Der Todschlaeger
zog die kleineren aus, um
sie wieder anzuziehen, wollte die anderen
überall untersuchen, fummelte an ihnen herum
und übte den schrullenhaften Despotismus
einer Erwachsenen aus, die Lastern frönt.
Unter ihrer Führung wurden Spiele zum
Ohrfeigen veranstaltet. Die Schar plantschte in
den bunten Wassern der Färberei umher, kam
mit bis zu den Knien blau oder rot gefärbten
Beinen aus ihnen heraus; dann entflog sie zum
Schlosser, wo sie Nägel und Eisenfeilspäne
stibitzte, und zog wieder los, um sich mitten in
den Hobelspänen des Tischlers niederzulassen,
riesigen, höchst spaßigen Haufen von
Hobelspänen, in denen man sich wälzte und
dabei den Hintern zeigte. Der Hof gehörte ihr,
hallte wider vom Radau der kleinen Schuhe,
die sich im wilden Durcheinander
überschlugen, und vom durchdringenden
Geschrei der Stimmen, die jedesmal
anschwollen, wenn die Schar wieder aufflog.
An manchen Tagen reichte sogar der Hof nicht
aus. Dann stürzte sich die Schar in die Keller,
kam wieder hoch, kletterte eine Treppe hoch,
huschte in einen Gang, kam wieder herunter,
nahm wieder eine Treppe, folgte einem
anderen Gang, und das stundenlang, ohne
müde zu werden, immerfort brüllend, das
riesige Haus mit dem Hasten schädlicher Tiere
erschütternd, die hinten in alle Winkel
losgelassen wurden.
»Ist das ein nichtsnutziges Pack!« schrie Frau
Boche. »Wirklich, die Leute müssen ja sehr
wenig zu tun haben, daß sie so viele Kinder
machen ... Und so was beklagt sich noch, daß
es kein Brot hat!«
Boche meinte, Kinder wüchsen in dem Elend
wie Pilze auf dem Mist. Die Portiersfrau schrie
den ganzen Tag, sie drohte ihnen mit ihrem
Besen. Schließlich schloß sie die Tür zu den
Kellern ab, weil sie von Pauline, der sie ein
paar Maulschellen verabfolgte, erfuhr, daß
Nana auf den Gedanken gekommen war, dort
unten im Dunkeln Doktor zu spielen; dieses
verdorbene Ding verabreichte den anderen
Medikamente mit Stöckchen.
Eines Nachmittags gab es nun einen
gräßlichen Auftritt. Das mußte übrigens ja mal
kommen. Nana hatte sich ein sehr drolliges
Spielchen ausgedacht. Sie hatte vor der
Conciergeloge einen Holzschuh von Frau
Boche gestohlen. Sie band eine Schnur an ihm
fest, begann ihn wie einen Wagen hinter sich
herzuziehen. Victor kam nun auf den Einfall,
den Holzschuh mit Apfelschalen zu füllen.
Alsdann bildete sich ein langer Zug. Den
Holzschuh ziehend, marschierte Nana voran.
Pauline und Victor schritten rechts und links
von ihr. Ordentlich folgte dann die ganze
Horde der Knirpse, zuerst die großen, danach
die sich herumstoßenden kleinen; ein Baby im
Rock, ein Dreikäsehoch, der auf dem Ohr ein
eingedrücktes Schlapphütchen trug, kam
zuletzt. Und der Zug sang irgend etwas
Trauriges, lauter Ohs und Ahs. Nana hatte
gesagt, man wolle Beerdigung spielen; die
Apfelschalen waren der Tote. Als man um den
Hof gezogen war, fing man wieder von vorn
an. Das fand man höchst spaßig.
»Was machen die denn?« murmelte Frau
Boche, die, stets mißtrauisch und auf der
Lauer, aus ihrer Conciergeloge trat, um
nachzusehen. Und als sie begriffen hatte,
schrie sie wütend: »Aber das ist ja mein
Holzschuh! Oh, diese Lumpen!« Sie teilte
Katzenköpfe aus, gab Nana Ohrfeigen auf
beide Backen, versetzte Pauline, dieser
dummen Pute, die es zuließ, daß ihrer Mutter
der Holzschuh weggenommen wurde, einen
Fußtritt.
Gervaise füllte gerade einen Eimer an der
Wasserleitung. Als sie gewahrte, daß Nana aus
der Nase blutete und vor Schluchzen erstickte,
wäre sie der Concierge beinahe an den Hals
gesprungen. Schlage man denn auf ein Kind
ein wie auf einen Ochsen? Man müsse ja kein
Herz haben, die allerverworfenste Person sein.
Natürlich antwortete Frau Boche. Wenn man
ein solches Miststück von Tochter habe, so
halte man sie hinter Schloß und Riegel.
Schließlich erschien Boche selber auf der
Schwelle der Conciergeloge, um seiner Frau
zuzuschreien, sie solle hereinkommen und sich
nicht so viel mit Dreck abgeben. Das gab ein
völliges Zerwürfnis.
Allerdings ging es zwischen den Boches und
den Coupeaus seit einem Monat überhaupt
nicht mehr gut. Gervaise, die von Natur aus
sehr freigebig war, spendierte alle
Augenblicke Literflaschen Wein, Tassen mit
Brühe, Apfelsinen, Kuchenstückchen. Eines
Abends hatte sie den Rest einer Schüssel Salat,
Gartenzichorie mit roten Rüben, in die Loge
gebracht, weil sie wußte, daß die Concierge
für einen solchen Salat zu
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