Der tolle Nick
Mehrung des Familienvermögens, aber die Zeiten waren schlecht, und so war es nicht immer möglich, sicher durch alle Wirren und Unruhen hindurchzusteuern. So kam es, daß in diesem Jahr 1586 der gegenwärtige Inhaber des Titels nur ein Baron wie sein Vorfahre war, obwohl das Haus Beauvallet durch eine kluge Heiratspolitik mit vielen großen Familien verschwägert war.
Der siebente Baron, Sir Gerard, ein aufrechter, ruhiger Mann, hatte das neue Haus in Alreston gebaut, ein elegantes Gebäude aus roten Ziegeln und Eichenholz. Seine Gemahlin, eine zarte Frau, klagte über das rauhe Klima von Cambridgeshire und bemühte sich auf ihre sanfte Art, das alte Schloß mit seinen zugigen Winkeln, feuchten Mauern und düsteren Räumen zu meiden. Der Lord, der die zähe Konstitution seines großen Vorfahren geerbt hatte, hatte eine Vorliebe für das mittelalterliche Gebäude und sah in der Verwendung von Eichenholz ein Zeichen für die zunehmende Verweichlichung. Man behauptete von ihm, daß er ein harter Mann mit einem eisernen Willen wäre, doch gab es eine schwache Stelle in seiner Rüstung. Mylady setzte ihren Willen durch, und so erhob sich bald im milderen Klima von Hampshire auf einem Grund, der aus dem Erbe von Gerards Großmutter stammte, ein ansehnliches Gebäude im Tudorstil, umgeben von herrlichen Gärten, Ställen, Gutshöfen und weiten Feldern. Und man erkannte bald, daß der Lord trotz seiner abfälligen Reden auf das prächtige Bauwerk stolz war. So oft und sehr er auch über den Luxus der neuen Zeit wetterte, so sehr versuchte er doch, sein Haus mit allen äußeren Anzeichen dieses Luxus auszustatten, verwendete das so verachtenswürdige Eichenholz und ließ es schnitzen und bemalen, daß alle Nachbarn vor Neid erblaßten.
Dorthin also ritt Nicholas an einem hellen Frühlingsmorgen und sah das Pförtnerhaus erstmals nach einem Jahr vor sich. Die Tore standen weit offen und gewährten den Durchblick auf eine breite Auffahrt, zu deren Seiten sich ein weiter Rasen erstreckte und an deren Ende die Giebel des Herrenhauses aufragten.
Sir Nicholas zügelte sein Pferd und rief laut nach dem Pförtner. Kaum hatte dieser gesehen, wen er vor sich hatte, erstrahlte sein Gesicht vor Freude. »Ich hab’s ja geahnt, daß Ihr kommen würdet, Master Nick!«
Beauvallet schüttelte ihm gut gelaunt die Hand. »Nun, mein alter Samson? Wie geht’s?«
»Gut, Herr, und meiner Frau auch«, erwiderte Samson, und beugte sich, um Beauvallets Hand zu küssen. »Seid Ihr endlich nach Hause gekommen, Sir? Wir haben Euch sehr vermißt!«
Ein Achselzucken, ein Kopfschütteln war die Antwort. »Nein, nein, es ist nur mein Bruder, der hier gebraucht wird.«
»Ein gerechter Herr«, pflichtete ihm Samson bei. »Aber es gibt keinen auf den Gütern der Beauvallets, der sich nicht freuen würde, wenn Sir Nick endlich zu Hause bliebe.«
»Schmeichler«, spottete Beauvallet. »Was habe ich denn schon für das Land hier getan?«
»Das ist es nicht Herr«, schüttelte Samson den Kopf, wollte aber weiter nichts sagen.
Sir Nicholas lachte nur, winkte ihm nochmals und ritt durch das Tor.
Breite Treppen führten von der Auffahrt zur Terrasse und dem imposanten Eingangstor. In Töpfen standen zurechtgestutzte Eiben, und über dem Tor erblickte man das in Stein gehauene Wappen der Beauvallets. Die hohen, engen Fenster in den Erkern zu beiden Seiten des Tors waren mit Butzenscheiben verglast, und das steinerne Gesims stach gegen das sanftere Rotbraun der Ziegel kühl ab. Das Dach war mit roten Ziegeln gedeckt; hoch ragten die Kamine in den Himmel, und zwischen die vielen Giebel waren runde kleine Fenster gesetzt. Das Tor stand offen, um der warmen Frühlingsluft freien Zugang zu bieten.
Sir Nicholas sprang leichtfüßig aus dem Sattel, warf Joshua die Zügel zu und lief die Stufen hinauf. Wie ein kleiner Junge hielt er die Hände an den Mund und schrie: »Hallo, da oben! Ist denn keiner da, der Nick willkommen heißt?«
Im nächsten Augenblick zeigten sich neugierige Gesichter an den Fenstern. Die Mägde tuschelten »Sir Nicholas ist zurückgekommen!«, strichen die Kleider zurecht und zupften an den Hauben herum. Bei Sir Nicholas war man immer sicher, daß das hübscheste Mädchen einen herzhaften Kuß bekam, gleich, wie unwillig Mylady darüber sein würde.
Der behäbige Master Dawson hörte die Rufe in der Vorratskammer und eilte vors Haus, gefolgt von ein paar Lakaien und der alten Margery, die darauf brannte, ihren einstigen Zögling als
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