Der tolle Nick
eher mein Geld?« fragte Dominica mit zuckersüßer Stimme.
»O doch, meine Liebe. Das lieben wir alle!« Doña Beatrice war offenbar durch nichts aus der Fassung zu bringen. Sie erhob sich aus ihrem Stuhl und streichelte leicht über die Wangen ihrer Nichte. »Schluß mit deiner Zurückgezogenheit, mein Kind. Du wirst dich jetzt häufiger in der Öffentlichkeit zeigen; und vergiß nicht, daß wir diese entsetzliche Stadt bald verlassen und woanders Frieden und Ruhe genießen können.«
Dominica blickte zu Boden, doch verschlug es ihr für einen Augenblick den Atem. »Ja, Señora«, sagte sie gehorsam. »Aber werden wir Madrid wirklich verlassen?«
»Sehr bald sogar, meine Liebe. Wir werden so bald wie möglich nach Norden, nach Vasconosa, fahren und hoffen, daß dir Diego auf dem Land besser gefallen wird als Diego in der Stadt.«
Dominica machte einen kleinen Knicks. »Das glaube ich nicht, Señora.«
»Nein? Aber du kannst es ja wenigstens versuchen, meine Liebe.« Doña Beatrice verließ den Raum, und ihre langsamen Schritte verklangen in der Ferne; dann fiel irgendwo eine Tür ins Schloß.
Dominica saß neben dem Kamin und wartete. Bald darauf hörte sie die Schritte der Zofe ihrer Tante, die an ihrer Tür vorbei nach oben ging. Don Rodriguez kam die Treppe herauf, wünschte seinem Sohn eine gute Nacht und ging in sein Zimmer. Don Diego ging noch in seinen Ankleideraum, und seiner Kusine war, als würde er Ewigkeiten darin verbringen. Endlich kam er heraus und ging durch den Vorraum in sein Schlafzimmer. Dominica hörte ihn noch einige scharfe Worte an seinen Diener richten, dann endlich fiel auch diese Tür ins Schloß. Einige Zeit war es vollkommen ruhig, dann wurde wieder eine Tür geöffnet und geschlossen – der Diener hatte Don Diego endlich zu Bett gebracht.
Die Schritte des Dieners verhallten auf der Treppe, und Stille erfüllte das Haus. Dominica wartete noch eine Weile und zählte ungeduldig die langsam dahinschleichenden Minuten. Nach einiger Zeit ging sie auf Zehenspitzen zur Tür und öffnete sie behutsam. Der Gang lag vollkommen dunkel vor ihr. Sie raffte ihren Mantel fest an sich, um ihre Gegenwart nicht durch das Rascheln des Stoffes zu verraten. Vorsichtig stahl sie sich den kurzen Gang entlang in die obere Halle. Ein Lichtstreifen unter einer der Türen verriet ihr, daß Don Diego noch wach war. Dominica verharrte auf der Stelle, bewegungslos gegen die Wand gelehnt. Wenige Minuten später erlosch das Licht. Sie eilte zurück in ihr Zimmer, legte noch einige Scheite Holz ins Feuer und ordnete vor dem Spiegel ihre Locken. Nach einiger Zeit, als sie dachte, daß Don Diego bereits eingeschlafen sein müßte, stahl sie sich erneut auf den Gang hinaus und lauschte vorsichtshalber an der Tür ihrer Kammerzofe. Sie hörte ein Schnarchen und war zufrieden, da sie wußte, wie schwierig es war, Carmelita zu wecken. Lautlos glitt sie den Gang entlang und preßte das Ohr an drei Türen. Sie mußte sicher sein, ganz sicher sein, daß alle schliefen, bevor sie Beauvallet ein Zeichen gab, denn würde er entdeckt, so würde dies seinen sicheren Tod bedeuten.
So angespannt sie aber auch lauschte, es war kein Laut zu hören. Sie schlich in ihr Zimmer zurück, schloß vorsichtig die Tür und drehte behutsam den Schlüssel um. Beim letzten Umdrehen ertönte ein Klicken, das die Stille kreischend zu durchschneiden schien. Dominica hielt atemlos ein. Das Geräusch war offenbar ungehört verhallt. Kein Laut ertönte außer dem Knabbern einer Maus, die irgendwo in der Ferne an der Wandverkleidung nagte.
Sie ging nun zum Fenster und öffnete die schweren Vorhänge. Mit der Lampe in der Hand trat sie auf den kleinen halbkreisförmigen Balkon hinaus.
Der Garten war in Mondlicht getaucht, und die Bäume warfen tiefschwarze Schatten. Plötzlich begann sich ein Schatten zu bewegen. Sie sah, wie Beauvallet den Garten durchquerte, und hob die Hand, um ihm einen Willkommensgruß zuzuwinken. Schon war er unter ihrem Balkon, sie mußte sich hinunterbeugen, um ihn sehen zu können. Wie er zu ihr heraufkommen wollte, wußte sie nicht, aber sie war sicher, daß er es schaffen würde.
Es schien überraschend einfach zu gehen. Eine Kletterrose an der Hauswand half ihm dabei. Rasch und lautlos schwang er sich empor, stützte den Fuß gegen das Eisenrohr, das die Hauswand entlanglief, schien die Entfernung zum Balkon kurz mit dem Auge abzuschätzen und warf sich nach vorne. Wie um ihm zu helfen, streckte Dominica
Weitere Kostenlose Bücher