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Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
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Haaren, mit einer Kraft, die sie zurücktaumeln ließ. Staub wirbelte auf. Der Wind wurde stärker und kälter, er fegte den Dreck aus den Ritzen, er wurde zu einem Orkan, der durch jeden Winkel der Scheune toste und die Spinnen von ihren Fäden riss. Hustend versuchten Simon und Ira zu fliehen. Immer mehr Spinnen lösten sich aus dem Gewebe. Die Lippen und Augen zusammengekniffen, stolperten Simon und Ira weiter, auf der Suche nach der Tür. Doch in dem Sturm aus Staub und Spinnen fanden sie den Weg nicht. Simon merkte, wie die winzigen Tiere auf ihn prallten und sich an ihm festkrallten, wie sie in den Falten seiner Kleidung Schutz suchten. Er spürte, wie sie zwischen seine Haare krochen, er fühlte, wie sie in seine Ohren, seine Nasenlöcher, seinen Mund krabbeln wollten. Entsetzt schrie er auf. Auch Ira neben ihm schlug verzweifelt um sich. Ihre Stimme war voller Panik. »Wir müssen hier raus!«
    Mit der Kraft der Verzweiflung kämpfte Simon seine Furcht nieder. Er musste nachdenken! Der Türrahmen, aus dem der Sturm kam, stand direkt gegenüber der Tür auf der anderen Seite der Scheune. Sie mussten dem Wind folgen, überlegte er, sie mussten sich von ihm treiben lassen, vielleicht würden sie so den Ausgang finden.
    Simon tastete nach Iras Hand und zog sie mit sich. Immer wieder stießen sie an Gegenstände, doch es tat nicht weh, das Spinnengewebe nahm jeder Kante die Schärfe. Endlich spürte er vor sich die Wand. Jetzt konnte es nicht mehr weit sein! Neben ihm schrie Ira auf, sie riss sich los und schlug gegen ihr Ohr, um die krabbelnden Spinnen abzuschütteln. Er packte ihren Arm und zog sie mit sich, bis er die Klinke der Tür unter seine Hand spürte. »Hier geht es hinaus! Komm!« Er drückte die Klinke herab, zog die Tür auf und taumelte nach draußen. Ira folgte ihm. Geistesgegenwärtig zog Simon die Tür hinter sich zu und drehte den Schlüssel im Schloss, bevor er sich so wie Ira auf die Erde fallen ließ und sich wälzte, um die auf ihm krabbelnden Spinnen loszuwerden.
    Schließlich blieb er auf dem Boden liegen, grau vom Staub und den Körpern Hunderter toter Spinnen. Ira lag erschöpft neben ihm.
    Das Kreischen, der Staubsturm, der eiskalte Wind – es war vorbei. Vögel zwitscherten, als wäre nichts passiert.
    Simon jedoch spürte, dass etwas passiert war, etwas, was nie hätte geschehen dürfen. Er wusste nicht, was. Doch er hatte das Gefühl, einen großen Fehler gemacht zu haben.
    Er hatte Angst.

31
    Das Wasser der Dusche war heiß und sauber, und Simon genoss die klare Flüssigkeit, die an seinem Körper herabfloss. Er schloss die Augen, ließ das Wasser noch eine Weile über seinen Kopf fließen, dann drehte er den Hahn ab und tastete nach dem Handtuch, um sich abzutrocknen.
    Sie hatten kaum geredet, als sie aufgestanden und zum Haus gegangen waren, Ira und er. Ihr Anblick war furchtbar gewesen: die Haut vom Staub grau, die Kleidung verdreckt, die Haare voller Spinnenweben, in denen immer noch das eine oder andere Tier zuckte. Ira hatte am ganzen Körper gezittert. Er hatte sie in das Haus gebracht und aus der Küche einen Müllsack geholt, um ihn mit in das Bad zu nehmen. Sie hatte sich zuerst geduscht, mit großer Ausdauer, um alle Spinnen vom Körper und aus den Haaren zu spülen. Danach war er unter die Dusche gegangen.
    Als er den Duschvorhang zurückschob, stand Ira, in ihr Handtuch gewickelt, vor dem Waschbecken und kämmte sich die nassen Haare. Auch er hatte sich sein Handtuch umgebunden. Verlegen sahen sie sich an.
    Ira sprach zuerst. »Was soll ich denn jetzt anziehen?«
    »Du kannst was von mir haben.« Simon tat selbstsicher,doch er war durcheinander. Er schlug die Augen nieder, als sie ihn ansah.
    Sein Blick fiel auf den Müllsack, in die er ihre Kleidung gestopft hatte. Durch den matten Kunststoff konnten sie die Spinnen sehen, die aus den Falten der Kleidungsstücke gekrochen waren und die sich nun an die Innenseite der Tüte setzten. Sie erschraken beide, als sie sahen, wie viele es waren.
    »Mein Zimmer ist ganz oben. Du kannst dir was aus dem Schrank nehmen.«
    Ira nickte und verließ das Badezimmer. Simon nahm den Metalldorn, den er in der Scheune aus dem Türrahmen gezogen und den er am Waschbecken abgelegt hatte, und griff sich den Müllsack mit ihrer Kleidung. Zu spät hörte er die Schritte auf der Treppe: Sein Bruder kam nach Hause! Simon ließ den Plastiksack fallen und eilte Ira hinterher, um sie aufzuhalten. Doch Tim hatte sie schon gesehen.
    Ira blieb cool.

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