Der tolle Nick
etwas ausgedacht haben. Vielleicht habt Ihr auch nicht geglaubt, daß es ihm gelingen würde, aus dem Gefängnis auszubrechen – und doch ist er ausgebrochen. Nur Mut!« Er sah ihre traurigen Augen. »Wißt Ihr, ich glaube, daß die Herzensdame von El Beauvallet ein freundlicheres Gesicht machen sollte!«
Sie lächelte schwach. »Ja, das sollte sie wirklich«, antwortete sie und biß sich auf die Lippen. »Ich habe ihn nur einen Augenblick lang gesehen!«
»Geduld, Señorita, ich wage kühn zu behaupten, daß wir ihn sehr bald kommen hören werden.«
Sie erreichten Villanova nach zehn Uhr abends und hielten vor einer Herberge an. »Neue Lügenmärchen«, sagte Joshua, und zu Dominica gewandt: »Überlaßt alles nur mir!« Er hob sie aus dem Sattel und begann zu rufen. »He, hallo! Ein Zimmer für die edle Dame! Wirt!«
Ein wohlbeleibter Mann trat aus der beleuchteten Wirtsstube und starrte Dominica erstaunt an. Sie dachte, daß es seltsam genug aussehen mußte, daß sie mitten in der Nacht ohne Mantel, ohne Hut, ja ohne eigenes Pferd angeritten kam.
»Das war ein Abend!« rief Joshua bedeutungsvoll aus. »Ein Zimmer für meine Herrin und ein Abendessen. Macht schnell! Der edle Señor folgt uns nach.«
Der Wirt blickte Dominica lange an. »Was soll das heißen?« fragte er mißtrauisch.
Doña Dominica machte einen Schritt vorwärts. Auch sie konnte Theater spielen. »Ein Zimmer, aber rasch!« sagte sie hochmütig. »Oder wollt Ihr mich auf der Straße stehen lassen?«
Joshua verneigte sich und führte sie in den Gasthof. »Straßenräuber!« rief er dem Wirt über die Schulter zu. »Drei Kerle, und das Pferd meiner Herrin erschossen. Welch ein Unglück!«
»Straßenräuber? Behüte uns Gott!« Der Wirt bekreuzigte sich. »Und der Señor?«
»Ach, ich bin sicher, er ist den Schurken auf den Fersen«, log Joshua munter weiter. »›Was, was‹, hat er ausgerufen ›sollen sie ungestraft entkommen?‹ Die Schurken haben unsere Tragtiere mitgenommen, und nichts konnte meinen Herrn daran hindern, ihnen nachzujagen. Er ließ mich mit der Señora zurück. Er ist wirklich ein Draufgänger!«
Dominica mischte sich ein und sagte mit befehlsgewohnter Stimme: »Eine Kammer, so schnell Ihr könnt, Wirt, und ein Abendessen, während wir auf Don Tomas warten.«
Ihr Ton erzielte die gewünschte Wirkung. Offenbar war sie wirklich eine Dame. Der Wirt verneigte sich. Daß er allerdings immer noch mißtrauisch war, lag auf der Hand.
»Und er hatte guten Grund dazu!« erzählte Joshua Dimmock später. »Die Geschichte war ja auch höchst unglaubwürdig. Aber mit der Zeit sind mir die guten Lügengeschichten schon fast ausgegangen. Etwas Ungewöhnliches für mich!«
Doña Dominica wurde in ein ziemlich großes Zimmer geführt. Sie sank in einen Stuhl und sagte, um den Wirt zu täuschen: »Du hättest hinter ihnen herjagen sollen, Pedro!« Sie hob die Schulter. »Don Tomas ist zu ungestüm! Mich einfach so allein zu lassen – und jetzt kommt er noch immer nicht!« Sie sah, daß der erstaunte Wirt noch immer in der Tür stand. »Nun, mein Guter, was wollt Ihr noch?«
Er verneigte sich und versicherte im Hinauseilen, daß er ein Abendessen für sie vorbereiten würde. Ein doppelter Dukaten, den Joshua geschickt in die Finger des Wirts gleiten ließ, machte ihm den Entschluß leichter, seinen Verdacht zu unterdrücken. Doppelte Dukaten waren in seinem Dorf eine Seltenheit, und er konnte es sich wahrlich nicht leisten, einen zu verlieren.
Joshua nickte finster und deutete mit dem Daumen nach unten. »Wir machen unsere Sache gut«, sagte er. »Wenn Ihr nun gestattet, hole ich das Gepäck. Ich kann nur hoffen, daß Sir Nicholas ein zweites Pferd mitbringt. Denn auf dem meinen schleppe ich fast alle seine Kleider, und ich höre ihn schon, wie er am Morgen nach einem frischen Hemd und einem frischen Kragen ruft.«
Er war von Beauvallets Rückkehr so überzeugt, daß auch Dominica langsam daran zu glauben begann. Sie lachte und blickte auf ihr verknittertes Reitkleid. »Einen frischen Kragen für Sir Nicholas! Ich bitte dich, was hast du dann für mich, die ich nichts anderes habe als die Dinge, die ich am Leib trage?«
Joshua schüttelte den Kopf. »Eine bedeutsame Frage, Señora, das muß ich zugeben. Daran hätte man denken müssen. Aber das ist immer so, wenn mein Herr seine Launen hat. Er hat sein Gepäck und seinen Degengürtel sicher verloren. ›Auf, nach …!‹ ruft er, und ›Unverzagt!‹ Ich kenne das! Wir stürzen
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