Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Stromiedel
Vom Netzwerk:
von Ashakida, es musste ein Schneeleopard sein.
    Aufgeregt lief Simon in den angrenzenden Teil des Ateliers, in dem sie die Bilder des Großvaters aufbewahrt hatten. Das Gemälde von der Ruinenstadt stand noch immer dort, wo er es versteckt hatte. Er zog es hinter dem Schrank hervor und verglich die Skizze im Buch mit dem Ölgemälde. Auf dem Gemälde fehlte der Junge. War es Absicht oder war sein Großvater mit dem Ölbild einfach nicht fertig geworden? Ihm fiel die Zeichnung ein, die sein Opa an den Balken geheftet hatte, zwischen die Porträts von Simons Familie. Simon holte das Blatt hervor und verglich es mit der Skizze. Die Zeichnung auf dem Blatt und die Zeichnung in dem Skizzenbuch glichen sich. Sollte er etwa der Junge sein? Aber er war noch nie in einer solchen Stadt gewesen.
    Nachdenklich schob Simon das Bild und das Blatt mit der Zeichnung wieder hinter den Schrank. Dann legte er das Skizzenbuch zurück auf seinen Schreibtisch. Das Licht des Mondes fiel auf den Tisch und zeichnete das Rosen-Relief auf dem Ledereinband des Buches nach. Simon fiel der Metalldorn ein, den er aus dem Türrahmen in der Scheune gezogen hatte und der das gleiche Bild trug. Er hatte ihn mit ins Haus genommen und ihn im Bad aus der Hosentasche geholt, bevor er seine und Iras Kleidung in den Plastiksack gestopft hatte. Er war sich auch sicher, dass er ihn nach dem Duschen aus dem Bad mitgenommen hatte. Dann war Tim aufgetaucht, und er hatte in der Aufregung den Metalldorn irgendwo abgelegt.
    Simon schaltete das Deckenlicht ein. Er musste eine Weile suchen, bis er ihn entdeckte. Der Metalldorn lag auf einem Regal gleich neben der Tür. Er glänzte stumpf im Licht der Lampe.
    Simon wollte gerade den Dorn in die Hand nehmen, als er es sah: Die eingravierte Rose war jetzt komplett vertrocknet! Die letzte Rose, die in der Scheune noch geblüht hatte, hatte alle ihre Blütenblätter abgeworfen. Auch die übrigen Blätter der Rose waren verdorrt, nur noch wenige hingen eingerollt andürren Ästen. Das Tor hinter dem trockenen Busch war jetzt deutlich zu sehen, es war nur angelehnt.
    Das Bild hatte sich verändert, es gab keinen Zweifel mehr.
    Simon zögerte, den Dorn zu berühren, doch dann nahm er ihn, um die Gravur genauer zu betrachten. Kaum hatte er das Metall ergriffen, zerbröselte es zwischen seinen Fingern und wurde zu Staub, der auf das Regal herabrieselte.
    Sprachlos starrte Simon auf die Reste des Metalldorns in seiner Hand.
    Plötzlich rauschten die Bäume, und er vernahm ein leises Wispern. »Salvatore!«
    Erschrocken hielt Simon den Atem an. Die Stimme hatte nahe geklungen und zugleich fern. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals.
    Erneut begannen die Bäume zu rauschen, der Wind fuhr durch die Blätter. Simon ging zum Fenster und lauschte gespannt in die Nacht. Er dachte schon, sich getäuscht zu haben, als das Wispern wieder zu hören war. Es schwebte in den Raum, wie ein Windstoß, der eine Gardine bewegt. »Salvatore! Wo bist du? Ich warte auf dich!«
    Simon starrte in die Dunkelheit. Machte sich jemand einen Spaß mit ihm? Aber wer? Tim war fort, und seine Mutter war die Letzte, die so etwas tun würde. Und auch Ira traute er das nicht zu.
    »Salvatore! Komm zu mir!«
    Simon spürte, wie die Stimme ihn magisch anzog.
    Eilig stieg er in seine Kleidung und verließ das Zimmer.

33
    Simon war angespannt, als er die Treppe hinabstieg. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. Gerade noch rechtzeitig bemerkte er, dass ihm der Weg durch die Küche hinaus in den Garten versperrt war: Seine Mutter stand am Herd und telefonierte, sie schien aufgebracht. In ihrem Ärger bemerkte sie ihn nicht. »Nein, Simon ist in seinem Zimmer. Er schläft. Und Tim ist unterwegs.« Sie horchte ungeduldig, dann unterbrach sie den Anrufer. »Nein, ich weck ihn nicht. Du kennst meine Meinung. Lass uns darüber reden, wenn du hier bist.«
    Behutsam zog Simon die Küchentür wieder zu. Seine Mutter schien mit seinem Vater zu reden, schloss er aus ihren Worten, und sein Vater war auf dem Weg hierher. Besser, er beeilte sich, damit er rechtzeitig wieder in seinem Zimmer war, bevor sein Vater hier eintraf.
    Simon huschte durch den Vordereingang hinaus in die Nacht. Vor dem Haus blieb er stehen und lauschte in die Dunkelheit. Er konnte das Meer hören, das unten an der Küste gegen das Ufer brandete. Doch ansonsten war es still. Die Grillen schwiegen, der Wind schlief, die Nachtvögel gaben keinen Laut von sich. Auch die Stimme, die er eben noch in seinem Zimmer

Weitere Kostenlose Bücher