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Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
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krochen in dem Gewebe umher. Sie waren überall, es mussten viele Tausende sein – sie hatten das gesamte Innere der Scheune eingesponnen. Selbst der Boden, auf dem sie standen, war von dem Spinnengewebe bedeckt.
    Ira war ihm nachgekommen, jetzt entdeckte auch sie die krabbelnden Tiere. Ihr Gesicht verzog sich angewidert. »Puh, ist das ekelig.«
    Simon nickte. Auch er ekelte sich.
    Die Ersten der Tiere begannen, über ihre Schuhe zu krabbeln. Simon ahnte, wenn sie hier regungslos stehen bleiben würden, wären sie bald genauso eingesponnen wie alles in der Scheune. Angewidert schüttelte er die Spinnen von seinem Schuh. Am liebsten wäre er sofort rausgerannt. Doch er überwand sein Ekelgefühl. Er wollte Antworten auf seine Fragen finden.
    Langsam ging er tiefer in die Scheune hinein.
    »Wo willst du hin? Bist du bescheuert?« Ira war stehen geblieben. »Ich geh keinen Schritt weiter!«
    »Dann warte draußen. Pass auf, dass keiner kommt. Und lass keine von diesen Spinnen raus.«
    Ira blieb zurück. Vorsichtig, Schritt für Schritt, ging Simon in die Scheune hinein. Überall sah es gleich aus, wo er auch hinsah, krabbelten Spinnen. Ihre Fäden bedeckten alles. Manche der Gegenstände erkannte Simon an ihren Umrissen, andere waren nur noch unförmige Gebilde. Auch der Türrahmen, der leer an der Wand lehnte und in dem der Metalldorn steckte, war von einer dichten Schicht aus Spinnenfäden umhüllt.
    Nirgendwo entdeckte Simon eine Spur von Ashakida.
    Ein Geräusch ließ ihn zusammenfahren: Ira war ihm nachgekommen, jetzt trat sie neben ihn. »Mann, ist das widerlich!« Sie starrte auf die krabbelnden Spinnen. »Kannst du mir sagen, wo die alle herkommen?«
    Simon schüttelte den Kopf. »Aber ich hab so was schon mal gesehen.« Und er berichtete ihr von den Uniformen der Soldaten im Tower.
    Sie starrte ihn an, als hätte er ihr eine Gruselgeschichte erzählt. »Du verarscht mich doch, oder?«
    »Seh ich so aus?«
    »Aber wie soll das denn gehen? Kleidung aus Spinnenweben …«
    Simon zuckte mit den Achseln. »Ich schätze, du brauchst hier nur stehen zu bleiben, dann wirst auch du neu eingekleidet.« Gespielt lässig streifte er ihr eine winzige Spinne vom Ärmel. Ira schrie kurz auf.
    Simon grinste. Irgendwie fühlte es sich gut an, stärker als sie zu sein. Aber es fiel ihm nicht leicht, denn er fand die Spinnen genauso scheußlich wie sie. Die Vorstellung, die Krabbeltiere könnten sie einspinnen, war einfach ekelhaft. Ira sah gerade weg, hastig schüttelte er eine Spinne von seinem Arm.
    Plötzlich bemerkte er es: Dort, wo der Metalldorn mit der Rosen-Gravur in dem leeren Türrahmen steckte, war die graue Schicht unterbrochen. Die Spinnen hatten das münzgroße Metallstück nicht eingesponnen.
    Simon trat näher, um sich die Sache genauer anzusehen. Eine kreisrunde freie Fläche umgab das Metall, als habe jemand mit einem Zirkel einen unsichtbaren Kreis geschlagen – so wie die Passanten in der Stadt den Tower gemieden hatten, so mieden die Spinnen den Metalldorn. Simon strich behutsam mit dem Finger über die Gravur. Der Dorn wackelte etwas unter seiner Berührung, er hing nur noch locker im Holz. Das Metall glänzte matt.
    Simon stutzte. Er betrachtete die Gravur genauer: Die Blätter der Rose waren verdorrt, nur noch eine Blüte war geöffnet. Diesmal war er sich sicher: Das letzte Mal, als er die Gravur betrachtet hatte, hatten noch alle Blüten geblüht!
    Er winkte Ira zu sich. »Hier, schau dir das mal an.«
    Sie beugte sich über die Gravur. »Die sieht aber anders aus als die im Zimmer von meiner Oma.«
    Simon erzählte ihr von seiner Beobachtung.
    »Aber das ist ein eingeritztes Bild! Das kann sich doch nicht verändern.«
    Simon wusste keine Antwort.
    Vorsichtig umfasste er mit den Fingern das spröde Metall, um es aus dem Türrahmen zu ziehen. Es ließ sich bewegen, doch die Spitze des Dorns hing fest. Simon zog stärker, bis der Widerstand nachließ. Mit einem leisen Ratschen glitt der Dorn aus dem Holz.
    In der gleichen Sekunde begann der Türrahmen unter dem Spinnengewebe zu zittern. Überrascht sahen sie sich an. Ein Knarren ertönte, so als ob sich irgendwo eine schwere Tür öffnet. Dann war von weither ein Rauschen zu hören, ein leises Säuseln, das schnell näher kam, es wurde lauter und lauter, bis plötzlich ein eiskalter Windstoß sie erfasste. Erschrocken zuckten Simon und Ira zusammen. Das Spinnengewebe am Türrahmen zerriss, der Wind fuhr in die Scheune hinein und zerrte an ihren

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