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Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
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Schlüssel nahm. Doch dann holte er tief Luft und schlich sich auf Zehenspitzen durch den Raum. Sein Ziel war der Schrank, der an der Längswand des Zimmers thronte, ein wuchtiges, grob gezimmertes Teil aus Eichenholz. Sein Großvater hatte den Schrank vor vielen Jahren selbst gebaut, in der Werkstatt hinter dem Haus. Simon wusste, dass sich auf der Rückseite des Möbels ein Hebel befand, mit dem ein verborgenes Fach im Inneren geöffnet werden konnte.
    Er hatte von dem Geheimfach ein paar Tage nach dem Verschwinden seines Großvaters erfahren, als er im Zimmer der Eltern übernachten musste; sein Vater hatte Gäste gehabt, die von der Mutter in Tims und Simons Betten einquartiert worden waren. In dieser Nacht war Simon Zeuge geworden, wie sein Vater den Schlüssel zur Scheune aus dem Versteck im Schrank geholt hatte. Der Vater hatte nicht bemerkt, dass Simon wach gewesen war und ihn durch den Türspalt beobachtet hatte. Am nächsten Tag war Simon heimlich in das Arbeitszimmer geschlichen und hatte das geheime Fach im Schrank entdeckt.
    Vorsichtig schob Simon seine Hand in die Lücke zwischen der Wand und der Rückseite des Schranks. Mit seinen Fingerspitzen ertastete er die Vertiefung im Holz, und behutsam schob er den Hebel, der darin eingelassen war, zur Seite. EinKlacken war aus dem Inneren des Schranks zu hören. Das Atmen der Mutter im Nebenraum stockte kurz, dann raschelte das Bettlaken. Simon hielt die Luft an. Doch die Mutter seufzte nur und zog die Nase hoch, wenig später atmete sie wieder ruhig und gleichmäßig.
    Er wartete eine Weile, bis er sicher war, dass sie schlief. Endlich öffnete er die Schranktür, schob ein paar Bücher zur Seite und zog die verborgene Tür auf, die aus der Rückwand des Schranks hervorgesprungen war. Das Fach dahinter war hoch und recht breit. Im Inneren hing an einem Haken ein prall gefüllter Rucksack, Simon hatte ihn nur flüchtig angesehen, als er zum ersten Mal das Fach geöffnet hatte. Denn vom ersten Moment an hatte ihn der Gegenstand gefesselt, der an einem weiteren Haken hing: ein großer silberner Schlüssel. Simon biss sich vor Aufregung in die Unterlippe, als er ihn abnahm. Hastig drückte er das Fach wieder zu, verteilte die Bücher gleichmäßig vor der Klappe und schloss den Schrank. Er lauschte kurz, doch seine Mutter hatte nichts bemerkt. Auf Zehenspitzen ging Simon aus dem Zimmer.
    Er war nachdenklich, als er die Treppe hinabging. Der Schlüssel lag schwer in seiner Hand und das Metall war glatt und kalt.
    Hatte Iras Großmutter ihn nicht vor Kälte gewarnt?
    Er musste lachen. Einen Schlüssel hatte sie damit sicher nicht gemeint.
    Doch er war sich nicht sicher.

30
    Ira saß im Schatten eines Baumes und wartete auf ihn. Sie sprang auf, als er um das Haus herumkam, und blickte ihm aufgeregt entgegen. »Hast du ihn?«
    Simon nickte.
    Gemeinsam gingen sie zur Scheunentür. Simon sah sich kurz um, dann schob er den Schlüssel in das Schloss und drehte ihn. Metallteile glitten ineinander, Simon spürte die Spannung im Inneren der Mechanik. Klickend sprang die Tür einen Spalt weit auf. Noch einmal schaute er sich um. Niemand beobachtete sie. Ira nickte ihm zu, sie war so gespannt wie er.
    Simon holte tief Luft und drückte gegen die Tür. Doch zu seiner Überraschung konnte er sie kaum bewegen. Irgendetwas versperrte von innen den Weg.
    »Los, fass mal mit an.«
    Ira sprang hinzu und drückte ebenfalls, und gemeinsam gelang es ihnen, den Türflügel aufzuschieben. Ein knirschendes Geräusch war zu hören, so als ob alter Stoff zerriss, und es staubte fürchterlich. Hustend traten Simon und Ira ein paar Schritte zurück und warteten, bis sich die Staubwolke gelegt hatte. Dann gingen sie in die Scheune.
    Verblüfft sahen sie sich um.
    Das Innere des alten Gemäuers sah aus, als wäre alles in schmutzige Watte verpackt worden. Jeder Balken, jeder Ziegel, jeder Gegenstand war mit einer silbergrauen Schicht überzogen. Auch der Dachstuhl und die Wand waren verhüllt, sogar das Fenster war bedeckt. Es war fast so, als beträten sie das Innere einer Wolke. Einer kalten Wolke, wie Simon erstaunt bemerkte. Er fröstelte.
    »Was ist denn hier passiert?« Erstaunt sah Ira sich um.
    Simon antwortete nicht, ihm war etwas aufgefallen: Die Schicht funkelte matt, genau wie die Uniformen der Soldaten aus dem Tower. Ein unheimlicher Verdacht kam ihm. Vorsichtig ging er näher heran, bis er es sah: Die Watte bestand aus Millionen miteinander verklebten Fäden, winzige Spinnen

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