Der tolle Nick
betrachtete lustlos die Reiter und überlegte, daß ihre Tante beruhigt sein konnte, denn diese Männer müßten eigentlich genügen, sie vor einem einzigen Mann zu schützen, falls Beauvallet sie wirklich einholen sollte.
Der Pferdewechsel war mit jeder Poststation schon vor der Abreise vereinbart worden. Es wurden jeweils nur die stärksten flämischen Pferde vor die Kutsche gespannt, so daß die Reise rasch vor sich ging.
Die Poststraße war mit Schlaglöchern übersät, und der von der Sonne ausgetrocknete Boden war von tiefen Furchen zerschnitten. Manchmal war sie nur ein schmaler Pfad, der durch die Ebene führte, dann wand sie sich über steile Gebirgspässe dahin. In diesem Fall mußte die Zahl der Pferde verdoppelt werden, um die Kutsche über die Anhöhen zu bringen. Man übernachtete in Herbergen an der Straße, die Fahrt wurde jedoch niemals vor Einbruch der Dunkelheit unterbrochen und ging bereits am frühen Morgen wieder weiter.
Als Dominica ihre Tante eines Tages ermattet fragte, warum man sich denn so beeile, lächelte diese nur und sagte: »Wenn ich mich dazu aufraffe, eine derart unerfreuliche Reise zu unternehmen, meine Liebe, dann bin ich nicht gesonnen, dabei auch noch Zeit zu vergeuden.«
Die Dame vertrieb sich einen Großteil der Zeit auf dieser anstrengenden Reise mit geschickten Anspielungen auf Beauvallet, der in Madrid zurückgeblieben war. Sie sprach in etwas verschlüsselten Worten, mit Rücksicht auf die anwesenden Kammerzofen, aber Dominica verstand stets sehr wohl, was sie meinte.
Das Mädchen, das auf dem Sitz hin- und hergeschüttelt wurde, war um eine passende Antwort niemals verlegen. Sie reagierte prompt, und ihre Worte ließen niemals eine gewisse Schärfe vermissen. Doña Beatrice kicherte, kniff Dominica sanft in die Wangen und war sichtlich in keiner Weise beunruhigt.
Das Katz-und-Maus-Spiel wurde auf die Dauer unerträglich. Dominica machte einen Ausbruchsversuch und kündigte an, daß sie einen Teil der Reise selbst zu reiten wünsche. Tagein, tagaus in der rumpeligen Kutsche zu sitzen, so sagte sie, hätte sie gründlich satt. Wenn es ihre Tante gestatte, würde sie sich am folgenden Tag ein Pferd satteln lassen, um zumindest eine oder zwei Stunden lang zu reiten.
»Wie unruhig du doch bist, mein Kind«, bemerkte Doña Beatrice. »Du kannst natürlich tun, was dir gefällt. Junges Blut kann nicht stillsitzen. Für geziemend halte ich es allerdings nicht.«
»Es wird mich ja niemand sehen, Tante, und außerdem bin ich wirklich nicht daran gewöhnt, so eingesperrt zu sein«, sagte Dominica.
»Aber sicher«, bekräftigte Doña Beatrice und lehnte sich in die Polsterung zurück, um etwas zu ruhen.
Am folgenden Morgen wurden die entsprechenden Anweisungen gegeben. Dominica verließ die Kammer der Herberge, in der man übernachtet hatte, in Reitkleidern, fest entschlossen, um das Vorrecht, das sie sich ausbedungen hatte, bis zum letzten zu kämpfen. Dies war allerdings gar nicht nötig. Doña Beatrice bedauerte lediglich, daß Don Diego nicht mit ihnen gekommen sei, um sie auf ihrem Ritt zu begleiten, und wies einen Pferdeknecht an, sich stets in der Nähe seiner jungen Herrin aufzuhalten.
Dominica war es schwer ums Herz, aber dennoch genoß sie das Gefühl der Bewegung und der Freiheit. Sie war wenig genug geritten, seit sie nach Spanien zurückgekehrt war. Sie erinnerte sich an lange Galoppritte in Santiago und an das Gefühl der Freiheit, dieses unvergleichliche Gefühl, das sie dabei erlebt hatte. Sie war eine gute Reiterin, zeigte keinerlei Furcht und lieferte ihrem Reitknecht eine wilde Hetzjagd. Dann zügelte sie ihr Tier wieder, windzerzaust und mit geröteten Wangen, ließ sie es einen Moment lang verschnaufen und kehrte langsamer zur Kutsche zurück.
Ihre Tante hatte die Vorhänge zur Seite geschoben und hieß sie mit fragendem Gesichtsausdruck willkommen. »Du reitest ja wie Diana, mein Kind. Hast du versucht, vor mir zu flüchten?«
Dominica schob eine Locke unter ihre französische Reitkappe. »Nein, Señora, ich nehme an, das wäre sinnlos«, meinte sie offen.
Kurz darauf saß sie wieder in der Kutsche, doch war es von diesem Tag an selbstverständlich, daß für die junge Dame ein Pferd bereitgehalten wurde, falls sie den Wunsch hegen sollte, selbst zu reiten.
Wenn Dominica nicht an der Seite ihrer Tante weilte, hatte sie Gelegenheit, sich ihren eigenen Gedanken hinzugeben. Und diese Gedanken waren nicht immer erfreulich. Nicht einmal Joshuas
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