Der Todschlaeger
sich in die
Höhe und lachte dabei mit dem Gelächter
eines schlechtgeschmierten Flaschenzuges.
Clémence, die sich fest auf den Arbeitstisch
aufstützte, die Handgelenke zurückgebogen
und die Ellbogen in die Luft gestreckt und
abgespreizt hielt, beugte angestrengt den Hals;
ihr ganzes nacktes Fleisch schwoll an, die
Schultern hoben sich wieder mit dem
langsamen Spiel der Muskeln, das Pochen
unter der zarten Haut hervorrief, und feucht
vor Schweiß, blähte sich der Busen im rosigen
Schatten des klaffenden Hemdes.
Da streckte er die Hände aus, er wollte
anfassen.
»Madame! Madame!« schrie Clémence.
»Bringen Sie ihn doch endlich dazu, daß er
sich ruhig verhält! – Wenn das so weitergeht,
gehe ich. Ich will mich nicht beleidigen
lassen.«
Gervaise hatte eben Frau Boches Haube auf
einen mit einem Leinentuch überzogenen
Haubenstock gelegt und tollte die Spitzen
peinlich genau mit dem kleinen Eisen. Sie
blickte gerade in dem Augenblick auf, als der
Bauklempner abermals die Hände ausstreckte
und im Hemd herumwühlte.
»Wirklich, Mann, du bist unvernünftig«, sagte
sie mit ärgerlicher Miene, als schelte sie ein
Kind aus, das sich in den Kopf setzt, Konfitüre
ohne Brot zu essen. »Du kommst jetzt mit und
legst dich schlafen.«
»Ja, legen Sie sich schlafen, Herr Coupeau,
das wird besser sein«, erklärte Frau Putois.
»Na, na«, lallte er, ohne sein Feixen
einzustellen, »ihr seid ja wieder mal ganz
schön eklig! – Man darf wohl keinen Spaß
mehr machen? Bei Frauen, da kenne ich mich
aus, ich habe bei ihnen noch nie etwas
kaputtgemacht. Man kneift eine Dame, nicht
wahr, aber weiter geht man nicht; man erweist
dem schönen Geschlecht lediglich die Ehre ...
Und außerdem, wenn jemand seine Ware zur
Schau stellt, so doch deshalb, damit man seine
Wahl trifft, stimmt's? Warum zeigt die lange
Blonde alles, was sie hat? Nein, das ist nicht
anständig ...« Und sich zu Clémence
umdrehend, sagte er: »Weißt du, mein
Schätzchen, das ist nicht recht von dir, dich so
zu haben ... Wenn es bloß deshalb ist, weil
Leute dabei sind ...« Aber er konnte nicht
weiterreden.
Ohne Heftigkeit packte Gervaise ihn mit der
einen Hand und legte ihm die andere auf den
Mund. Er sträubte sich aus Spaß, während sie
ihn in den Hintergrund des Ladens auf die
Stube zuschob. Er machte seinen Mund frei
und sagte, er wolle sich gern schlafen legen,
aber die lange Blonde solle mitkommen und
ihm die Füßchen wärmen. Dann hörte man,
wie ihm Gervaise die Schuhe auszog. Sie
kleidete ihn aus, wobei sie ihn mütterlich ein
wenig knuffte. Als sie an seiner Hose zog,
platzte er vor Lachen und ließ sich gehen,
hatte sich hintübergeworfen, mitten auf das
Bett hingesielt. Und er strampelte, er
behauptete, sie kitzele ihn. Schließlich
wickelte sie ihn sorgfältig wie ein Kind ein.
Ob er sich wenigstens wohl fühle?
Aber er antwortete nicht, er schrie nach
Clémence: »Hör mal, mein Schätzchen, ich bin
soweit, ich warte auf dich.«
Als Gervaise in den Laden zurückkehrte,
bekam die Schielliese Augustine wahrhaftig
von Clémence eine Schelle. Dazu war es
wegen eines schmutzigen Bügeleisens
gekommen, das Frau Putois auf der Maschine
gefunden hatte. Diese hatte nichtsahnend eine
ganze Unterjacke schwarz gemacht; und als
Clémence, um sich gegen den Vorwurf zu
verteidigen, sie habe ihr Eisen nicht gesäubert,
Augustine beschuldigte und trotz des unten
noch vorhandenen Fleckes verbrannter Stärke
hoch und heilig schwor, das Eisen sei nicht
ihres, hatte ihr das Lehrmädchen, das außer
sich war über eine derartige Ungerechtigkeit,
unverhohlen von vorn aufs Kleid gespuckt.
Daher die tüchtige Maulschelle. Die
Schielliese unterdrückte ihre Tränen, säuberte
das Eisen, indem sie es abkratzte und dann
abwischte, nachdem sie es mit einem
Kerzenstumpf abgerieben hatte; aber jedesmal,
wenn sie hinter Clémence vorbeigehen mußte,
sammelte sie Speichel, spuckte sie und lachte
insgeheim, wenn das langsam den Rock
entlanglief.
Gervaise machte sich wieder daran, die
Spitzen der Haube zu tollen. Und in der jähen
Stille, die eintrat, war hinten aus der
Ladenstube die schwerfällige Stimme
Coupeaus zu hören. Er blieb gutmütig, er
lachte vor sich hin und gab Satzfetzen von
sich. »Ist die aber dumm, meine Frau! – Ist die
aber dumm, mich schlafen zu legen! – Oh, das
ist ja zu dumm, am hellen Mittag, wenn man
nicht heia machen kann!« Aber auf
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