Der tolle Nick
seinen Leuten mit leiser Stimme einen Befehl zurief. Das Boot legte ab, die Ruder tauchten in die Wellen, und dann glitten sie leise dem Land entgegen.
Die schmale Mondsichel blitzte plötzlich durch die Wolken; Dominica sah sich um und erblickte Beauvallet hinter sich, der das Steuer hielt. Er sah angestrengt nach vorn, doch als sie sich umwandte, blickte er auf sie nieder und lächelte. Plötzlich stieg Angst in ihr hoch, und sie sagte: »Und wenn Soldaten da sind? Wenn es eine Falle ist?«
Seine Zähne leuchteten weiß zwischen Schnurrbart und Bart.
»Habt keine Angst!«
»Ihr Narr!« flüsterte sie. »Ich wünschte, Ihr wärt nicht mit uns gekommen.«
»Wie, und hätte meine Leute in eine Gefahr gejagt, der ich nicht ins Gesicht sehen wollte?« erwiderte er herausfordernd.
Sie blickte ihn an, wie er hochaufgerichtet im bleichen Licht des Mondes vor ihr stand. »Nein, das wäre nicht Eure Art gewesen«, gab sie zu. »Ich bitte Euch um Vergebung!«
Die Wolken schoben sich wieder vor den Mond; Beauvallet war nur noch ein dunkler Schatten in der Düsternis der Nacht. »Ich bin bewaffnet, Kind; habt keine Angst.«
»Es sollte doch eher, › Seid unverzagt‹ heißen«, sagte sie leise.
Sie hörte, wie er amüsiert auflachte.
Bald, nur allzubald scharrte der Kiel des Bootes am Strand. Männer kamen auf sie zugelaufen, Männer, die das Boot weiter an Land zogen, es festhielten und in leisem, bäuerlichem Spanisch Fragen stellten. Sir Nicholas suchte sich einen Weg durch das hochaufgetürmte Gepäck und die Ruderer, sprang an Land, wohin ihm der Bootsmann sofort folgte. Frage und Antwort wechselten in rascher Rede, hie und da ertönte ein scharfer Ruf, dann wieder das Gemurmel vieler Stimmen. Endlich kam Beauvallet zum Boot zurück, bis zu den Knöcheln im Wasser watend, und reichte Don Manuel die Hand. »Alles geht gut, Señor; diese ehrenwerten Männer werden Euch für eine Nacht Unterkunft geben, und Euer Diener kann morgen nach Santander reisen, um dort einen Wagen für Euch zu finden.«
Ein stämmiger Seemann hob Don Manuel an Land; seine Tochter fand sanftere Arme. Während er sie den Strand hinauftrug, drückte er sie noch einmal an sich, beugte sich nieder und küßte sie: »Bis ich wiederkomme!« sagte er und stellte sie sanft auf den Boden. »Vertraue mir!«
6
Die Venture ankerte in der Bucht von Plymouth, wo Beauvallet sie Master Culpepper überlassen hatte. Ihre Schätze wurden sicher an Land gebracht, dann wurde sie ins Dock gezogen und gereinigt, bevor sie wieder in See stechen konnte. Beauvallet blieb drei Tage in Plymouth, wo er einige Kameraden traf, erfuhr alle Neuigkeiten und kümmerte sich um sein Schiff. Dann machte er sich, begleitet von Joshua Dimmock, einem angeheuerten Diener und Packpferden, auf den Weg nach Alreston in Hampshire, wo er seinen Bruder zu treffen hoffte.
Lord Beauvallet hatte verschiedene Landsitze, verbrachte aber den größten Teil seiner Zeit in Alreston. Er besaß noch eine düstere Festung in Cambridgeshire, welche vor fast zweihundert Jahren vom Stammvater des Hauses, Simon, dem ersten Baron Beauvallet, gebaut worden war.
Dieser aus einer morganatischen Ehe entstammte Sproß des alten Hauses der Malvallets hatte sich einen neuen Namen und einen neuen Titel geschaffen. Er hatte unter Heinrich V. in Frankreich gekämpft und war nach Ende der Kämpfe nach Cambridgeshire zurückgekehrt. Er führte eine französische Gemahlin mit sich, eine Gräfin, die Ländereien und eine Festung in der Normandie besaß. Über die Taten dieses ersten Beauvallet konnte man in der Chronik seines besten Freundes, Alan, Graf von Montlice, nachlesen, der in seinen letzten Lebensjahren seine Erinnerungen niedergeschrieben hatte; ein langatmiges Werk, manchmal ins Dichterische schweifend, doch recht interessant.
Seit den Tagen des Eisernen Barons hatte das Familienvermögen ein wechselhaftes Geschick erlebt. Die französischen Besitzungen waren der englischen Linie schon frühzeitig verlorengegangen, da Simon in ständiger Fehde mit seinem Erstgeborenen lag und die Besitzungen seinem zweitgeborenen Sohn Heinrich vermachte, der damit zum Stammvater der französischen Linie wurde.
Geoffrey, der zweite Baron, überlebte die Rosenkriege, hinterließ seine Besitzungen aber in einem sehr armseligen Zustand. Sein Erbe Heinrich nahm Margaret, die Erbin von Malvallet, zur Frau – eine kluge Maßnahme, durch welche die beiden Familien vereint wurden. Alle seine Nachkommen bemühten sich um die
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