Der tolle Nick
während immer neue Gäste eintrafen und angekündigt wurden. Die Menschen waren ihr alle unbekannt, und das Vorstellen schien kein Ende zu nehmen. Zu ihrem großen Mißvergnügen war auch Don Diego an ihrer Seite. Es mußte so aussehen, als wären sie bereits verlobt. Sie war daher sorgsam bedacht, ihn niemals anzusehen.
Mehr und mehr Menschen traten in die Halle, im Ballsaal wurde bereits getanzt, Dominica wippte unbewußt mit dem Fuß im Takt der Musik. Diego, der dies bemerkt hatte, kam ihr ganz nahe, als wolle er von ihr Besitz ergreifen. »Darf ich es wagen, auf die Ehre eines Tanzes mit Euch hoffen zu dürfen, schönste Kusine?« säuselte er.
»Ich hoffe, daß Ihr das nicht wagt. Ich tanze heute nicht.« Sie machte eine Bewegung, wie um ihm zu beteuern, ihr nicht zu nahe zu kommen. »Bittet eine andere Dame um diese Ehre«, sagte sie.
Die Stimme des Majordomos übertönte die Fiedeln und die gedämpften Gespräche der Gäste in der Halle. In der Nähe des Eingangs entstand eine Bewegung. »Monsieur le Chevalier de Guise!« rief der Majordomo und verneigte sich vor dem verspätet eintreffenden Gast.
Dominica blickte zur Tür und fragte sich, wer dieser Franzose wohl sein möge. Eine Gruppe von Herren trat auseinander, um dem Gast Raum zu machen. Nein, es war kein Franzose, sondern Sir Nicholas Beauvallet, der in die Halle trat, als befände er sich auf dem Deck seines Schiffes.
Dominica ließ beinahe ihren Fächer fallen. Sie fühlte, wie ihr der Atem wegblieb. Sie erstarrte und blickte ihn unverwandt an, ganz blaß zunächst, dann errötend. Unter all den Gedanken, die auf sie einstürzten, gab es nur einen einzigen klaren Satz: »Er ist gekommen. Er ist gekommen. Er ist gekommen.« Er durchmaß die Halle in elegantem, leichtem Schritt. Er war schlicht in Samt und Seide gekleidet und trug die elegante kleine Halskrause, die er stets getragen hatte. Eine Hand ruhte leicht auf seinem Schwertgriff, und er blickte geradewegs in Dominicas Augen. Sie sah seinen furchtlosen Blick, in dessen blauer Tiefe sie so etwas wie eine kleine triumphierende Herausforderung las, als wollte er sagen: »Habe ich nicht versprochen zu kommen?« Alles in ihr reagierte auf diesen Wagemut. Welch ein Mann! Welch ein Liebhaber für ein Mädchen! Welch ein tapferer, lachender Liebhaber!
Er war nun ganz nahe und verbeugte sich vor ihrer Tante.
»Ihr seid also doch gekommen, Chevalier«, sagte Doña Beatrice und reichte ihm die Hand. »Wir werden später miteinander plaudern. Gestattet mir, daß ich Euch meine Nichte vorstelle: Doña Dominica de Rada y Sylva. Dieser Herr, meine Liebe, ist ein Franzose, den ein glücklicher Zufall nach Spanien geführt hat. Der Chevalier de Guise.«
Dominica, die ihren Augen noch immer nicht zu trauen wagte, sah seine Hand und fühlte seinen Blick auf sich ruhen. Sie reichte ihm die Hand, und seine schlanken Finger umschlossen sie fest. Als er den Kopf neigte, um sie zu küssen, blickte sie auf sein dunkles Haar. Wenn ich jetzt etwas sage, dachte sie, wird mich meine Stimme verraten.
Er drückte einen Kuß auf ihre Hand, die er dabei nicht nur flüchtig mit den Lippen berührte. Dann richtete er sich auf und ließ ihre Hand los. »Señorita, ich bin entzückt«, sagte er. »Aber Doña Beatrice irrt. Ich bin nicht zufällig nach Spanien gekommen, ich bin in voller Absicht hierhergereist.«
Sie senkte die Lider und fühlte, wie die Röte ihre Wangen überzog. »Ach, in der Tat, Señor«, sagte sie mit schwacher Stimme.
»Mit Absicht?« bemerkte Doña Beatrice. »Welches Vergnügen erwartet Euch denn?«
Dominica blickte auf und sah das leichte Zucken in seinen Augen. Er wandte sich lachend an Doña Beatrice: »Ich soll einen Auftrag ausführen, Señora«, sagte er. Erst jetzt schien er Don Diego zu bemerken, der neben Dominica stand. »Wie schön, Euch zu treffen, Señor. Ich beglückwünsche euch zu Eurem Geburtstag.« Der spöttische Ausdruck seiner Augen verstärkte sich. »Aber Ihr seid wie für eine Hochzeit gekleidet, Señor, wie für eine Hochzeit!«
Don Diego erstarrte, ging aber dann mit leichtem Achselzucken über diesen bedauerlichen Mangel an Manieren hinweg.
»Meine Kleidung mißfällt Euch, Chevalier?« fragte er hochmütig »Aber ganz im Gegenteil!« erwiderte Sir Nicholas fröhlich. »Sie erinnert mich an meine eigene Vermählung, die nicht mehr weit ist.«
Dominicas Hand, die leicht mit dem Fächer gespielt hatte, zuckte unmerklich. Wie konnte er nur so mit dem Feuer spielen!
Weitere Kostenlose Bücher