Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
Vom Netzwerk:
»Hm! Hm!« aus, um sich zu
    beweisen, daß er noch einen schönen Baß
    hatte. Er begann, das Gelage vom Vortage
    abzustreiten, ein kleiner Schwips vielleicht. So
    einen wie ihn gebe es nicht wieder, schwer auf
    dem Posten, ein verteufelt forscher Kerl, der
    alles trinke, was er wolle, ohne mit der
    Wimper zu zucken. Alsdann bummelte er den
    ganzen Nachmittag im Viertel umher. Wenn er
    die Arbeiterinnen tüchtig geärgert hatte, gab
    ihm seine Frau zwanzig Sous, damit er sich
    hinausscherte. Er machte sich aus dem Staube
    und ging in die »PetiteCivette«47 in der Rue
    des Poissonniers seinen Tabak kaufen, wo er
    gewöhnlich eine Branntweinpflaume zu sich
    nahm, wenn er einen Freund traf. Dann haute
    er das Zwanzigsousstück vollends bei François
    an der Ecke der Rue de la Goutted'Or auf den
    Kopf, wo es einen hübschen Wein gab, der
    ganz jung war und den Schlund kitzelte. Es
    war eine Kaschemme alten Stils, ein düsterer
    Laden mit niedriger Decke und einer
    verräucherten Gaststube nebenan, in der Essen
    verkauft wurde. Und er blieb dort bis zum
    Abend und trudelte Schoppen Wein aus. Er
    bekam alles auf Pump bei Frangois, der
    ausdrücklich versprach, die Rechnung niemals
    seiner Alten vorzulegen. Nicht wahr, man
    mußte sich doch ein bißchen die Rachenrinne
    spülen, um sie von den Schlacken des
    Vortages zu befreien. Und ein Glas Wein reizt
    zum anderen. Er war übrigens immer ein
    feiner Kerl, der dem schönen Geschlecht keine
    Schnippchen schlug, der bestimmt gern einen
    Spaß machte und der sich die Nase begoß,
    wenn er dran war, aber mit Anstand und voller
    Verachtung für die Schweinereien der dem
    Alkohol verfallenen Männer, die man nicht
    aus dem Suff herauskommen sieht! Lustig und
    galant wie ein Fink pflegte er heimzukehren.
    »Ist dein Liebhaber gekommen?« fragte er
    Gervaise manchmal, um sie zu necken. »Man
    erblickt ihn ja gar nicht mehr, ich werde ihn
    holen müssen.«
    Der Liebhaber, das war Goujet. In der Tat
    vermied er es, zu oft zu kommen, aus Angst,
    zu stören und zu Gerede Anlaß zu geben. Er
    ergriff jedoch jeden Vorwand, brachte die
    Wäsche, ging unzählige Male auf dem
    Bürgersteig vorbei. Hinten im Laden gab es
    eine Ecke, wo er gern stundenlang sitzen blieb,
    ohne sich zu rühren, und seine kurze Pfeife
    rauchte. Einmal alle zehn Tage wagte er sich
    abends nach dem Essen hin, ließ sich dort
    nieder; er war nicht gerade gesprächig, sein
    Mund war wie zugenäht, der Blick auf
    Gervaise gerichtet, und er nahm seine Pfeife
    nur aus dem Mund, um über alles zu lachen,
    was sie sagte. Wenn man in der Werkstatt
    sonnabends länger aufblieb, vergaß er die Zeit
    und schien dort mehr Vergnügen zu haben, als
    wenn er ins Theater gegangen wäre.
    Manchmal plätteten die Arbeiterinnen bis drei
    Uhr morgens. Eine Lampe hing an einem
    Eisendraht von der Decke herab; der
    Lampenschirm warf ein großes Rund grellen
    Lichtes, in dem die Wäschestücke das weiche
    Weiß von Schnee annahmen. Das
    Lehrmädchen hängte die Fensterläden vor dem
    Geschäft an; aber da die Julinächte
    brennendheiß waren, ließ man die Tür zur
    Straße offen. Und je weiter die Stunde
    vorrückte, um so weiter hakten die
    Arbeiterinnen ihre Kleider auf, um es sich
    bequem zu machen. Sie hatten eine feine, im
    Schlaglicht der Lampe ganz goldige Haut,
    besonders die üppig gewordene Gervaise, mit
    den blonden, wie Seide schimmernden
    Schultern und einer Babyfalte am Hals, deren
    kleines Grübchen er nach dem Gedächtnis
    hätte zeichnen können, so gut kannte er es. Da
    wurde er von der starken Hitze der Maschine
    und vom Geruch der unter den Bügeleisen
    dampfenden Wäsche erfaßt; und er glitt in ein
    leichtes Benommensein hinüber, das Denken
    erschlafft, die Augen in Anspruch genommen
    von den Frauen, die sich abhasteten, die ihre
    nackten Arme schwenkten, die Nacht damit
    verbrachten, das Viertel in Sonntagsstaat zu
    stecken. Rings um den Laden schliefen die
    Nachbarhäuser ein, die tiefe Stille des Schlafes
    sank langsam herab. Es schlug Mitternacht,
    dann ein Uhr, dann zwei Uhr. Die Wagen, die
    Fußgänger waren verschwunden. Nun sandte
    allein die Tür einen Lichtstreifen, der einem
    auf der Erde entrollten Stück gelben Stoffs
    glich, auf die menschenleere und schwarze
    Straße hinaus. Dann und wann tönte fern ein
    Schritt, ein Mann kam näher; und wenn er den
    Lichtstreifen durchquerte, reckte er den Kopf,
    überrascht von dem Aufsetzen der Bügeleisen,
    das er hörte, und nahm die rasche Vision mit
    von

Weitere Kostenlose Bücher