Der Todschlaeger
Boche,
während die Damen ihre Röcke aus Furcht vor
Flecken unter das Tischtuch brachten.
Frau Lorilleux aber hatte dergleichen Scherze
nicht gern. Und die fast kalte Nudelsuppe
wurde sehr schnell gegessen, wobei die Lippen
auf den Löffeln schmatzten. Zwei Kellner in
schmierigen kleinen Jacken und mit Schürzen
von zweifelhaftem Weiß servierten. Durch die
vier offenen Fenster, die auf die Akazien des
Hofes gingen, drang das volle Tageslicht
herein, ein zu Ende gehender rein gewaschener
und noch warmer Gewittertag. Der
Widerschein der Bäume in diesem feuchten
Winkel tauchte den verräucherten Saal in
Grün, ließ Blätterschatten über das von einem
unbestimmten Schimmelgeruch feuchte
Tischtuch tanzen. Zwei Spiegel voller
Fliegendreck, an jedem Ende einer, waren
vorhanden und verlängerten den Tisch ins
unendliche, der mit dickem, gelb werdendem
Geschirr gedeckt war, auf dem sich das Fett
des Spülwassers in den Messerkratzern
schwarz abgesetzt hatte. Im Hintergrund
klappte jedesmal, wenn ein Kellner aus der
Küche heraufkam, die Tür, und es wehte ein
starker Geruch nach angebranntem Fett herein.
»Wir wollen doch nicht alle auf einmal reden«,
sagte Boche, als jeder die Nase über seinem
Teller hatte und schwieg.
Und man trank das erste Glas Wein, wobei
man mit den Augen zwei Fleischpasteten
folgte, die die Kellner auftrugen; da trat
MeineBotten ein.
»Na, ihr seid ja schöne Strolche!« rief er.
»Drei Stunden lang habe ich mir die
Fußsohlen auf der Landstraße abgelatscht, ein
Gendarm hat sogar nach meinen Papieren
gefragt ... Macht man solche Schweinereien
mit einem Freund? Hättet mir wenigstens
durch einen Dienstmann eine Droschke
schicken sollen. Also nein, wißt ihr, Scherz
beiseite, das finde ich ein starkes Stück! Dazu
hat es noch so toll geregnet, daß mir das
Wasser in den Taschen stand ... Wahrhaftig,
man könnte noch einen Brataal drin fangen.«
Die Gesellschaft bog sich vor Lachen.
MeineBotten, dieser Schafskopf, war
angetrunken, er hatte schon gut seine zwei
Liter Wein intus, bloß um sich nicht von all
diesem Gänsewein ärgern zu lassen, den das
Gewitter über seine Knochen gespuckt hatte.
»He, Graf von Hammelkeul!« sagte Coupeau.
»Setz dich dahinten neben Frau Gaudron. Du
siehst, man hat dich erwartet.«
Oh, das störe ihn weiter nicht, er würde die
anderen schon einholen; und er verlangte
dreimal Suppe nach, Teller voller Nudeln, in
die er riesige Scheiben Brot hineinschnitt. Als
man darauf die Pasteten in Angriff nahm,
wurde er zum Gegenstand tiefer Bewunderung
der ganzen Tafel. Wie der reinhaute! Die
verdutzten Kellner bildeten eine Kette, um ihm
Brot zu reichen, dünn geschnittene Stücke, die
er auf einen Bissen verschlang. Schließlich
wurde er ärgerlich; er wollte ein Brot neben
sich liegen haben. Der Weinhändler ließ sich
sehr besorgt einen Augenblick auf der
Schwelle des Gesellschaftsraumes sehen. Die
Hochzeitsgäste, die ihn erwartet hatten, bogen
sich erneut vor Lachen. Das haute ihn um, den
Kneipier! Was für ein verdammter Kerl dieser
MeineBotten doch war! Hatte er nicht eines
Tages zwölf hartgekochte Eier gegessen und
zwölf Glas Wein getrunken, während die
zwölf Schläge der Mittagszeit ertönten! Viele
findet man nicht mit diesem Schneid.
Und gerührt sah Fräulein Remanjou
MeineBotten beim Kauen zu, während Herr
Madinier, der nach einem Wort suchte, um
seinem fast ehrfürchtigen Erstaunen Ausdruck
zu verleihen, eine solche Leistungsfähigkeit
für außergewöhnlich erklärte.
Es trat Stille ein. Eben hatte ein Kellner
Kaninchenfrikassee auf einer geräumigen
Platte, die tief wie eine Salatschüssel war, auf
den Tisch gestellt.
Coupeau, der ein großer Spaßvogel war, ließ
einen schönen Witz vom Stapel.
»Hören Sie mal, Herr Ober, das ist wohl
Dachhase da ... Er miaut ja noch.«
Tatsächlich schien ein leises vortrefflich
nachgeahmtes Miauen von der Platte
auszugehen. Es war Coupeau, der das mit der
Kehle hervorbrachte, ohne die Lippen zu
bewegen; eine Begabung, die in geselligem
Kreise ihren Erfolg nie verfehlte, so daß er
niemals auswärts aß, ohne Kaninchenfrikassee
zu bestellen. Dann schnurrte er. Die Damen
tupften sich das Gesicht mit ihren Servietten
ab, weil sie zu sehr lachten.
Frau Fauconnier bat um den Kopf, sie aß nur
den Kopf gern. Fräulein Remanjou schwärmte
für die Speckscheiben. Und als Boche meinte,
er ziehe die kleinen Zwiebeln vor, wenn
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