Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter
als Simon nicht antwortete. Sie blickte den Vater an. »Das Tor steht offen. Drhan hat es entdeckt. Er wollte deinen Sohn zu sich holen.«
Besorgt drehte der Vater sich zu Simon um.
Im gleichen Moment schallte ein gellender Schrei aus dem Haus.
Simon erkannte sofort, wer da schrie: Es war seine Mutter.
35
Simon reagierte als Erster. Er sprang auf, lief ins Haus und rannte die Treppe hinauf. Sein Vater war dicht hinter ihm. Simons Mutter stand oben auf dem Treppenabsatz, eine Schüssel und ein Leinensäckchen in der Hand. Entsetzt starrte sie ins Bad. Simon und sein Vater waren schockiert, als sie sahen, was in dem Raum geschehen war: So wie das Innere der Scheune, war fast das gesamte Bad mit Spinnengewebe bedeckt, die Dusche, das Waschbecken, der Schrank, alles war von silbern glänzenden Fäden umhüllt. Auch ein Teil der Decke war schon voller Spinnenweben. Simon sah die winzigen Tiere, die unter der Schicht aus Fäden krabbelten und fraßen.
Die Lippen des Vaters bildeten einen schmalen Spalt. »Simon, schnell, erzähl, was hier geschehen ist. Wir haben nicht viel Zeit.«
So knapp es ging, berichtete Simon von den Ereignissen der vergangenen Tage. Sein Vater hörte ihm zu, ohne etwas zu entgegnen. Nur seine Augenbrauen, die sich immer weiter zusammenzogen, zeigten seinen Ärger.
»Es tut mir leid, Papa.«
Sein Vater schüttelte den Kopf. »Ich hätte dich nicht alleine lassen dürfen.« Er schloss die Badtür und sah Simon eindringlich an. »Ihr habt euch also hier ausgezogen und geduscht, nachdem ihr in der Scheune gewesen seid. Was ist mit den Sachen passiert, die ihr getragen habt?«
»Wir haben sie verbrannt.«
»Gut. Kann dabei eine Spinne entkommen sein?«
Simon schüttelte den Kopf. »Nein, ganz sicher nicht.«
»Hoffen wir, dass du recht hast. Vielleicht ist es noch nicht zu spät.« Er wandte sich seiner Frau zu und nahm das Leinensäckchen, das sie ihm reichte. »Pack alles Nötige ein. Wir müssen das Haus verlassen. Und hol den Rucksack aus dem Geheimfach.«
Wortlos verschwand die Mutter im Arbeitszimmer.
Der Vater sah zu Simon. »Du bringst Ashakida fort. Bade ihren Körper, in diesen Kräutern.« Er reichte ihm das Leinensäckchen.
»Aber ich kann dir doch helfen! Wir müssen das Tor verschließen!«
»Ich bin der Torwächter, nicht du.«
»Aber du hast gesagt, dass deine Kraft nachlässt.«
Der Vater betrachtete ihn verwundert. »Wer hat dir davon erzählt? Hast du uns etwa belauscht?«
Simon zuckte ertappt mit den Achseln. Er wusste, jetzt war es besser, nichts zu sagen.
Sein Vater schüttelte den Kopf. »Du bist noch nicht so weit. Kümmer dich um Ashakida. Ich schließe das Tor. Und jetzt keine weiteren Fragen, die Zeit drängt!« Bei seinen letzten Worten lief der Vater die Stufen hinunter in das Erdgeschoss. Simon folgte ihm.
Tim stand mit Maria am Fuß der Treppe und sah ihnen entgegen. »Kann uns mal einer erklären, was hier los ist?«
»Nicht jetzt, Tim.« Der Vater griff in die Tasche und warf ihm den Autoschlüssel zu. »Du bringst Simon fort. Und die Leopardin. Und auch deine Freundin. Sie ist doch deine Freundin, oder?«
Maria lächelte verlegen.
»Aber ich kann nicht Auto fahren.« Tim war überrascht.
»Ich weiß, dass du es heimlich geübt hast. Glaubst du, ich hab die Beule nicht gesehen?« Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Vaters. »Also tu, was du kannst.«
Tim nickte stumm.
Simon fiel das Skizzenbuch des Großvaters ein. »Ich muss schnell noch was holen.« Er rannte zurück ins Haus und lief hinauf in das Atelier. Das Buch lag noch dort, wo er es zurückgelassen hatte. Simon nahm es vom Schreibtisch und stopfte es in seinen Hosenbund.
Seine Mutter erwartete ihn auf halber Treppe, sie hielt einen Rucksack in der Hand. Simon kannte ihn, er hatte im Geheimfach gelegen, in dem auch der Scheunenschlüssel hing. »Nimm den Rucksack bitte mit. Ich hoffe, du brauchst ihn nicht.« Seine Mutter sah besorgt aus.
Simon nickte.
Sie zog ihn an sich und umarmte ihn fest. »Du musst jetzt gehen«, sagte sie nach einer Weile, ohne ihn loszulassen. Als sie sich voneinander lösten, sah er eine Träne in ihrem Augenwinkel funkeln.
Simon mochte nicht, wenn sie weinte. Auch ihm wurdedann immer ganz schummerig zumute. Hastig drehte er sich um und lief die Treppe hinab zur Ausgangstür.
Tim saß schon im Wagen, während sich sein Vater um Ashakida kümmerte. Die Leopardin hatte sich aufgerichtet, sie versuchte gerade, aus eigener Kraft aufzustehen.
»Nein,
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