Schwindel, die Politik! Ist die denn für uns
    vorhanden? – Soll man hinsetzen, was man
    will, einen König, einen Kaiser oder überhaupt
    nichts – das wird mich nicht daran hindern,
    meine fünf Francs zu verdienen, zu essen und
    zu schlafen, stimmt's? – Nein, das ist ja zu
    dumm!«
    Lorilleux schüttelte den Kopf. Er war an
    demselben Tag geboren wie der Graf de
    Chambord32, am 29. September 1820. Dieses
    zufällige Zusammentreffen beeindruckte ihn
    sehr, erfüllte ihn mit einem unbestimmten
    Traum, in dem er die Rückkehr des Königs
    nach Frankreich und sein persönliches Glück
    in Beziehung zueinander brachte. Er sagte
    nicht genau, was er erhoffte, aber er gab zu
    verstehen, daß ihm dann etwas außerordentlich
    Angenehmes widerfahren würde. So verschob
    er es denn auch bei jedem seiner Wünsche, die
    zu groß waren, als daß sie befriedigt werden
    konnten, auf später, »wenn der König
    zurückkehren werde«.
    »Übrigens habe ich eines Abends den Grafen
    de Chambord gesehen ...«, erzählte er.
    Alle Gesichter wandten sich ihm zu.
    »Jawohl. Ein dicker Mann in einem Paletot,
    sieht wie ein gutmütiger Bursche aus ... Ich
    war bei Péquignot, einem Freund von mir, der
    am Boulevard de la Chapelle Möbel
    verkauft ... Der Graf de Chambord hatte am
    Tag vorher einen Regenschirm dort
    stehenlassen. Da ist er hereingekommen und
    hat ganz einfach folgendes gesagt: ›Würden
    Sie mir bitte meinen Regenschirm
    zurückgeben?‹ – Mein Gott, ja, das war er,
    Péquignot hat mir sein Ehrenwort gegeben.«
    Keiner der Gäste äußerte den geringsten
    Zweifel. Man war beim Nachtisch. Die Kellner
    räumten den Tisch mit lautem
    Geschirrklappern ab. Und Frau Lorilleux, die
    bis dahin ganz schicklich und ganz Dame
    gewesen war, entschlüpfte ein: »Verdammter
    Dreckskerl!«, weil ihr einer der Kellner beim
    Hochnehmen einer Schüssel etwas Nasses in
    den Hals hatte laufen lassen. Sicherlich hatte
    ihr Seidenkleid Flecke bekommen. Herr
    Madinier mußte sich ihren Rücken angucken,
    aber es war nichts zu sehen, das schwor er.
    Jetzt machte sich mitten auf dem Tischtuch in
    einer Salatschüssel Eierschnee breit, der von
    zwei Tellern Käse und zwei Tellern Obst
    flankiert war. Der Eierschnee, dessen zu lange
    überbackenes Eiweiß auf der gelben Creme
    schwamm, rief Andächtigkeit hervor; das hatte
    man nicht erwartet, man fand das vornehm.
    MeineBotten aß immer noch. Er hatte Brot
    nachbestellt. Er aß die beiden Käse auf, und
    als Creme übrigblieb, ließ er sich die
    Salatschüssel reichen, in die er wie zur Suppe
    dicke Scheiben Brot hineinschnitt.
    »Der Herr ist wirklich höchst beachtlich«,
    sagte Herr Madinier, der wieder in seine
    Bewunderung verfallen war.
    Alsdann erhoben sich die Männer, um ihre
    Pfeifen zur Hand zu nehmen. Sie blieben einen
    Augenblick hinter MeineBotten stehen,
    klopften ihm auf die Schultern und fragten ihn,
    ob es besser gehe. RöstfleischBibi hob ihn
    samt dem Stuhl an; aber – zum Donnerwetter!
    – der Schafskopf hatte sein Gewicht ja
    verdoppelt.
    Coupeau erzählte aus Ulk, sein Kumpel
    beginne erst in Fahrt zu kommen, jetzt werde
    er die ganze Nacht so Brot essen. Entsetzt
    verschwanden die Kellner.
    Boche, der vor einer Weile hinuntergegangen
    war, kam wieder herauf und erzählte von dem
    verdutzten Gesicht des Weinhändlers unten; er
    sitze ganz blaß an seinem Zahltisch, und die
    bestürzte Wirtin habe soeben nachsehen
    lassen, ob die Bäcker noch länger offen hätten;
    sogar die Katze des Hauses sehe ruiniert aus.
    Wahrhaftig, es sei zu spaßig, das sei das Geld
    für das Abendessen wert, ohne

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