Der tolle Nick
zu sein, sie hatte ihr zurückgezogenes Leben bereits reichlich satt. Das neue Kleid gefiel ihr: Die Perlen hoben ihren schlanken Hals hervor, und das Haar unter dem Silbernetz war zu ihrer größten Zufriedenheit frisiert. Leider war sie sehr blaß, aber das Rouge ihrer Tante wollte sie dennoch nicht verwenden. Die stets tratschsüchtige Gesellschaft sollte nur sehen, wie bleich und blaß sie war, und daraus schließen, was sie wollte. Auch würde sie auf keinen Fall den hübschen Fächer aus rosafarbenen Federn tragen, den ihr ihr Vetter mit seinen Komplimenten übersandt hatte.
»Dieses Spielzeug«, sagte sie, ziemlich von oben herab, »diesen Fächer, der mir überhaupt nicht gefällt, kannst du haben, Carmelita, wenn du willst. Ich mag ihn nicht!«
»Señorita, das ist der Fächer, den Euch Don Diego gesandt hat«, versuchte Carmelita sie zu erinnern.
»Ach ja?« Dominica nahm den Fächer und betrachtete ihn von allen Seiten. »Er gefällt mir nicht, behalte ihn, wenn du willst. Ober gib ihn deiner Nichte.« Sie warf ihn beiseite und wollte nichts mehr von ihm hören.
Sie schritt die Treppe hinunter, ganz in Weiß, mit dem ergebenen Gesichtsausdruck einer Märtyrerin. Sie traf ihre Tante im Festsaal, wo Don Rodriguez an ihrer Seite stand.
Er griff sofort nach Dominicas Hand und tätschelte sie. Er fühlte sich in ihrer Gegenwart niemals unbefangen. Ihre großen Augen sahen ihn zu offen an, sie kam ihm nie in irgendeiner Weise zu Hilfe. Sie hielt ihn für einen beschränkten Menschen und verachtete ihn dementsprechend. Wenn er den Schurken spielen wollte, dann sollte er es um Gottes willen mit Anstand tun und den Dingen ins Auge sehen. Ein Schurke, der dabei aber immer noch ein Mann blieb, hätte sie nie so in Zorn versetzt wie dieser Mensch, der gegen seine eigentliche Natur den Bösewicht mimte.
Er machte ihr Komplimente, beteuerte, daß er glücklich wäre, sie hier zu sehen, und ließ nicht ab zu betonen, wie hübsch sie aussähe. Doña Beatrice, die in ihrem Kleid aus apfelgrüner Seide mit rosafarbenen Stickereien und ihrem kunstvollen Kopfputz geradezu überwältigend aussah, betrachtete sie kritisch. »Ja, du siehst gut aus«, sagte sie schließlich. »Die Männer werden bald unter deinen Fenstern Serenaden singen.«
Es war unmöglich, diesen Schmeichelein nicht zu erliegen. Dominica machte einen kleinen Knicks und sagte, daß es ihr eine Freude sei, wenn sie ihrer Tante gefiele.
Was danach folgte, löschte das Lächeln auf ihren Lippen. Don Diego kam aus dem Ballsaal in die Halle und verneigte sich mit großer Geste.
Dominica betrachtete ihn mit deutlichem Mißfallen. Ob es nun wirklich Absicht war oder nicht, Dominica war davon überzeugt, daß er sich in voller Absicht ebenfalls ganz in Weiß gekleidet hatte, um zu ihr zu passen. Er trug eine perlfarbene venezianische Kniehose, raffiniert in zartem Rosa bestickt, und ein dazupassendes Wams. Seine Halskrause war mit Silberfäden durchzogen und so groß, daß sie wie eine Schüssel aussah, auf die er den Kopf gelegt hatte. An der Seite trug er einen Degen mit juwelenbesetztem Griff, in einem Ohrläppchen funkelte ein Rubin, und in der Hand hielt er eine schneeweiße Rose.
Dominica betrachtete ihn von Kopf bis Fuß und ließ ihn ihre Verachtung spüren. Hinter ihr ertönte das leise Lachen ihrer Tante. »Welch hübscher Caballero!« rief sie aus. »Wo, frage ich, findet man einen hübscheren?«
Don Diego überhörte die Bemerkung geflissentlich. Er trat auf Dominica zu, mit jenem Lächeln auf den Lippen, das ihr so mißfiel, und küßte ihre Hand. »Schönste Kusine! Ich begrüße Euch. Dieser Ball soll zu meinen Ehren gegeben werden? Oh, nein, Euch zu Ehren! Zu Ehren der schönsten Dame in ganz Spanien!« Er ließ die Hand los und reichte ihr die Rose: »Eine weiße Rose der Rose, süße Kusine!«
»Ich möchte Euch nicht berauben, Vetter.«
Er trat einen Schritt näher an sie heran. »Gebt sie mir zurück, wenn der Ball vorüber ist. Ich werde sie dann an meinem Herzen tragen. Nun aber gestattet mir, sie an Eure Brust zu heften. Die Rose gehört der Rose.«
Sie raffte ihren Rock und wich zurück. »Behaltet Eure Rose. Was Ihr tut, ist sinnlos!«
Er sprach mit gesenkter Stimme: »Noch immer so grausam? Noch immer so kalt? Ihr, die ihr Herzen in Flammen setzt?«
»Gott wird Regen schicken, der sie löscht!« kam die Antwort, und Dominica zog sich an die Seite ihrer Tante zurück.
Eine Stunde lang blieb sie neben ihrer Tante stehen,
Weitere Kostenlose Bücher