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Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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den Gräsern der Heide. Sonst waren keine Geräusche zu hören, auch keine Vögel.
    Ganz anders an der Baustelle des Damms. Der Lärm dort war ohrenbetäubend. Das Quietschen von Stahl auf Stahl, wahrscheinlich von der heftig dampfenden kleinen Arbeitslok, mischte sich mit dem Wiehern von Zugpferden, dem Gebrüll der Vorarbeiter und dem dumpfen Wummern von Rammen auf Holzpfählen.
    »Lass uns auf den Holzstapel steigen«, brüllte Ose in Asmus’ Ohr. »Von dort bekommt man die bessere Übersicht.«
    Asmus half Ose ritterlich, auf die zum Verlegen bereitgelegten Bahnschwellen zu klettern.
    Der Deichfuß hatte schon Gestalt angenommen, soweit man blicken konnte. Wo bereits Schienen gelegt waren, machten sie einen scharfen Knick nach links, am dunstigen Horizont verschwand das Bauwerk in einem weiten Rechtsbogen im Watt. Möglicherweise waren auch dort schon Schienen verlegt, jedoch sah Asmus nur den Kleiboden, der so verdichtet war, dass seine Oberfläche im Zwielicht glänzte. Im rechten Winkel zum Damm ragte in die offene See hinaus ein dünner schwarzer Strich, an dessen Ende drei oder vier Schuten und Rammen festgemacht hatten.
    »Was ist das?«, erkundigte sich Asmus.
    »Das ist ein Hilfsdamm für die Feldbahn, mit der das Baumaterial von den Schuten hier auf Land transportiert wird. Die Gleise, Steine, Schwellen und so weiter werden aus Husum angeliefert.« Ose zeigte in die andere Richtung der Baustelle. »Dort sind die Wohnbaracken der Arbeiter. Die bleiben jeweils mehrere Wochen, bevor sie ein paar Tage frei bekommen und dann mit den Materialschuten zurückfahren.«
    Asmus drehte sich um. Einfache kleine Holzhütten, in denen die Männer wahrscheinlich zu sechst oder zu acht hausten. Dagegen war nichts einzuwenden. Ungemütlich würden sie erst im Herbst werden, aber da würden die Arbeiten vermutlich sowieso eingestellt werden.
    In der Nähe der Hütten fand eine Gruppe von Männern seine Aufmerksamkeit, die mit den Händen auf dem Rückenjemandem zu lauschen schienen. Eine Versammlung offenbar. Oder eine Predigt? Jedenfalls stand ein Mann auf einer Öltonne und sprach zu seinen Zuhörern. Asmus fiel zunächst nur seine Kappe auf, die sich durch ihre rundliche Form von den üblichen Schirmmützen unterschied.
    »Schon wieder einer von denen! Komm, lass uns woanders hingehen«, schlug Ose vor und zog an Asmus’ Ärmel, um ihn in eine andere Richtung zu lenken. »Immer müssen sie hetzen. Dabei geht es ihnen gar nicht um Verbesserungen für die Arbeiter, sondern um Wählerstimmen.«
    »Nein, warte! Die Stimme kenne ich doch«, widersprach Asmus. Er schüttelte Oses Arm ab und näherte sich der Gruppe.
    Ose, die ihm folgte, raunte ihm zu: »Einer der kommunistischen Agitatoren. Sie kommen regelmäßig, um die Arbeiter aufzuwiegeln. Die streiken dann von Zeit zu Zeit, und wieder geht es nicht vorwärts.«
    »Aber das wäre doch in eurem Sinne.«
    »Nein. So nicht.« Ose schüttelte den Kopf, dass der eine dicke Zopf, den sie heute lose trug, von einer Schulter auf die andere sprang.
    Asmus, der inzwischen den Tschako unter seiner von innen nach außen gewendeten Jacke versteckt hatte, schlenderte zu den Männern und schlängelte sich in die letzte Reihe der Zuhörer. Das Grün seiner Uniform fiel hoffentlich nicht zu sehr zwischen den Blaumännern oder den grauen Kitteln der Arbeiter auf.
    Er biss sich auf die Unterlippe, als er erkannte, wer da von der Tonne herunter sprach: Sinkwitz.
    »Die klassenlose Gesellschaft ist unser Ziel«, brüllte Sinkwitz und streckte seine geballten Fäuste in die Höhe. »Ihr knechtet für Kapitalisten, die sich in dem Geld baden, das ihr verdient! Bei diesem Dammbau gehen euch die Kälte und die Nässe auf die Lungen, ihr endet mit Schwindsucht, oder ihr holt euch Verletzungen und Gicht, die euch arbeitsunfähig machen, ihr ertrinkt, werdet vom Blitz erschlagen und anderes mehr. Das wollen wir ändern! Und ihr habt die Wahl im Mai des nächsten Jahres! Ihr wisst, was ich meine!«
    Das war es, wovon Matthiesen gesprochen hatte: Sinkwitzbetätigte sich bei den Arbeitern am Damm als sozialistischer Agitator, wenn man seine Rede genau analysierte, vielleicht auch als kommunistischer. Dies war, soweit Asmus es beurteilen konnte, mit seinem Amt als Chef der Schutzpolizei nicht vereinbar. Aber möglicherweise verstand Sinkwitz auf dem Grat zwischen Erlaubtem und Nichterlaubtem zu balancieren, ohne in die Falle zu gehen.
    »Na, du Sylter Naturhure, auch wieder unterwegs, um Ärger zu

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