Der Tomorrow-Code - Thriller
der um die kräftigen Lampen gelbe Lichthöfe bildete. Schon leckte der Nebel an den Rändern des Schützenlochs, in dem er kniete, kroch langsam hinein, wallte um seine Beine bis hinauf zu seiner Hüfte.
Der Nebel schien die Angst mit sich zu bringen. Sie war so greifbar, dass er glaubte, daran ersticken zu müssen. Alles in ihm drängte ihn, aufzuspringen und um sein Leben zu laufen, die Straße hinunter bis zur Stadt.
Etwas an diesem Nebel sorgte dafür, dass diese Angst stärker war als jede Todesangst, die einen Soldaten beim Kampf normalerweise packte. Es war die Angst der Ungewissheit, aber noch etwas anderes, was man nicht beschreiben konnte. Es war, als fürchtete sich nicht nur sein Verstand, sondern jede Faser seines Körpers vor dem Nebel.Als zitterte jede einzelne Zelle, die zusammen das Lebewesen bildeten, das er war, vor den unerbittlich herankriechenden weißen Schwaden.
Aber jetzt konnte er nicht mehr davonlaufen. Das hier war es – das war der ultimative Augenblick der Wahrheit für Auckland, für Neuseeland, möglicherweise sogar für die gesamte Menschheit. Hier. Hier und jetzt.
Crowe wusste auch, wenn er diesen Terror so stark empfand, dass er kaum noch denken konnte, dann musste es seinen Männern ähnlich ergehen und natürlich auch den Kiwis, die kampfbereit neben ihnen lagen.
Im Kopfhörer hörte er Mandersons Stimme. Er blickte zu ihm hinüber. Sein Freund sang. Ein altes Lied. Die aufwühlende Hymne, die schon im amerikanischen Bürgerkrieg die Soldaten des Nordens im Kampf gegen die Konföderierten gesungen hatten wie später auch die U S-Soldaten im Ersten und im Zweiten Weltkrieg: die Schlachthymne der Republik.
»Mine eyes have seen the glory of
the coming of the Lord:
He is trampling out the vintage where
the grapes of wrath are stored;
He hath loosed the fateful lightning
of His terrible swift sword:
His truth is marching on.«
Und jetzt fielen auch andere Stimmen ein, die Straße hinauf und hinunter begannen die Soldaten zu singen. Zuerst die Männer vom USABRF in ihren schwarzen Biokampfanzügen. Dann stimmten ein paar Männer mit neuseeländischem Akzent zögernd ein.
Crowe schaltete sein Kehlmikro ein und fiel in den Chor mit ein.
»Glory, glory, hallelujah!
Glory, glory, hallelujah!
Glory, glory, hallelujah!
His truth is marching on!«
Der Nebel wirbelte um die Männer herum, und noch bevor der Chor zu Ende gesunden hatte, stießen die ersten Quallen aus dem Nebel heraus zu. Die Hymne verstummte allmählich, während die Männer begannen, auf die Kreaturen einzuschlagen, die mit ihren feinen Fühlern in die Bioanzüge einzudringen versuchten.
Sie schossen direkt aus dem Nebel heran. Sie irrten nicht hin und her, sie suchten nicht, sie waren so unbeirrbar wie Lenkraketen, die auf ihr Ziel programmiert waren, wie Pfeile aus dem Nebel, mit fadendünnen Tentakeln, die hinter ihnen herwedelten.
Die Männer schlugen wie verrückt auf die Kreaturen ein, zerquetschten sie, rissen sie von ihren Armen und Anzügen und schleuderten sie von sich. Die Luft wimmelte plötzlich von Quallen.
Crowe schob den Einstellring seines Drucksprühgeräts auf »Spray« und drückte auf den Abzug. Er richtete die Düse in die Luft über den Quallen. Fünf oder sechs Quallen fielen zu Boden und wanden sich vor seinen Füßen. Ihre Oberfläche oder Haut, wenn man es überhaupt so nennen konnte, begann zu sprudeln und Blasen zu werfen. Das Salz wirkte tatsächlich, wie Crowe jetzt erkannte.
»Hier, das ist für euch, ihr Blutegel!«, brüllte Manderson neben ihm.
Crowe gab einen neuen Wasserstoß ab und brüllte den Feuerwehrleuten durch das Funkgerät seine Befehle zu.
Die meisten Quallen fielen zu Boden. Crowe sah, dass jetzt die Feuerwehrleute vor den Löschzügen die schwerenSchlauchmündungen anhoben. Ein riesiger Vorhang aus Salzwasser ging vor den Soldaten nieder – dicht wie ein zweiter Nebel.
Die Quallen fielen und sprudelten jetzt zu Hunderten, sogar zu Tausenden. Die Straße vor der Verteidigungslinie war bald übersät mit weißlichen Kreaturen, die sich nur kurz wanden und dann still liegen blieben.
Die Quallen, die er als Erste abgeschossen hatte, lagen immer noch vor seinen Füßen. Ihre Oberfläche schien sich zu verhärten, verwandelte sich in eine blassweiße Schale.
Sie waren vom Nebel nicht mehr absorbiert worden!
»Sie kommen!«, brüllte jemand in Crowes Kopfhörer, und schon sah er undeutlich den ersten Schneemann aus dem Nebel
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