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Der tolle Nick

Der tolle Nick

Titel: Der tolle Nick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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unrasiertes Kinn, eine dicke Nase und den immer größer werdenden blutunterlaufenen Striemen, den sie dem Mann zugefügt hatte.
    Die Peitsche wurde ihr aus der Hand gewunden. Sie schrie den Wachen zu: »Her zu mir! Zu mir! Ihr Feiglinge!«
    Die Wachen gaben sich hilflos, legten die Waffen nieder, als ob sie im Kampf überwältigt worden wären, aber in Wahrheit war nicht ein einziger Mann verletzt worden.
    Dominica gab ihrem Pferd die Sporen und schlug fest auf die Hand, die ihre Zügel ergriffen hatte. Das Pferd preschte vorwärts, wurde aber von ihrem Angreifer zurückgehalten. »Helft mir doch, ihr Feiglinge!« schrie sie wütend.
    Doña Beatrice hatte sich halb aus ihrem Sitz erhoben, als wolle sie aussteigen. Nun sank sie langsam wieder in die Polster zurück und beobachtete mit halbgeöffneten Augen einen maskierten Reiter, der sich etwas abseits der Gruppe hielt. Sie konnte seine Stimme nicht hören, aber dessen bedurfte es gar nicht. Eine Mutter kennt ihren Sohn immer.
    Sie griff wieder nach ihrem Fächer. Gedankenvoll blickte sie ihrer Nichte nach, die man gerade zwang, die Böschung hinaufzureiten. Ein ungehöriges Vorgehen.
    Sie war überrascht, daß sich Diego derartiges ausgedacht hatte. Dann zuckte sie die Schultern und kaute gedankenverloren an einem Fingernagel. Sollte sie diesem Treiben ein Ende setzen oder nicht? Sie zweifelte nicht daran, daß sie nur ein Wort zu sagen brauchte, um Don Diego zur Räson zu bringen. Aber sollte dieses Wort auch wirklich ausgesprochen werden? Für ihre Begriffe war seine Methode nicht ganz zartfühlend, aber sie mußte zugeben, daß auch sie keinen wirkungsvolleren Weg wußte, ihre Nichte zum Gehorsam zu zwingen.
    Schließlich zuckte sie nochmals die Schultern. Don Diego sollte tun, was er für richtig hielt. Jedes Mädchen schätzt einen Mann, der ihm die starke Hand zeigt. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit der kreischenden Kammerzofe zu. »Sei bitte still. Uns greift man nicht an, und durch dieses Geschrei wird nichts besser«, sagte sie.
    Die alte Carmelita zeigte mit zitternder Hand auf die Böschung. »Señora, Señora, sie entführen die Señorita!«
    »Ich bin nicht blind«, sagte Doña Beatrice. »Und ich kann auch nichts dagegen unternehmen. Bitte, sei ruhig.«
    Die maskierten Reiter hatten Dominica in ihre Mitte genommen und bereits die Höhe der Böschung erreicht. Im nächsten Augenblick waren sie verschwunden. Einer der Leibwächter wurde von seinem Kameraden an die Kutsche herangestoßen und murmelte unverständliche Worte.
    »Ich nehme an, du weißt, was dir bevorsteht«, sagte Doña Beatrice mit schneidender Stimme. »Ich hoffe, ihr haltet mich für keinen Dummkopf. Wieviel hat Don Diego für diese Arbeit bezahlt?«
    Der Mann war völlig außer Fassung, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und murmelte unzusammenhängende Worte. »Du bist ein Narr!« sagte Doña Beatrice und begann, sich wieder Kühlung zuzufächeln. Mit einer Bewegung des Fächers rief sie den Kutscher heran. »Wohin führt mein Sohn Doña Dominica?«
    »Señora, ich weiß es nicht«, sagte der Kutscher.
    »Es wäre besser, wenn du die Wahrheit sagst«, meinte Doña Beatrice.
    Der Kutscher blickte sie an und überlegte, ob sie damit vielleicht nicht doch recht haben könnte.
    »Señora, in das Landhaus.«
    »Aha«, sagte Doña Beatrice. »Und wer ist sonst noch dort?«
    »Niemand, Señora. Außer Luis, dem Diener.«
    »Du schockierst mich!« sagte die Dame. »Ich glaube es wäre jetzt Zeit, die Kutsche aus dem Schlamm zu ziehen.«

21
    Die Reiter hielten sich dicht an Dominicas Seite, und so sehr sie sich auch mühte, es gelang ihr nicht, die Zügel wieder in die Hand zu nehmen. Sie versuchte mit allen Mitteln, ihr Pferd zum Stehen zu bringen, aber die Zügel wurden ihr stets von starker Hand entwunden. Eine Wunde am Rücken ließ das verschreckte Tier nur schneller werden. Dominica beugte sich aus dem Sattel und versetzte dem Mann, der ihre Zügel führte, einen kräftigen Schlag. Der Mann lachte, befahl ihr, ruhig zu sein, und ließ nicht locker.
    Sie kochte vor Wut und war doch absolut machtlos. Sie überlegte, ob sie nicht aus dem Sattel springen sollte. Mochte man sie lieber tragen als so schimpflich abführen! »Wer seid ihr?« keuchte sie. »Was habt ihr mit mir vor? Antwortet!«
    Niemand beantwortete ihre Fragen. Sie blickte haßerfüllt auf die maskierten Gesichter, konnte aber keinen der Männer erkennen. So blickte sie geradeaus, um zu sehen, wo man sie eigentlich

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