Der Todschlaeger
Arbeiterinnen mit entblößter Brust in
rötlichem Wrasen.
Da Goujet sah, daß Gervaise wegen Etienne
Ungelegenheiten hatte, und er ihn vor
Coupeaus Tritten in den Hintern bewahren
wollte, hatte er ihn zum Blasebalgziehen in
seiner Bolzenfabrik angeworben. Wenn der
Beruf eines Nagelschmieds auch wegen des
Schmutzes in der Schmiede und der
Langweiligkeit, immer auf dieselben Stücke
Eisen schlagen zu müssen, an und für sich
nichts Schmeichelhaftes an sich hatte, so war
es doch ein einträglicher Beruf, in dem man an
die zehn bis zwölf Francs täglich verdiente.
Der Kleine, der jetzt zwölf Jahre alt war,
konnte doch bald damit anfangen, wenn ihm
das Handwerk lag. Und so war Etienne ein
Band mehr zwischen der Wäscherin und dem
Schmied geworden. Dieser brachte das Kind
heim und berichtete über seine gute Führung.
Alle Welt meinte lachend zu Gervaise, Goujet
sei in sie verschossen. Sie wußte es wohl, sie
errötete wie ein junges Mädchen mit einem
Anflug von Schamhaftigkeit, die ihr die
lebhaften Tönungen eines Borsdorfer Apfels
auf die Wangen legte. Ach, der arme und liebe
Junge, er sei ja nicht lästig! Nie habe er zu ihr
von so was gesprochen, nie eine schmutzige
Handbewegung, nie ein zotenhaftes Wort. So
eine ehrliche Haut treffe man nicht oft. Und
ohne es sich eingestehen zu wollen, empfand
sie heftige Freude darüber, so geliebt zu
werden wie eine Madonna. Wenn ihr irgendein
ernsthafter Verdruß widerfuhr, dachte sie an
den Schmied; das tröstete sie. Blieben sie
allein zusammen, so waren sie durchaus nicht
verlegen; lächelnd schauten sie einander an,
offen ins Gesicht, ohne sich zu erzählen, was
sie fühlten. Es war eine vernünftige zärtliche
Zuneigung, die nicht an häßliche Dinge
dachte, weil es noch immer besser ist, die
Ruhe zu bewahren, wenn man es einrichten
kann, glücklich zu sein, auch wenn man ruhig
dabei bleibt.
Unterdessen stellte Nana gegen Ende des
Sommers das Haus auf den Kopf. Sie war
sechs Jahre alt und ließ sich wie ein
vollendeter Taugenichts an. Ihre Mutter
brachte sie jeden Morgen in eine kleine
Kostschule in der Rue Polonceau, zu Fräulein
Josse, damit sie ihr nicht dauernd vor die
Beine laufe. Dort band sie von hinten die
Kleider ihrer Mitschülerinnen fest; sie füllte
die Schnupftabakdose der Lehrerin mit Asche,
kam auf noch weniger anständige Einfälle, die
man nicht erzählen konnte. Zweimal setzte
Fräulein Josse sie vor die Tür, nahm sie dann
wieder auf, um die sechs Francs im Monat
nicht einzubüßen. Gleich nach Schluß des
Unterrichts rächte sich Nana dafür, daß man
sie eingesperrt hatte, indem sie einen
Höllenspektakel in der Toreinfahrt und auf
dem Hof veranstaltete, wohin die Plätterinnen,
denen die Ohren dröhnten, sie zum Spielen
schickten. Dort traf sie Pauline wieder, die
Tochter von Boches, und Victor, den Sohn von
Gervaises früherer Arbeitgeberin, einen
großen, läppischen Bengel von zehn Jahren,
der leidenschaftlich gern mit kleinen Mädchen
zusammen herumtollte. Frau Fauconnier, die
sich mit den Coupeaus nicht überworfen hatte,
schickte selber ihren Sohn hin. Zudem
herrschte im Hause ein ungewöhnliches
Gewimmel von Knirpsen, Schwärme von
Kindern, die zu allen Stunden des Tages die
vier Treppen herunterpolterten und wie
Scharen keifender und räuberischer Spatzen
auf das Pflaster einfielen. Allein Frau Gaudron
ließ neun los, blonde, braune, schlecht
gekämmte, schlecht geschneuzte, mit bis ans
Gesicht reichenden Hosen, auf die Schuhe
heruntergerutschten
Strümpfen
und
aufgeschlitzten Jacken, die die weiße Haut
unter dem Dreck sehen ließen. Eine andere
Frau, eine Brotausträgerin aus dem fünften
Stock, ließ sieben los. Aus allen Stuben kamen
Horden. Und in diesem Gekrabbel von
Ungeziefer mit rosigen Schnäuzchen, die
jedesmal, wenn es regnete, abgewaschen
wurden, sah man Große mit gewitzter Miene,
Dicke, die schon schmerbauchig wie Männer
waren, und winzig Kleine, die aus der Wiege
geschlüpft, noch schlecht auf den Beinen, ganz
dumm waren und auf allen vieren krochen,
wenn sie laufen wollten. Nana herrschte über
diesen Haufen Gören; sie spielte das Fräulein
»Alles hört auf mein Kommando« bei
Mädchen, die doppelt so groß waren wie sie,
und geruhte allein Pauline und Victor – enge
Vertraute, die ihre Launen unterstützten –
etwas von ihrer Macht abzutreten. Diese
erbärmliche Göre redete unaufhörlich davon,
Mama zu spielen,
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