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Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
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Tages. Simon war in Tims Zimmer, wo er sein Taschenmesser gesucht hatte. Seit seinem Umzug in das Atelier war es verschwunden gewesen, und nun hatte er es in seinem alten Zimmer unter dem Kleiderschrank wiedergefunden.
    Simon sah zur Scheune hinab. Der Duft des Abends und seine Gedanken an den letzten Sommer passten nicht zu den Bildern, die ihm beim Anblick des alten Gemäuers im Schatten der Olivenbäume in den Sinn kamen. Simon wusste, wie es dort drinnen aussah und was dort geschehen war, und das machtedie Scheune unheimlich. Die Erinnerung an den Staubsturm und an die Spinnen ließen ihn erschauern.
    »Was machst du denn hier?« Tim stand in der Tür und sah ihn überrascht an.
    Simon drehte sich um. »Ich hab mein Taschenmesser gesucht.« Er hob das Messer, das er in der Hand hielt, es war ein Geschenk seines Großvaters aus dem letzten Sommer.
    Tim warf den Schlüssel seines Rollers auf den Schreibtisch und ließ sich auf sein Bett fallen. Er verschränkte die Arme unter dem Kopf und betrachtete Simon neugierig. »Scheint so, ich hab dich unterschätzt, kleiner Bruder. Wie heißt denn die Kleine, mit der du im Bad warst?«
    »Ira.«
    »Süß. Hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
    Simon überlegte, ob er Tim über seinen Irrtum aufklären sollte, doch er entschied sich, es bleiben zu lassen.
    »Und wo hast du sie kennengelernt?«
    »Unten, am Hafen. Dort, wo die Bäckerei ist.«
    Der Hinweis auf das Geschäft, in dem Marias Mutter arbeitete, ließ Tims Laune schlagartig sinken. Missmutig kniff er die Lippen zusammen.
    Simon lehnte sich gegen den Fensterrahmen. »Ich war übrigens bei ihr.«
    »Bei wem?«
    »Bei Maria.«
    Überrascht setzte Tim sich auf. »Und?«
    »Sie vermisst dich.«
    »Das hat sie dir gesagt?« Er runzelte ungläubig die Stirn.
    Simon schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe es gefühlt.«
    Tim blickte ihn verblüfft an.
    »Sie ist traurig«, fuhr Simon fort. »Und sie denkt an dich. Ich habe es gespürt, als ich ihre Gefühle gelesen habe.«
    »Aber das kann nicht sein! Warum will sie mich dann nicht sehen?«
    Simon zögerte, bevor er antwortete. »Ich glaube, ihre Mutter verbietet ihr, dich zu treffen.«
    Sein Bruder war hin- und hergerissen zwischen Zweifel und Hoffnung. »Wenn das stimmt, Bruderherz, dann hast du was gut bei mir.« Er sprang auf, griff sich den Schlüssel von seinem Motorroller und lief zur Zimmertür. Im Türrahmen drehte er sich noch einmal um, den Zeigefinger auf Simon gerichtet. »Wehe, du legst mich rein!«
    Wenig später knatterte Tim mit seinem Roller die Auffahrt hinab. Simon, der in sein Zimmer hinaufgegangen war, sah ihm durch das Dachfenster nach. Eine Weile irrte das Licht des Scheinwerfers durch die Bäume, dann verschwand es auf der Straße, die hinab zum Dorf führte. Bald war es still.
    Simon musste gähnen, er war müde, der Tag war mehr als anstrengend gewesen. Nach allem, was passiert war, fand er es in Ordnung, das Waschen und Zähneputzen ausfallen zu lassen. Schnell zog er sich aus, benutzte das Gästeklo und rief seiner Mutter durch das Treppenhaus einen Gute-Nacht-Gruß zu. Erschöpft kroch er unter die Bettdecke und blickte aus dem Fenster.
    Der Mond schob sich gerade hinter einer Hügelkuppe hervor. Er war groß und rund und rot, so als ob er der Sonne Konkurrenz machen wollte. Die Farben des Tages verschwanden in seinem blassen Licht.
    Simon dachte darüber nach, was in den vergangenen Stunden alles passiert war: der Besuch in der Stadt; die Begegnung mit den Soldaten und mit Ashakida; der Besuch bei Ira und ihrer Großmutter; der plötzlichen Sturm in der Scheune und der Kampf mit den Spinnen; der nahe Moment mit Ira unten im Badezimmer. Hätte ihm am Tag zuvor jemand prophezeit, was heute alles geschehen würde, er hätte ihn für verrückt erklärt.
    Sein Blick fiel auf das Skizzenbuch, das auf dem Schreibtisch lag. Simon setzte sich und blätterte das Buch auf. Nachdenklich betrachtete er die farbigen Zeichnungen, eine nach der anderen.
    Plötzlich stutzte er: Er hatte die Skizze der Ruinenstadt aufgeschlagen, der Tower erhob sich bedrohlich über den verfallenen Häusern. Wie auf dem großen Gemälde, das er bei seinem ersten Besuch im Atelier des Großvaters auf der Staffelei entdeckt hatte, blitzten Augen in der Dunkelheit auf. Doch erst jetzt sah Simon, dass etwas anders war: Am unteren Rand des Bildes stand eine Gestalt, ein Junge mit einer Fackel in der Hand. Neben ihm war ein Tier zu sehen, ein Leopard. Sein Fell war heller als das

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