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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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einmal
    schnarchte er.
    Da stieß Gervaise einen Seufzer der
    Erleichterung aus, war glücklich zu wissen,
    daß er endlich still war und seine Sauferei auf
    zwei guten Matratzen ausschlief. Und in das
    Schweigen hinein sprach sie mit langsamer
    und steter Stimme, ohne das kleine Tolleisen,
    das sie rasch handhabte, aus den Augen zu
    lassen:
    »Was wollen Sie? Er ist nicht bei Verstand,
    man darf sich nicht ärgern. Wenn ich mit ihm
    herumschimpfen würde, so würde das zu
    nichts führen. Lieber rede ich ihm zum Munde
    und lege ihn schlafen; da ist es wenigstens
    gleich erledigt, und ich habe meine Ruhe ...
    Außerdem ist er nicht bösartig, er liebt mich
    sehr. Sie haben es ja vorhin gesehen, er hätte
    sich in Stücke hacken lassen, um mich zu
    küssen. Das ist noch sehr nett, so was, denn es
    gibt ganz schön viele, die zu Weibern gehen,
    wenn sie getrunken haben ... Er kommt
    schnurstracks hierher nach Hause. Er scherzt
    zwar mit den Arbeiterinnen, aber weiter geht
    das nicht. Verstehen Sie, Clémence, Sie
    brauchen sich nicht beleidigt zu fühlen. Sie
    wissen ja, wie so ein besoffener Mann ist; so
    was würde Vater und Mutter umbringen und
    würde sich nicht mal dran erinnern ... Ach, ich
    verzeihe ihm von Herzen gern. Er ist wie alle
    anderen, weiß Gott!« Sie sagte diese Sachen
    schlaff, leidenschaftslos, war schon gewöhnt
    an Coupeaus Kneiptouren und fand noch
    Gründe für ihre Nachgiebigkeit ihm
    gegenüber, sah aber schon nichts Schlimmes
    mehr darin, daß er bei ihr zu Hause den
    Mädchen in die Hüften kniff. Als sie
    verstummte, sank wieder das Schweigen
    herab, wurde nicht mehr gestört.
    Frau Putois zog bei jedem Stück, das sie
    herausnahm, den Korb hervor, der tief unter
    dem Kretonnebehang stand, mit dem der
    Arbeitstisch eingefaßt war. War das Stück
    dann geplättet, reckte sie ihre Ärmchen und
    legte es auf ein Regal. Clémence fältelte ihr
    fünfunddreißigstes Männerhemd mit dem
    Eisen fertig. Die Arbeit nahm überhand; man
    hatte ausgerechnet, daß man bis elf Uhr nachts
    aufbleiben mußte, wenn man sich beeilte. Die
    ganze Werkstatt schuftete jetzt tüchtig, da sie
    keine Ablenkung mehr hatte, tappte die Eisen
    fest auf. Die nackten Arme fuhren hin und her
    und erhellten mit ihren rosigen Flecken das
    Weiß der Wäsche. Man hatte die Maschine
    nochmals mit Koks aufgefüllt, und da die
    zwischen den Laken hindurchschlüpfende
    Sonne prall auf den Ofen traf, sah man in dem
    Sonnenstrahl die große Hitze aufsteigen, eine
    unsichtbare Flamme, deren Schauder die Luft
    erbeben ließ. Unter den an der Decke
    trocknenden Röcken und Tischtüchern wurde
    es so stickig, daß Augustine, diese Schielliese,
    die mit ihrer Spucke am Ende war, einen
    Zungenzipfel über den Rand der Lippen
    gleiten ließ. Es roch nach überhitztem
    Gußeisen, sauer gewordenem Stärkewasser,
    brenzlig nach den Bügeleisen, nach einer lauen
    Badewannenschalheit, in die die vier
    Arbeiterinnen, die sich die Schultern
    ausrenkten, den herberen Geruch ihrer
    Haarknoten und ihrer triefenden Nacken
    brachten, während der Strauß großer Lilien in
    dem grün gewordenen Wasser seines
    Einmacheglases verwelkte und dabei einen
    sehr reinen, sehr starken Duft ausströmte. Und
    zuweilen rollte mitten in das Geräusch der
    Bügeleisen und des in der Maschine
    herumkratzenden Feuerhakens Coupeaus
    Schnarchen mit der Regelmäßigkeit des
    Ticktack einer riesigen Uhr, das die schwere
    Arbeit in der Werkstatt regulierte.
    An den Tagen nach einem Rausch hatte der
    Bauklempner einen Kater, einen schrecklichen
    Kater, der ihn den ganzen Tag mit zerzauster
    Mähne, verpestetem Maul und geschwollener
    und schiefer Schnauze festhielt. Er stand spät
    auf, kroch erst gegen acht Uhr aus der
    Flohkiste; und er spuckte, lungerte im Laden
    herum, konnte sich nicht entschließen, zur
    Baustelle aufzubrechen. Der Tag war wieder
    einmal verloren. Vormittags jammerte er, er
    habe Haxen wie aus Watte, er nannte sich
    einen zu großen Dummkopf, sich so das Maul
    vollzusaufen, weil einem das ja die Knochen
    aufweiche. Weiter treffe man einen Haufen
    Rumtreiber, die einem nicht den Ellbogen
    loslassen wollten; man kneipe gegen seinen
    Willen herum, gerate in allerlei Schwulitäten
    und lasse sich schließlich rankriegen, und zwar
    gewaltig! Ah, verflixt, nein, das sollte ihm
    nicht mehr passieren! Er habe nicht die
    Absicht, in der Blüte seiner Jahre beim
    Kneipier abzunippeln. Aber nach dem
    Mittagessen warf er sich in Schale und stieß
    mehrmals ein

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