Der Törichte Engel
wandte er sich ab, um zu verbergen, was er tat, als er den Lautstärkeregler betätigte. Augenblicklich hörte man die Stimme der Zentrale, die den Schichtführer rief. Metz drückte auf das Mikro am Schulterstück seines Uniformhemdes und meldete sich.
Theo stand da und versuchte, nicht zu grinsen, während die Zentrale erneut über die Lage informierte. Theo machte sich keine Gedanken um die beiden Einheiten, die oben im Wald auf dem Weg zur Kapelle waren. Er war sicher, dass sie niemanden finden würden. Wer dieser Typ in Schwarz auch sein mochte, er konnte sich in Luft auflösen, und Theo wollte lieber gar nicht wissen, wie er das machte. Theo war noch einmal zur Kapelle umgekehrt, wo er kurz gesehen hatte, wie der blonde Mann durch den Wald strich und dann verschwand. Theo hatte zu Hause angerufen, um sicherzugehen, dass mit Molly alles okay war. War es.
»Kann ich mit dem Jungen sprechen?«, fragte Theo.
»Sobald die Rettungssanitäter ihn sich angesehen haben«, sagte Metz. »Die Mutter ist unterwegs. Sie war mit ihrem Freund zum Essen in San Junipero. Der Junge ist schon wieder auf dem Damm, nur reichlich mitgenommen. Er hat ein paar Prellungen an den Armen, wo der Verdächtige ihn hochgehoben hat, ist aber ansonsten unverletzt, soweit ich sehen konnte. Der Kleine konnte nicht sagen, was der Kerl wollte. Es ist nichts entwendet worden.«
»Haben Sie eine Beschreibung?«
»Der Junge nennt uns dauernd Namen von Figuren aus Videospielen. Was wissen wir über ›Mung-Fu, den Bezwungenen‹? Haben Sie ihn sich genauer ansehen können?«
»Ja«, antwortete Theo und räusperte seinen Frosch im Hals beiseite. »Ich würde sagen, Mung-Fu trifft es ganz gut.«
»Legen Sie sich nicht mit mir an, Crowe.«
»Weiß, langes, blondes Haar, blaue Augen, glatt rasiert, eins fünfundachtzig, trägt einen schwarzen Mantel, bis auf den Boden. Seine Schuhe waren nicht zu sehen. Die Zentrale weiß Bescheid.« Dauernd musste Theo an die tiefen Schnitte in den Wangen des Blonden denken. Er fing an, in ihm einen »Ghost-bot« zu sehen. Videospiele – genau.
Metz nickte. »Die Zentrale sagt, er ist zu Fuß unterwegs. Wieso ist er Ihnen entkommen?«
»Ist dichter Wald da oben.«
Metz warf einen Blick auf Theos Gürtel. »Wo ist Ihre Waffe, Crowe?«
»Hab sie im Wagen gelassen. Wollte den Jungen nicht erschrecken.«
Wortlos ging Metz zu Theos Volvo und öffnete die Beifahrertür. »Wo?«
»Bitte?«
»Wo in Ihrem unverschlossenen Wagen liegt Ihre Waffe?«
Theo spürte, wie ihn die Kräfte verließen. Er war nicht gut, was Konfrontationen anging. »Sie liegt bei mir zu Hause.«
Metz grinste wie ein Barkeeper, der gerade eine Lokalrunde angekündigt hatte. »Wissen Sie, vielleicht sind Sie genau der Richtige für die Verfolgung dieses Verdächtigen, Theo.«
Theo konnte es nicht leiden, wenn die Sheriffs ihn bei seinem Vornamen nannten. »Wieso das, Joseph?«
»Der Junge hat gesagt, er glaubt, der Typ könnte etwas zurückgeblieben sein.«
»Versteh ich nicht«, erwiderte Theo und versuchte, nicht zu grinsen.
Kopfschüttelnd machte sich Metz auf den Weg. Er stieg in seinen Streifenwagen, und als er rückwärts an Theo vorbeikam, surrte das Beifahrerfenster herunter. »Schreiben Sie einen Bericht, Crowe. Und wir müssen den Schulen am Ort eine Beschreibung von dem Typen schicken.«
»Jetzt sind Weihnachtsferien.«
»Himmelarsch, Crowe, irgendwann werden sie ja wohl wieder zur Schule gehen, oder?«
»Dann glauben Sie also nicht, dass Ihre Jungs ihn schnappen?«
Ohne ein Wort ließ Metz die Scheibe aufwärts surren und prügelte den Streifenwagen aus der Auffahrt, als hätte er eben einen dringenden Notruf erhalten.
Theo lächelte, als er zum Haus ging. Mochte dieser Abend auch noch so aufregend, erschreckend und zutiefst sonderbar sein – plötzlich fühlte er sich gut. Molly war in Sicherheit, der Junge war in Sicherheit, der Weihnachtsbaum stand oben in der Kapelle, und es gab doch nichts Schöneres, als einem aufgeblasenen Bullen genüsslich eins reinzuwürgen. Auf der obersten Stufe blieb er stehen und überlegte einen Moment, ob er – nachdem er nun selbst schon fünfzehn Jahre im Polizeidienst war – nicht mittlerweile über diese sehr spezielle Vergnügung hinausgewachsen sein sollte.
Nö.
»Haben Sie schon mal einen erschossen?«, fragte Joshua Barker. Er saß auf einem Barhocker am Küchentresen. Ein Mann in grauer Uniform war damit beschäftigt, ihn zu untersuchen.
»Nein, ich bin
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