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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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dem
    Morgen bei ihrem fünfunddreißigsten
    Männerhemd angelangt.
    »Immer Wein, niemals Rachenputzer!« sagte
    auf einmal der Bauklempner, der das
    Bedürfnis verspürte, diese Erklärung
    abzugeben. »Bei Rachenputzer wird mir
    schlecht, brauche keinen!«
    Clémence nahm ein Bügeleisen mit einem mit
    Blech eingefaßten Ledergriff von der
    Maschine und näherte es ihrer Wange, um sich
    zu vergewissern, ob es heiß genug war. Sie
    streifte es auf ihrem Untersatz ab, wischte es
    an einem an ihrem Gürtel hängenden Tuch ab
    und nahm ihr fünfunddreißigstes Hemd in
    Angriff, indem sie zuerst den Einsatz und die
    beiden Ärmel plättete.
    »Ach was, Herr Coupeau«, sagte sie nach
    einer Minute, »ein Gläschen Rattengift, das ist
    nicht übel. Mir gibt das Schwung ... Und dann,
    wissen Sie, je schneller man drauf geht, um so
    drolliger ist es. Oh, ich mache mir nichts vor,
    ich weiß, daß meine Knochen nicht alt
    werden.«
    »Sie sind ja unausstehlich mit Ihren
    Beerdigungsgedanken!« unterbrach sie Frau
    Putois, die traurige Gespräche nicht leiden
    konnte.
    Coupeau war aufgestanden und wurde böse,
    weil er glaubte, man beschuldige ihn, Schnaps
    getrunken zu haben. Er schwor bei seinem
    Kopf, beim Kopf seiner Frau und seines
    Kindes, er habe nicht einen Tropfen Schnaps
    im Leibe. Er trat an Clémence heran und
    hauchte ihr ins Gesicht, damit sie es riechen
    sollte. Als er seine Nase dann über ihren
    nackten Schultern hatte, begann er zu feixen.
    Er wollte nachsehen. Nachdem Clémence den
    Rücken des Hemdes gefaltet und von beiden
    Seiten kurz übergebügelt hatte, war sie nun bei
    den Manschetten und beim Kragen. Da er sich
    jedoch immer noch an sie herandrängte,
    machte sie durch seine Schuld eine falsche
    Falte, und sie mußte die Bürste vom Rand des
    tiefen Tellers nehmen, um die Stärke wieder
    glattzustreichen.
    »Madame!« sagte sie. »Hindern Sie ihn doch
    daran, daß er so hinter mir her ist!«
    »Laß sie in Ruhe, du bist unvernünftig«,
    erklärte Gervaise ruhig. »Wir haben es eilig,
    verstehst du?«
    Eilig hätten sie es, na und? Das sei ja nicht
    seine Schuld. Er tue nichts Böses. Er fasse ja
    nicht an, er gucke bloß hin. Sei es denn nicht
    mehr erlaubt, sich die schönen Dinger
    anzugucken, die der liebe Gott geschaffen hat?
    Sie hätte immerhin verdammte Mäuschen,
    diese tolle Person, die Clémence! Sie könne
    sich für zwei Sous sehen und betasten lassen,
    niemandem würde es um sein Geld leid tun.
    Die Arbeiterin wehrte sich jedoch nicht mehr,
    lachte über diese höchst rohen Komplimente
    des angetrunkenen Mannes. Und sie ließ sich
    darauf ein, mit ihm zu scherzen.
    Er zog sie wegen der Männerhemden auf. Sie
    stecke wohl immer in Männerhemden?
    Allerdings, sie lebe darin. Ach, du lieber Gott,
    sie kenne sie genau, sie wisse, wie so was
    beschaffen sei. Durch ihre Hände seien ja
    Hunderte und aber Hunderte gegangen! Alle
    blonden und alle braunen Männer aus dem
    Viertel trügen etwas von ihrer Arbeit auf dem
    Leibe. Dabei arbeitete sie weiter, die Schultern
    von ihrem Lachen geschüttelt. Sie hatte fünf
    große Falten auf der Innenseite des Rückens
    angebracht, indem sie mit dem Eisen durch die
    Brustöffnung fuhr; sie schlug die Vorderseite
    zurück und legte sie ebenfalls mit breiten
    Strichen in Falten.
    »Da, das ist das Panier!« sagte sie und lachte
    noch lauter. Augustine, diese Schielliese,
    platzte los, so komisch kam ihr das Wort vor.
    Man schalt sie aus. So eine Rotznase, die über
    Worte lachte, die sie gar nicht verstehen
    durfte!
    Clémence reichte ihr ihr Eisen; das
    Lehrmädchen brauchte die Eisen an ihren
    Wischtüchern und Strümpfen auf, wenn sie für
    die gestärkten Stücke nicht mehr heiß genug
    waren. Aber nach diesem griff sie so
    ungeschickt, daß sie sich eine »Manschette«,
    eine lange Brandwunde am Handgelenk,
    zuzog. Und sie schluchzte, sie beschuldigte
    Clémence, sie absichtlich verbrannt zu haben.
    Die Arbeiterin, die ein sehr heißes Eisen für
    das Vorderteil des Hemdes geholt hatte,
    tröstete sie sofort, indem sie ihr drohte, sie
    werde ihr beide Ohren bügeln, wenn sie
    weiterheule. Unterdessen hatte sie ein Stück
    Wollstoff unter das Vorhemd gesteckt; sie
    schob das Eisen langsam vorwärts und ließ der
    Stärke Zeit, herauszuquellen und zu trocknen.
    Die Hemdbrust nahm die Steifheit und den
    Glanz starken Papiers an.
    »Verdammtes Weibsbild!« fluchte Coupeau,
    der mit der Hartnäckigkeit eines Betrunkenen
    hinter ihr herumtappte. Er reckte

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