Der tolle Nick
Raum.
Das Zimmer war leer. Ein umgestürzter Stuhl lag auf dem Boden in der Nähe des Fensters. Das Fenster war geöffnet, der Vorhang war in der Mitte durchgerissen.
Cruza und seine Männer traten ans Fenster und beugten sich hinaus. Aus einer Nische hinter der Tür trat lautlos Sir Nicholas, warf ihnen eine Kußhand zu und hatte das Zimmer auch schon verlassen.
Mehrere Stufen auf einmal nehmend, eilte er die Treppe hinab, stieg über Don Diegos Leiche und erreichte die Tür.
Im Lichtschein, der aus der Tür ins Freie fiel, konnte er eine Wache bei den Pferden erkennen. Er sprang mit einem Satz nach vorne, und bevor der Mann seiner überhaupt gewahr wurde, versetzte ihm Sir Nicholas mit seinem Degenknauf einen Schlag, der ihn sofort zu Boden stürzen ließ. Sir Nicholas ergriff die Zügel, sprang in den Sattel und richtete sich in den Steigbügeln auf.
»Kommt nur, ihr Hunde!« rief er. »Folgt El Beauvallet, wenn ihr es wagt! ›Unverzagt‹ heißt die Losung!«
Er wandte das Pferd blitzschnell um, als er die beiden Männer um die Ecke eilen sah, und folgte dem Weg, den sie gekommen waren, nach Osten, auf die Grenze zu.
24
Das Pferd, auf das er sich geschwungen hatte, war ein flinker Brauner mit kurzem Schwanz, der auf den Druck seiner Schenkel gut reagierte. Sir Nicholas ritt scharf dahin; hinter ihm erklangen Geschrei und Pferdegetrappel; hatte er doch die Pferde davongejagt, als er den Wächter niedergeschlagen hatte. Langsam verklang der Lärm, und es war nur noch das Geräusch der Hufe seines eigenen Pferdes zu hören.
An der Stelle, an welcher der Pfad in die Poststraße einmündete, hatte sich ein Haufen Menschen versammelt, die gespannt warteten und sich umsahen. Die Nachricht von der Ankunft der Garde und die Geschichte von der Beute, hinter der sie her waren, hatten sich im Dorf wie ein Lauffeuer verbreitet. Nun standen die Bauern staunend umher; einige Diener vom Gut der Carvalhos waren dabei, Lampen flackerten auf, aber der Schein des aufgehenden Mondes machte ihr Licht fast überflüssig.
Sir Nicholas sah, was ihn erwartete, und ritt wie ein Blitz in die Menge. Menschen wogten auf ihn zu, als wollten sie ihn aufhalten. Rufe klangen auf, und schon war er mitten im Gewühl. Überall herrschte Verwirrung, hier versuchte man, den stampfenden Hufen auszuweichen, dort schlug jemand wild auf den Reiter ein. Das Pferd schnaubte und bäumte sich auf, versuchte, dem Schlag eines Prügels auszuweichen, und sprang in eine Gruppe von Bauern, die zu Boden stürzten. Sir Nicholas gebrauchte seinen Degen wie einen Dreschflegel. Er erzwang sich den Weg, bis die Leute zurückwichen. Sie stürzten zu Boden, taumelten und fielen übereinander, nur um aus der Reichweite dieses Dämons zu gelangen. Der Griff am Zügel lockerte sich wieder, der Braune hatte die Menge hinter sich gelassen und galoppierte in südlicher Richtung auf jenen Pfad zu, der später nach Osten zur Grenze führte.
Hin und wieder standen Männer am Straßenrand, einige Nachzügler, die bei der Gefangennahme des Piraten dabeisein wollten. Sie alle sprangen angstvoll zur Seite, um dem tollen Pferd aus dem Weg zu gehen, das über sie hinwegzuspringen drohte, und sahen im Dämmerlicht den hochaufgerichteten Reiter mit dem blanken Degen in der Hand. Manche bekreuzigten sich, andere schrien auf, aber niemand wagte es, sich El Beauvallet in den Weg zu stellen. Die Straße nach Osten war bald gefunden, und Sir Nicholas ließ sein Pferd in etwas weniger scharfer Gangart vorangehen. Aus dem Geschrei hinter ihm erkannte er, daß man seinen Weg verraten würde.
Sir Nicholas verlangsamte sein Tempo. Der Boden war ziemlich eben, an manchen Stellen standen spärliche Grasbüschel, Sträucher und hie und da ein paar Bäume. Hinter sich hörte er dumpfes Dröhnen – seine Verfolger nahten. Sir Nicholas gab dem Pferd wieder die Sporen und ritt weiter, Meile um Meile. Er verließ den Pfad und ritt über das weite Weideland dahin. Der Hufschlag seines Braunen wurde von der weichen Erde gedämpft. Das Pferd warf den Kopf auf, es fühlte, daß man ein Wettrennen von ihm erwartete, und wurde seiner Aufgabe bestens gerecht.
Die Bäume standen nun dichter. Eichen, dachte Sir Nicholas, als sich plötzlich eine schwarze Wand vor ihm erhob. Der Pfad krümmte sich und führte schließlich in den dichten, dunklen Eichenwald. Die dichten Blätter ließen kaum einen Schimmer des Mondlichtes durch, und nur der Pfad, über dem sich die ineinanderverschlungenen Zweige etwas
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